Tarifwechsel beim Telefonanbieter: Habe ich ein Widerrufsrecht?

Online-Rechtsberatung
Stand: 17.03.2015
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin Kunde bei einem Telekommunikationsanbieter. Ich habe ausversehen mein Tarif gewechselt, wollte ich aber nicht. Ich wollte nur schauen wann mir ein neues Handy zusteht. Nun weigert sich der Anbieter den Vertrag wieder umzustellen auf den alten. Ich hatte auch widerrufen. Der Anbieter nimmt den Widerruf aber nicht an, weil angeblich beim Tarifwechsel kein Widerrufsrecht besteht.

Was soll ich tun?

Antwort des Anwalts

Der von Ihnen geschilderte Sachverhalt berechtigt nur ausnahmsweise zum Widerruf des geänderten Vertrags, aber auch zur Anfechtung Ihrer Willenserklärung.

Nach einem Urteil vom 28.03.2012 (Az.: 9 U 1166/11) *1) hat zu diesem Thema das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, dass bei einer im Wege des Fernabsatzes (per Internet oder Mobil) zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vorgenommenen Vertragsänderung ein Fernabsatzvertrag vorliegen kann, sofern sich wesentliche Vertragsbestandteile ändern.

Tipp: Nehmen Sie Bezug auf das Urteil und verlangen Sie Rückgängigmachung der Umstellung.

Sie hätten aber auch eigentlich vorzugsweise die Anfechtung Ihrer Zustimmung zur Umstellung erklärt wegen Erklärungsirrtums. Geregelt ist die Anfechtung von Willenserklärungen in den §§ 119 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) *1). Als Willenserklärung zu verstehen ist auch die Eingabe am Computer oder per Handy.

Eine Anfechtung bedarf dabei immer neben einer Anfechtungserklärung auch eines Anfechtungsgrunds. In der Anlage 2) finden Sie ein ganz taugliches Tutorium zu diesem Bereich von Professor Ranieri von der Universität Saarland.

Anfechtungserklärung:

Ihr bisheriges Schreiben könnte man vermutlich bei vernünftiger Auslegung bereits trotz der Bezeichnung Widerruf als Anfechtung verstehen.

Tipp: Damit es nicht an einer Anfechtungserklärung mangelt, stellen Sie in einem erneuten Schreiben klar, dass Sie Ihre Erklärung auch anfechten wollten nach § 119 BGB, und wiederholen Sie diese Erklärung der Anfechtung vorsichtshalber ausdrücklich noch einmal.

Formulierungsbeispiel: "Hiermit erkläre ich die Anfechung meiner damaligen Erklärung zur Unmstellung des Vertrags wegen Erklärungsirrtums gem. § 119 BGB". Die Umstellung war von mir nicht beabsichtigt und ich hatte bislang, auch vom System her, keine Gelegenheit, meine mögliche, offensichtlich falsche, Eingabe zu korrigieren.

Tipp: Nach meinen Erfahrungen mit dem Anbieter kommen Schreiben dort nur dann nachweislich auch wirklich an, wenn Sie entweder gegen Empfangsbestätigung versandt werden oder per Einschreiben.

Anfechtungsgrund: Erklärungsirrtum

Nach dem Gesetz kann man nach allgemeinem Zivilrecht eine Erklärung anfechten, wenn man bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte.

Weitere Voraussetzung ist, dass anzunehmen ist, dass die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

Diese Voraussetzungen dürften in Ihrem Fall nach den Umständen erfüllt sein.

Es handelt sich um einen Erklärungsirrtum. Sie haben zwar möglicherweise eine Umstellung betätigt, wollten die Rechtfolgen der Umstellung aber nicht. Hierzu müssen Sie gegebenenfalls noch weiter ausführen, sofern das noch nicht erfolgt ist.

Beachten Sie, dass die Anfechtung unverzüglich erklärt werden muss, also ohne schuldhaftes Zögern.

Die Wirkung einer erfolgreichen Anfechtung ist, dass der neue bzw. geänderte Vertrag rückwirkend (ex tunc) entfällt. Damit müssten Sie im Ergebnis das gewünschte Ziel erreicht haben.

Um Ihnen noch etwas Kanonenfutter zu liefern: Die 1und1 Internet AG könnte auch gegen die neuen, seit Mitte des Jahres eingeführten Informationspflichten gem. § 312i BGB (Allgemeine Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr) *4) verstoßen haben.

Danach muss der Unternehmer, wenn er sich zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr) bedient, dem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann.

Das scheint bei Ihnen nicht der Fall gewesen zu sein, sonst hätten Sie Ihre falsche Eingabe ja wohl auch korrigiert. Im Ergebnis muss der Anbieter Sie dann auch aus dem Rechtsgrund der positiven Vertragsverletzung, also wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, im Ergebnis schadlos stellen.

Tipp: Sobald so etwas beanstandet wird, werden nach meiner Erfahrung derartige Programmierfehler nach einer Beanstandung gelegentlich auf wunderbare Weise automatisch korrigiert und der Anbieter behauptet sodann, dass das schon immer so gewesen sei. Technisch nennt man das beweisfällig stellen.

Daher ist es zu empfehlen, das Fehlen entsprechender Korrekturmöglichkeiten von Eingabefehlern irgendwie zu dokumentieren.

Tipp: Wenn der Anbieter nach erneuter Fristsetzung den Vertrag dennoch einfach nicht wieder umstellt, könnte man vor einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Umstellung auch an die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens denken, abhängig von Ihren konkreten Vertragsbedingungen, die mir nicht vorliegen.

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.

*1) OLG Koblenz
http://www.lawcommunity.de/volltext/558.html

*2) § 119 BGB Anfechtbarkeit wegen Irrtums

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

*2) http://ranieri.jura.uni-saarland.de/Lehrangebot/Examen/Tutorium/Materialien/Anfechtung.htm

*3) § 121 BGB Anfechtungsfrist

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

*4) § 312i BGB Allgemeine Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr

(1) Bedient sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr), hat er dem Kunden

  1. angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann,
  2. die in Artikel 246c des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Informationen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich mitzuteilen,
  3. den Zugang von dessen Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen und
  4. die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.
    Bestellung und Empfangsbestätigung im Sinne von Satz 1 Nummer 3 gelten als zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie unter gewöhnlichen Umständen abrufen können.

(2) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist nicht anzuwenden, wenn der Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen wird. Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn zwischen Vertragsparteien, die nicht Verbraucher sind, etwas anderes vereinbart wird.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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