Kontopfändung ohne Vollstreckungsbescheid?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Inkasso A. erwirkte die Pfändung unseres Girokontos (Seit 5.6.13 gesperrt).
Vorausgegangen ist weder ein Vollstreckungsbescheid, der Besuch eines Gerichtsvollziehers, noch sonst ein Briefverkehr in dieser Angelegenheit.

Auf Anfrage teilte uns die Bank mit, sie könne da nichts tun. Sie haben lediglich eine Tel.-Nummer – da können wir mal anrufen. Es war die Nummer von A. Inkasso.
Da sagte man uns es sei eine Forderung der Fa. B und nach Zahlung einer Rate von 50 € würde das Konto wieder freigegeben.

Meine Fragen:

Wie kommen wir an Informationen ob die Forderung berechtigt ist oder nicht?
Eine Kontopfändung erfordert doch einen gerichtlichen Beschluss, warum bin ich darüber nicht informiert ?
Kann man bei Gericht über einen solchen Beschluss, falls überhaupt vorhanden, Auskunft erhalten ?
Kann ein Konto einfach so gepfändet werden ?
Wo müssen wir anfangen die Sache zu klären ?

Antwort des Anwalts

Die Pfändung einer Geldforderung richtet sich nach § 829 ZPO.
Hier bestimmt Abs. 2, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zusammen mit einer Abschrift der Zustellurkunde an Sie als Schuldner zugestellt werden muss. Der Gerichtsvollzieher hat dies sogleich nach der Zustellung an den Drittschuldner zu bewirken.
Damit haben Sie die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Pfändungsmaßnahme zu überprüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen.
Das zulässige gegen den Pfändungsbeschluss ist :
(1) Erinnerung nach § 766,; Abhilfe ist mögl. AAWieser ZZP 115, 157.
(2) Falls (selten!) eine "Entscheidung" vorliegt (§ 766), zB weil der Schuldner vorher gehört wurde: sof Beschwerde, §§ 11 I RPflG, 793, 567 (OLG Köln NJW-RR 2001, 69; OLG Frankfurt Rpfleger 1993, 57); ferner Antrag nach § 850k.
(3) Das LG kann die RB zum BGH zulassen (§ 574). Maßgeblich ist im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel (BGH NJW-RR 2009, 211 [BGH 23.10.2008 - VII ZB 16/08]).

Die Zustellung an Sie ist für die Wirksamkeit der Pfändungsmaßnahme nicht von Bedeutung.

Für die Pfändungsmaßnahme insgesamt bedarf es folgender Voraussetzungen:

Voraussetzungen der Pfändung sind:

a) Antrag des Gl (str, ob eigenhändige Unterschrift notw, LG Berlin MDR 1976, 148 [LG Berlin 15.07.1975 - 81 T 175/75]), Vorlage von Titel mit Klausel, Zustellungsurkunde. Kein Anwaltszwang. In der Regel wird zugleich die Überweisung (§ 835) beantragt. Dem Bestimmtheitserfordernis genügt es, wenn bei einem Antrag PfÜB auf eine beigefügte Forderungsaufstellung mit entsprechender Aufschlüsselung der Teilbeträge nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten verwiesen wird (BGH JurBüro 2008, 606 [BGH 08.07.2008 - VII ZB 69/07]). Der Antrag kann auch nur wegen eines Teilbetrags der titulierten Forderung oder wegen eines Kleinbetrags gestellt werden, § 753 Rz 4, 5. § 829 gilt auch bei Pfändung von Herausgabeansprüchen (§ 846) und anderen Vermögensrechten (§ 857 I).

Drittschuldner und Forderung müssen so genau bezeichnet werden, dass ihre Identität bei verständiger Auslegung feststeht (BGH 80, 181; 86, 338). Mangelhafte Währungsangabe (DM/Euro) rechtfertigt keine Antragsrückweisung (BGH NJW-RR 2003, 1437). Bei Pfändung von Ansprüchen auf laufende Sozialleistungen muss der Gl keine Angaben zur Billigkeit nach § 54 II SGB machen. Vordruckzwang nach § 829 IV.

b) Geldforderung als Pfandgegenstand, auch in ausl Währung, auch öffentl.-rechtl.. Auch eine bedingte, betagte, noch nicht fällige, von Gegenleistung abhängige, künftige Forderung; es muss aber bei Vollstr-Beginn bereits ein Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem (feststehenden) Drittschuldner (= Schuldner des Schuldners, zB dem Arbeitgeber des Schuldners wegen der Lohnforderung) bestehen und die künftige Forderung ihrer Art nach bestimmbar sein (BGH 20, 131; 53, 32); eine bloße Verdachts- oder Ausforschungspfändung ist unzulässig (OLG Köln Rpfleger 1987, 28); vgl
Die Geldforderung muss zum Schuldnervermögen gehören: Pfändung einer gläubigereigenen Forderung soll trotzdem zulässig sein (RG 86, 137; str). Ist der Gl selbst Drittschuldner, könnte er aufrechnen, er kann aber auch pfänden (OLG Stuttgart Rpfleger 1983, 409). Besteht die Forderung im Zeitpunkt der Pfändung nicht (auch nicht als künftige) oder steht sie nicht dem Schuldner zu, geht die Pfändung ins Leere und ist nichtig (BGH NJW 2002, 755 [BGH 12.12.2001 - IV ZR 47/01]):

c) Pfändbarkeit der Forderung. Fehlt bei Unübertragbarkeit, § 851, nach § 852, und aus sozialpolitischen Gründen, §§ 850 ff. und Sondergesetze.

d) Rechtsschutzbedürfnis: Existenz der Forderung darf nicht nachgeprüft werden, Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die zu pfändende Forderung eindeutig erkennbar nicht besteht (OLG Frankfurt OLGZ 1978, 363). Rechtsschutzbedürfnis fehlt nicht, weil Schuldner gerichtsbekannt (eV) vermögenslos ist (BGH NJW-RR 2003, 1650 [BGH 27.06.2003 - IXa ZB 62/03]). Benennt der Gl drei Banken am Wohnort des Schuldners als Drittschuldner, ist das keine unzulässige Ausforschungs- oder Verdachtspfändung (BGH NJW 2004, 2096 [BGH 19.03.2004 - IXa ZB 229/03]); anders bei Benennung von 200 Banken.

In Ihrem Falle schreiben Sie nun, dass Ihnen kein Vollstreckungsbescheid oder der Besuch eines Gerichtsvollziehers oder sonstiger Schriftwechsel vorangegangen sei.

Wie oben ausgeführt, bedarf es für die Pfändung der Vorlage eines vollstreckbaren Schuldtitels. Der kann auch schon länger sein. Es ist nicht notwendig, dass es ein Titel der A. Inkasso ist, es ist vermutlich so, dass Ihnen ein Vollstreckungsbecheid der Firma B. zugestellt wurde. Dies kann auch schon Jahre zurückliegen.
Wie weiter gezeigt, ist der vorherige Besuch des Gerichtsvollziehers nicht Voraussetzung. Der Gläubiger kann sofort das Konto pfänden lassen, wenn auch die anderen Voraussetzungen vorliegen. Auch bedarf es keiner Vollstreckungsankündigung.

Sie sollten daher nun schauen, ob Ihnen zwischenzeitlich der Pfändungs- und Üebrweisungsbeschluss zugestellt wurde. Gegebenenfalls sollte Ihnen Ihre Bank eine Abschrift davon zukommen lassen, damit Sie dies überprüfen können.

Wenn es einen Vollstreckungsbescheid gibt, dann können Sie gegen die Forderung als solches nichts mehr machen. Sollte wider Erwarten kein Schuldtitel vorliegen, können Sie gegen die Pfändungsmaßnahme mit der Erinnerung angehen. Adressat ist dann das Vollstreckungsgericht.

Insgesamt empfehle ich Ihnen, soweit noch nicht geschehen, die Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO

Beim Bankkonto haben Sie folgendes zu beachten:

Zunächst ist zu prüfen, ob ein sog Pfändungsschutzkonto nach § 850k (Neufassung) handelt, denn dann besteht nur eine beschränkte Pfändbarkeit. Besteht ein KontokorrentVerh (§ 355 HGB), sind pfändbar der Zustellungssaldo (= Guthabensaldo bei Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Bank; BGH NJW 1981, 1611 [BGH 13.03.1981 - I ZR 5/79]) und die künftigen periodischen (zu den vertragl. oder gesetzl., § 355 II HGB, Abschlusstagen entstehenden) Aktivsalden (BGH NJW 1981, 1611 [BGH 13.03.1981 - I ZR 5/79]). Pfändbar ist ferner der Anspruch aus dem Girovertrag auf Auszahlung des sich zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebenden künftigen Tagesguthabens (BGH NJW 1982, 2192 [BGH 30.06.1982 - VIII ZR 129/81]; NJW 1997, 1857 [BGH 20.03.1997 - IX ZR 71/96]; die Bank darf dann auch daraus keine Überweisungen des Schuldners an Dritte und keine Barauszahlungen an den Schuldner vornehmen) und der Anspruch auf Gutschrift aller Geldneueingänge (BGH WM 1973, 893; NJW 1985, 1218 [BGH 24.01.1985 - IX ZR 65/84]). Zweckmäßig ist, wenn der Gl alle diese Pfändungen gleichzeitig beantragt; der neue § 833a I bringt eine Definition, was "Kontenpfändung" umfasst, um wortreiche Anträge und Beschlüsse zu vermeiden. Der Auskunftsanspruch gegen die Bank (§ 666 BGB) ist als Nebenanspruch mitgepfändet und geht nach §§ 412, 401 BGB auf den Gl über (BGH NJW-RR 2003, 1555 [BGH 18.07.2003 - IXa ZB 148/03]). Dagegen kann der Anspruch des Kunden auf Erteilung von Kontoauszügen bei Kontopfändung nicht als Nebenanspruch mit der Hauptforderung mitgepfändet werden (BGH NJW 2006, 217 [BGH 08.11.2005 - XI ZR 90/05]). Kennt der Gl die kontoführende Bank nicht: der Formularantrag des Gl, Ansprüche gegen drei Banken am Wohnort zu pfänden (Verdachtspfändung), ist nicht rechtsmissbräuchlich (BGH NJW 2004, 2096 [BGH 19.03.2004 - IXa ZB 229/03]; dazu Hess NJW 2004, 2350 [BGH 19.03.2004 - IXa ZB 229/03]). Eine Kontonummer muss im Antrag nicht angegeben werden.
Das Angebot, gegen Ratenzahlung das Konto wieder frei zu machen, bedeutet, dass die Pfändung einstweilen ruhend gestellt werden wird. Das Konto bleibt gepfändet, nur erlaubt der Gläubiger die Verfügungen, solange bei ihm die Raten eingehen.

Ich hoffe, Ihnen hiermit weiter geholfen zu haben:

1) Die Berechtigung der Forderung ergibt sich aus dem beigefügten Schuldtitel.
2) Der gerichtliche Beschluss muss Ihnen zugestellt werden, allerdings erst nach Zustellung an die Bank.
3) Durch die Zustellung an Sie erhalten Sie die entsprechende Auskunft. Wenn Sie bei der Bank das Gericht und das Aktenzeichen erfragen, hilft man Ihnen beim Gericht auch gerne weiter. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zustellung an Sie auch alsbald erfolgen wird.
4) Das Konto kann bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen tatsächlich einfach so gepfändet werden.
5) Die Sache klären Sie am Besten, wenn Sie zunächst die eigenen Unterlagen nach eventuellen Forderungen und Schuldtiteln der Firma B. durchsehen. Unter Umständen kann aber auch eine Namensverwechslung vorliegen. Vielleicht wurde der Vollstreckungsbescheid an eine alte Adresse von Ihnen zugestellt. Wenn Sie Ihre Unterlagen gesichtet haben, gleichen Sie die Angaben in dem Ihnen dann zugestellten Beschluss ab und überprüfen diesen auf seine Richtigkeit
6) Wenn hier Unstimmigkeiten bestehen sollten, dann können Sie sich entsprechend wehren.

Sollte die Forderung überhaupt nicht bestehen, hilft Ihnen dann die Vollstreckungsabwehrklage.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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