Kann Pflegegeld für aufgenommenen Minderjährigen rückwirkend beantragt werden?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Wir haben Anfang 2016 für acht Wochen einen Jungen bei uns aufgenommen, ab November 2016  nochmal für vier Monate. Wir waren stets in engem Kontakt mit seinem Betreuer und dem Jugendamt. Wir haben ihm die Möglichkeit gegeben, bei uns zu leben, anstatt in einer vorübergehenden Inobhutnahmeeinrichtung auf einen passenden Platz in einer Wohngruppe zu warten. Laut Jugendamt war es nicht möglich, dass wir als Privathaushalt finanzielle Unterstützung dafür bekommen. Das haben wir so hingenommen. Der Junge war also bei uns zu Gast, auf unsere Kosten. Dann bekamen wir aber die Mitteilung, dass wir offiziell als Inobhutnahme eingetragen sind und bekamen Pflegegeld für die letzten zwei Monate. Pflegegeld wird erst nach offiziellem Bescheid gezahlt, für die Zeit vorher haben wir keinen Anspruch.

Kann man dagegen vorgehen? Oder die Kosten für die unbezahlten vier Monate zumindest steuerlich berücksichtigen? Wenn es im Februar möglich ist, Inobhutnahmestelle zu sein, warum ging das dann im November nicht. Ich habe mich darauf verlassen, dass die Aussage des Jugendamts so stimmt. Erst später habe ich recherchiert und gelesen, dass man sehr wohl als Inobhutnahmestelle für "fremde" Personen fungieren kann, sofern ein enger Kontakt mit dem Jugendamt besteht. 

Antwort des Anwalts

Wie Sie sicher selbst feststellen, sind Sie vom Jugendamt nicht optimal beraten worden.

Grundsätzlich sind vom Jugendamt Unterhaltsleistungen (und Pflegegeld) für den aufgenommenen Jugendlichen nach § 39 Abs.1 SGB VIII in Verbindung mit § 33 SGB VIII zu erbringen.

Dabei darf allerdings nur eine Unterbringung in einer Unterbringungsstelle (Familie) erfolgen, die eine Erlaubnis für eine Vollzeitpflege hat (§ 44 SGB VIII). Nur bei Unterbringung in einer anerkannten Pflegestelle können Unterhaltsleistungen erbracht werden. Von diesem sicher sinnvollen Grundsatz gibt es eine Ausnahme, wenn die Aufnahme in der Pflegestelle durch Vermittlung des Jugendamtes erfolgt.

An dieser Stelle ist Ihre Anfrage unscharf, da es darauf ankommt, dass der Jugendliche durch das Jugendamt vermittelt worden ist. Haben Sie selbst ggfs. im Kontakt mit dem Jugendlichen und dem Betreuer den Jungen aufgenommen, liegt keine Unterbringung durch Vermittlung des Jugendamtes vor. Allein die Kenntnis und die Duldung der Aufnahme stellt keine Vermittlung dar.

Möglich ist aber eine Aufnahme bis zu acht Wochen ohne entsprechende Anerkennung als Pflegestelle (§ 44 Abs.1 Ziff. 4 SGB VIII). Um den Verbleib des Jungen über die acht Wochen hinaus ab der erneuten Aufnahme im November in Ihrer Familie überhaupt erst möglich zu machen, war daher eine entsprechende Anerkennung als Pflegefamilie notwendig, die auch die Zahlungspflicht ab diesem Zeitraum bedingte.

Ich habe erhebliche Zweifel, ob es rückwirkend noch möglich ist, hier erfolgreich Forderungen geltend zu machen.

Sozialrechtliche Leistungen werden üblicherweise erst ab Antragstellung erbracht. In Ihrem Fall wird es an einem offiziellen Antrag wohl fehlen, da Sie vom Jugendamt falsch beraten worden sind. Die Falschberatung selbst kann zu einer Amtshaftung führen. Diese ist aber meist schlecht nachzuweisen, da Sie nachweisen müssen, welcher Mitarbeiter genau welche (falsche) Auskunft gegeben hat. Aus Angst vor einer Haftung wird hier von den Mitarbeitern meist alles abgestritten.

Es bleibt die Möglichkeit, die ausstehenden Leistungen noch einmal schriftlich anzufordern und auf  die bestehende Rechtspflicht zur Zahlung nach § 39 SGB VIII hinzuweisen, die bei einer kurzfristigen Aufnahme von bis zu 8 Wochen auch ohne Anerkennung als Pflegefamilie zu leisten sind. Erfolgt keine Leistung durch das Jugendamt, würde ich allerdings von einer gerichtlichen Verfolgung des Anspruches absehen.

Ich habe erhebliche Zweifel, ob eine steuerliche Berücksichtigung der erbrachten Leistung möglich ist, da ja keine Rechtspflicht für die Unterbringung bestand. Hinsichtlich verbindlicher Auskünfte muss ich Sie aber auf Ihren Steuerberater verweisen.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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