Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Grundstück

Online-Rechtsberatung
Stand: 22.07.2013
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Thema: Rücktritt Grundstückskauf:
Meine Frau und ich haben am Donnerstag, 01.April ein von uns unterschriebenes Kaufangebot für ein Grundstück an den österreichischen Makler zurückgeschickt. Am Samstag, 03.04. haben wir vor Ort leider feststellen müssen, dass sich das Grundstück doch nicht eignet und sofort den Makler angerufen und ihm telefonisch mitgeteilt, dass wir das Grundstück doch nicht kaufen werden. Gleichzeitig haben wir ihn gebeten das Kaufangebot, welches zu der Zeit noch per Post unterwegs war, sofort nach Erhalt (nach Ostern) zu vernichten und nicht zur Gegenzeichnung an den Verkäufer weiterzuleiten. Am Dienstag haben wir von Deutschland aus das schriftlich per e-mail wiederholt und uns auf das Telefonat von Samstag bezogen.
Der Makler hat uns heute aber mitgeteilt, dass der Verkäufer unterschrieben hat! (d.h.der Makler hat das Kaufangebot entgegen unserer Anweisung also doch weitergeleitet!!!)

Wie sollen wir uns nun verhalten? Offenbar will uns der Makler nun zu diesem Kauf zwingen.

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

Sie und Frau O. haben das Kaufangebot, vergleichbar einem Vorvertrag, wie er hier in Deutschland ebenfalls gelegentlich geschlossen wird, unterzeichnet. Damit ist der Vertrag für sich genommen zustande gekommen. Sein Vollzug, d.h. die notarielle Ausfertigung ist nach österreichischen Recht nur noch der formale Vollzugsakt. Im Gegensatz zum deutschen Recht hat das von beiden Vertragsparteien unterzeichnete Kaufangebot bereits konstitutive Wirkung, d.h. keine Partei kann nach Unterzeichnung beider Parteien vom Vertrag zurücktreten oder die eingegangenen Verpflichtungen einseitig rückgängig machen. Etwas anderes gilt nach österreichischem Recht lediglich für den Fall, dass das Kaufgeanbot bereits am Tag der Besichtigung des Grundstücks unterzeichnet wird, vgl. § 30a KSchG (= Konsumentenschutzgesetz/Österreich). Nachstehend der auszugsweise Gesetzestext:

Rücktritt von Immobiliengeschäften

§ 30a. (1) Gibt ein Verbraucher eine Vertragserklärung, die auf den
Erwerb eines Bestandrechts, eines sonstigen Gebrauchs- oder
Nutzungsrechts oder des Eigentums an einer Wohnung, an einem
Einfamilienwohnhaus oder an einer Liegenschaft, die zum Bau eines
Einfamilienwohnhauses geeignet ist, am selben Tag ab, an dem er das
Vertragsobjekt das erste Mal besichtigt hat, so kann er von seiner
Vertragserklärung zurücktreten, sofern der Erwerb der Deckung des
dringenden Wohnbedürfnisses des Verbrauchers oder eines nahen
Angehörigen dienen soll.
(2) Der Rücktritt kann binnen einer Woche nach der
Vertragserklärung des Verbrauchers erklärt werden.

Aus diesem Grunde ist unter IV. des Kaufgeanbots auch der Tag der ersten Besichtigung (13.03.2010) vom Makler ausdrücklich vermerkt. Ein Rücktritt scheidet insoweit also aus.

Fraglich ist jedoch, ob ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Die Frage eines Rücktritts vom Vertrag stellt sich denklogisch nämlich erst dann, wenn ein Vertrag überhaupt zustande gekommen ist. Verneint man bereits diese Frage, kommt es zu einer Prüfung eines wirksamen Rücktritts nicht mehr. Im deutschen wie im österreichischen Recht setzt das Zustandekommen eines Vertrags zwei übereinstimmende Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme voraus. Ihr Angebot liegt in der Unterzeichnung des Kaufangebots, welches Sie am 01.04.2010 abgesendet hatten. Dieses müsste dem Annehmenden (Fr. O.) wirksam zugegangen sein, was zweifellos geschehen ist. Anderenfalls hätte sie es am 06.04.2010 nicht unterzeichnen können. In diesem Zeitfenster, nämlich nach Absendung durch Sie und vor Unterzeichnung durch Fr. O. entscheidet sich, ob der Vertrag wirksam zustande gekommen ist oder nicht.

Gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB (etwas anderes gilt auch nach den §§ 883 ff. ABGB = Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, österreichisches Pendant zum deutschen BGB) wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Nach Satz 2 wird sie nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Es kommt demnach auf den Zugang der Willenserklärung (Angebot) und dem Zugang Ihres Widerrufs sowie auf die Stellung des Maklers P. an.

Wer zur Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts bevollmächtigt ist, gilt idR auch als zur Entgegennahme der im Rahmen des Rechtsgeschäfts abgegebenen Erklärungen des anderen Teils als bevollmächtigt. Der Makler hat nach meinem Kenntnisstand keine Abschlussvollmacht vorgelegt, sodass er selbst nicht rechtsverbindlich für Fr. O. die Vertragsannahme erklären konnte. Deshalb leitete er das Kaufangebot an Fr. O. weiter. Damit gilt er rechtlich als Empfangsbote, der lediglich als personifizierte Empfangseinrichtung des Empfängers anzusehen ist. Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als zur Entgegennahme von Erklärungen für den Empfänger geeignet und ermächtigt angesehen werden kann. Dies trifft bei Herrn P. als von der Verkäuferin beauftragter Makler zweifelsohne zu. Ist die Mittelsperson als Empfangsbote des Empfängers anzusehen, gilt die ihr übermittelte Erklärung als in dem Zeitpunkt zugegangen, in welchem bei normalem Verlauf der Dinge mit Ihrer Weiterleitung an den Empfänger gerechnet werden darf. Das Risiko einer unterlassenen, verspäteten oder unrichtigen Übermittlung trägt in diesem Fall der Empfänger, also Fr. O.

Da empfangsbedürftige Willenserklärungen nicht schon mit ihrer Abgabe, sondern erst mit ihrem Zugang wirksam werden (s.o.), können sie vor dem Zugang beim Empfänger widerrufen (zurückgenommen) werden, vgl. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Erforderlich ist, dass der Widerruf dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit der widerrufenen Willenserklärung zugeht. Genau dies ist in Ihrem Fall geschehen. Sie haben Ihre am 01.04.2010 abgesandte Willenserklärung, nämlich Ihr Kaufangebot, bereits vor Zugang an Herrn P. (und damit vor Zugang an Fr. O.) ihm gegenüber fernmündlich wirksam widerrufen. Der Widerruf bedarf auch dann, wenn die widerrufene Willenserklärung formbedürftig ist, keiner bestimmten Form, vgl. Bamberger/Roth/Wendtland BGB 2. Aufl. 2008 § 130 Rn 30. Auf die (weisungswidrige bzw. arglistige) Weiterleitung und anschließend erfolgte Unterzeichnung durch Frau Olbrich kommt es mithin nicht mehr an. Ihr bereits abgesandtes Kaufangebot konnte auf Grund des wirksam gegenüber Herrn P. erklärten Widerrufs keine Wirkung mehr entfalten. Hilfreich ist dabei, dass bei dem entscheidenden Telefonat aus dem Auto Herr P. mitgehört hat.

Damit ist ein wirksamer Kaufvertrag bzw. Vorvertrag nicht zustande gekommen. Eine Maklerprovision kann deshalb ebenfalls nicht anfallen.

Im Ergebnis sollte nunmehr gegenüber der Verkäuferin sowie gegenüber Herrn P. nachdrücklich erklärt werden, dass ein wirksamer Vertrag nicht zustande gekommen ist. Anderenfalls stehen womöglich noch weitere Aktivitäten des Maklers zu befürchten, die letztlich unnötige Kosten verursachen. Wie seiner letzten e-mail zu entnehmen ist, geht er offensichtlich fest von einem Vertragsschluss aus. Seine Mitteilung bzw. Geschichte bezüglich der angeblich von Frau O. befragten Rechtsberater halte ich für wenig glaubwürdig.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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