Mehrere Testamente eines Verstorbenen: Welches ist wirksam?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Es geht um das Nachlassverfahren meines am 08. April 2016 verstorbenen Vaters.
Dem Amtsgericht liegen folgende Unterlagen vor:

  1. Ein mir bekanntes gemeinschaftliches Testament meiner Eltern vom 4.08.1976
  2. Ein mir bisher nicht bekanntes eigenhändiges Testament meines Vaters vom 31.08.2008 mit erneuter Unterschrift vom 26.03.2016.
    Das Amtsgericht teilte mir mit, dass hinsichtlich des gemeinschaftlichen Testaments meiner Eltern gem. § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifelsfall von Wechselbezüglichkeit der Verfügungen und damit von Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 2 BGB auszugehen ist. Damit wären die in dem Testament meines Vaters getroffenen Verfügungen unwirksam, soweit sie den im gemeinschaftlichen Testament Bedachten (also mich als Tochter) beeinträchtigen würden. Eine solche Beeinträchtigung stelle die Einsetzung eines Nacherben und die Beschwerung mit einem Vermächtnis dar (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl. § 2271 Rz 14). Somit ist die im Testament meines Vaters Nacherbeneinsetzung der Enkelin unwirksam. Als Tochter wäre ich Alleinerbin und nicht Vorerbin.
    Meine Frage lautet nun: Ist nach oben genannten Ausführungen von Unwirksamkeit der Vermächtnisanordnungen auszugehen? Ist ausschließlich das gemeinschaftliche Testament meiner Eltern wirksam? Und wenn ja, wie ist in diesem Fall vorzugehen?
Antwort des Anwalts

Ob ein gemeinschaftliches Testament die Wirksamkeit des von Ihrem Vater errichteten Testaments ausschließt, hängt davon ab, ob durch den Tod des Erstverstorbenen Bindungswirkung eingetreten ist. Insoweit gehe ich davon aus, dass Ihre Mutter zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments durch Ihren Vater bereits verstorben war und auch keinerlei Anhaltspunkte für einen Widerruf zu Lebzeiten Ihrer beider Eltern vorliegen.

Ein gemeinschaftliches Testament entfaltet Bindungswirkung, soweit die getroffenen Verfügungen entsprechend dem Willen Ihrer Eltern in einem Abhängigkeitsverhältnis dergestalt zueinander stehen, dass der Bestand der Verfügung des einen Elternteils von Bestand der Verfügung des anderen Elternteils abhängt. Diese Wechselbezüglichkeit der Verfügungen wird regelmäßig angenommen, wenn gemeinsame Abkömmlinge als Schlusserben (d. h. als Erben nach dem Letztversterbenden) eingesetzt sind. Eine abweichende Auslegung ist zwar denkbar, setzt jedoch Anhaltspunkte voraus, aus denen sich ein solcher abweichender Testierwille ergeben kann (Burandt/Rojahn-Braun, Anm. 37 zu § 2270 BGB).

Entsprechend der auch vom Nachlassgericht vertretenen Rechtsauffassung ist daher von einer Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments auszugehen mit der Folge, dass Sie aufgrund des wirksamen gemeinschaftlichen Testaments Ihrer Eltern Alleinerbin geworden sind. Das Testament Ihres Vaters ist insgesamt unwirksam und entfaltet keinerlei Rechtswirkung.

Ist das gemeinschaftliche Testament Ihrer Eltern in notarieller Form errichtet, können Sie den Nachlass ohne weiteres in Besitz nehmen (Kontenumschreibung/Grundbuchumschreibung etc.). Sollte das Grundbuchamt – sofern sich im Nachlass Immobilien befinden - wegen des Testaments Ihres Vaters doch einen Erbschein verlangen, empfehle ich Ihnen, einen solchen beim Nachlassgericht zu beantragen, da das Grundbuchamt auch bei Vorliegen eines notariellen Testaments in Zweifelsfällen (dies ist wegen des Testaments Ihres Vaters denkbar) einen Erbschein verlangen kann. Das gleiche kann auch bei der Kontenumschreibung gelten.

Handelt es sich um ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament, benötigen Sie diesen Erbschein mit hoher Wahrscheinlichkeit, da im Eröffnungsprotokoll beide Testamente aufgeführt sind und eine Kontenumschreibung nur bei Vorliegen des Erbscheins erfolgen wird.

Wenngleich ich das für ausgeschlossen halte, möchte ich Sie abschließend – für den Fall der Wirksamkeit des Testaments Ihres Vaters – darauf hinweisen, dass Sie wegen der Nacherbeneinsetzung das Erbe ausschlagen und Ihren Pflichtteilsanspruch gegen den/die durch Ihre Ausschlagung berufenen Erben geltend machen können (§ 2306 BGB). Ich gehe jedoch davon aus, dass dies nicht Ihrer Interessenlage entspricht, da sich aus Ihrer Sachverhaltsdarstellung dafür keine Anhaltspunkte ergeben.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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