Krankenkasse verweigert Kostenübernahme für kieferorthopädische Behandlung

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich hatte im April 2015 eine Zahnbehandlung. Bei der Nachkontrolle eine Woche später fiel auf, dass meine Schneidezähne extrem weit auseinander standen. (Beim festen Zusammenbeißen konnte ich meinen kleinen Finger fast ohne Probleme an den Zähnen vorbei in meinen Mund schieben.)

Der Zahnarzt hat dann ein Jahr zusammen mit regelmäßiger Kieferphysio (1-2x die Woche) versucht, den Biss wieder zu schließen. Durch Arbeiten der Kieferphysio am Gelenk verringerte sich der offene Biss so weit, dass ich zumindest wieder etwas besser essen konnte.

Als sich jedoch dann keine weitere Besserung mehr einstellte, bin ich zu einer Kieferorthopädin gegangen. Diese stellte fest, dass ich wohl an einer relativ seltenen Erkrankung leide, bei welcher der Kiefer über ein bestimmtes Alter weiter wächst. Dies wird meist erst im Erwachsenenalter festgestellt, weil vorher keine Probleme erkennbar sind.

Es wurde dann am 19.09.2016 ein MRT durchgeführt, bei welchem sich herausstellte, dass ich auf der linken Seite des Kiefers bereits keinen Knorpel mehr am Gelenk habe. Dieser wurde wohl durch die Fehlstellung und das jahrelange dadurch entstehende Knacken (mein Kiefer knackt bereits seit ich ein Kind bin) immer weiter nach vorn verlagert und ist nun irreparabel. Auch der Knorpel auf der rechten Seite ist bereits nach vorn verlagert, könnte aber ggf. durch eine OP noch gerettet werden.

Danach war ich beim Kieferchirurgen, welcher mir mitteilte, dass die Fehlstellung wohl so massiv ist, dass diese ohne OP nicht wieder zu kitten ist.

Die ganzen Unterlagen wurden an die Krankenkasse geschickt und diese teilte mir in einem Schreiben vom 14.12 2016 mit, dass eine Kostenübernahme abgelehnt wird. Ich legte wie in dem Schreiben angegeben Widerspruch gegen diese Entscheidung ein. Daraufhin wurde mir am Telefon mitgeteilt, dass ich keinen Widerspruch einlegen könnte, da die Sache bereits durch einen Gutachter begutachtet worden sei. Als ich der Dame dann mitteilte, dass  sich die ganze Sache bereits seit fast 2 Jahren hinzieht und von den Folgeerscheinungen berichtete, bot sie mir an, den Widerspruch so zu behandeln als könne ich wirklich einen einreichen und mit weiteren Unterlagen vom Zahnarzt und der Kieferphysiotherapeutin eine zweite Begutachtung durch einen Amtsarzt zur Klärung der Folgebeschwerden zu erwirken.

Auf Nachfrage bei meiner Kieferorthopädin was in dem Gutachten stand teilte diese mir mit, dass die Krankenkasse einen frontal offenen Biss erst ab 5 mm bezahlen darf. Bei mir würden jedoch nur 2,5 - 3 mm vorliegen. Auf meine Anmerkung, dass der Biss vor der Behandlung des Gelenks durch die Kieferphysiologin deutlich bei ca. 5 mm lag wenn nicht sogar mehr erfolgte keine Reaktion.

Ich habe von meinem Zahnarzt und der Kieferphysiologin alle möglichen Unterlagen eingeholt. Die Physiologin bestätigte einen offenen Biss zu Anfang der Behandlung von ca. 5 mm und mein Zahnarzt konnte mir leider nur meine Patientenakte senden, da auf Anfrage bei der Krankenkasse (es wurde mit einer anderen Mitarbeiterin gesprochen) kein Auftrag für einen vollständigen Bericht erteilt wurde und mein Zahnarzt somit keinen erstellen kann.

Am 10.01.2017 übersendete ich schon einmal die Patientenakte des Zahnarztes an meine Ansprechpartnerin bei der Krankenkasse und reichte am 29.01.2017 das Schreiben der Kieferphysiologin für die Beantragung einer zweiten Beurteilung nach.

Am 30.01.2017 erhielt ich ein Schreiben in welchem die Kostenübernahme für die Behandlung erneut abgelehnt wurde. Von einer Zweitbeurteilung war keine Rede mehr.

Ich füllte das Formular für die Widerspruchsaufrechterhalung aus und sendete es am 07.02.2017 an meine Krankenkasse.

Am 30.03.2017 erhielt ich den Bescheid, dass die Sache nun vor den Widerspruchsausschuss ginge und am 03.05.2017 wurde mir durch diesen mitgeteilt, dass der Widerspruch als unbegründet abgewiesen wird.

Es wurde sich erneut nur auf das erste Gutachten bezogen und von einer zweiten Beurteilung ist weiterhin keine Rede.

Des Weiteren wurde mir mitgeteilt, dass ich nun innerhalb eines Monats Klage einreichen müsste.

Die Beschwerden, die sich nach mittlerweile 3 Jahren aus dem Ganzen ergeben, empfinde ich als deutliche Minderung meiner Lebensqualität.

Beim Essen oder Sprechen entwickeln sich nach kurzer Zeit starke Schmerzen im rechten Gelenk.

Das ordentliche Abbeißen sowie zerkleinern der Mahlzeiten ist mir nicht mehr möglich. Demzufolge verschlucke ich mich auch immer häufiger. Des Weiteren leider ich immer öfter an starken Bauchschmerzen sowie Übelkeit sobald ich etwas esse.

Aus der Problematik mit meinem Kiefer ergeben sich starke Rückenschmerzen. Auch meine Halswirbelsäule, Schultermuskulatur, Hüfte und Knie schmerzen immer häufiger stark.

Ich kann oft nicht mehr schmerzfrei laufen, sitzen oder liegen.

Des Weiteren habe ich starke Bedenken, ob ich meinen Beruf in naher Zukunft weiterhin ausüben kann. Bei dauerhafter Belastung meiner Kiefers der z.B. beim Sprechen (ich muss in meinem Job viel telefonieren) sehr beansprucht wird, bekomme ich starke Gelenks- und daraus resultierende Kopfschmerzen, welcher mich meine Tätigkeit nicht mehr konzentriert ausüben lässt.

Da ich gerade mal 27 Jahre alt bin, sorgt mich das natürlich sehr und setzt mich unter starken psychischen Druck.

Die momentane Situation wird sich ohne die kieferorthopädische Behandlung mit anschließender OP nicht verbessern und ich werde weiterhin regelmäßig die Kieferphysiotherapie in Anspruch nehmen müssen, um den oben aufgeführten Schmerzen entgegenzuwirken und eine Verhärtung der Kiefermuskulatur zu vermeiden.

Was soll ich jetzt machen? Ich weiß nicht mehr weiter.

Antwort des Anwalts

Ich würde Ihnen in jedem Fall raten, wenn auch nur vorsorglich, gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids fristwahrend Klage beim Sozialgericht einzureichen. Wenn Ihnen der Bescheid am 3.5.2017 zugegangen ist, endet die Klagefrist am 3.6.2017, bzw. am darauffolgenden nächsten Werktag. Sicherheitshalber sollten Sie die Klage aber rechtzeitig einreichen, wobei die Klage selbst noch nicht innerhalb der Monatsfrist begründet werden muss. Die Begründung kann also zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

Aus Ihrer Schilderung des Sachverhaltes kann ich entnehmen, dass hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse unterschiedliche Voraussetzungen bestehen.

Grob gesagt, beruft sich die Krankenkasse offenbar darauf, dass der Abstand zwischen den Zähnen weniger als 5 mm beträgt, eine Kostenübernahme aber erst ab 5 mm infrage kommt. Sie berufen sich darauf, dass bei der ursprünglichen Behandlung, also im April 2015, ein Abstand von 5 mm vorgelegen hat. Demzufolge hätte zum damaligen Zeitpunkt die Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgen müssen. Offenbar wurde aber zum damaligen Zeitpunkt, aus welchen Gründen auch immer, kein Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Ich unterstelle, dass Ihnen dies zum damaligen Zeitpunkt möglicherweise nicht bewusst war. Warum dies so war, müsste man vielleicht noch konkreter besprechen.

Eine weitere Problematik könnte sich eventuell dadurch ergeben, dass einige der erbrachten Leistungen keine Vertragsarztleistungen im Sinne des 5. Sozialgesetzbuches (SGB V) waren, sondern Leistungen, die der jeweilige Zahnarzt/Kieferorthopäde privat abgerechnet hat. Hierfür gilt grundsätzlich, dass die gesetzliche Krankenkasse keine Kostenübernahme leisten muss, wenn eine privatärztliche Versorgung erfolgt. Ob dies tatsächlich der Fall war oder nicht, kann ich dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt allerdings nicht genau entnehmen.

In einem sozialgerichtlichen Verfahren könnte aber in jedem Fall überprüft werden, ob ein zweites Gutachten erstellt werden muss bzw. welche Inhalte die ursprüngliche Behandlungsakte, die Sie der Krankenkasse ja bereits übersandt hatten, hatte und ob sich daraus dann eine Pflicht zur Kostenübernahme durch die Krankenkasse ergibt.

Das Verfahren vor dem Sozialgericht können Sie grundsätzlich selbst führen. Einen Anwalt benötigen Sie hierfür nicht. Es besteht, außer für die Gutachterkosten und die Kosten für den eigenen Rechtsanwalt auch kein Kostenrisiko.

Da das Recht der gesetzlichen Krankenkasse (SGB V), insbesondere das Leistungsrecht, allerdings sehr kompliziert ist und die Systematik eigentlich nur von spezialisierten Juristen beurteilt werden kann, würde ich Ihnen grundsätzlich empfehlen, für die Klage einen Anwalt hinzuzuziehen. Sollten Sie rechtsschutzversichert sein, müssten Sie bei Ihrer Rechtsschutzversicherung anfragen, ob diese die Kosten des Klageverfahrens übernimmt.

Sollten Sie nicht rechtsschutzversichert sein, sind die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit in der Regel nicht sonderlich hoch, idealerweise würde ich Ihnen raten, sich von dem von Ihnen ausgewählten Anwalt einen Kostenvoranschlag geben zu lassen. Im Falle des Obsiegens erhalten Sie die Kosten des Gerichtsverfahrens von der Krankenkasse erstattet. 

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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