Arbeitslosengeld II - Welche Chancen hat eine Klage bei verspätet eingereichtem Weiterbewilligungsantrag

Online-Rechtsberatung
Stand: 01.03.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Mein zweiter Weiterbewilligungsantrag vom Dezember 2015 wird vom Jobcenter nicht rückwirkend ab November anerkannt, obwohl ich den ersten bereits im September gestellt habe, seitdem ständig Unterlagen nachreiche und meine Klage beim Sozialgericht schon Ende November eingereicht habe. Aus meiner Sicht war es nicht möglich den zweiten Weiterbewilligungsantrag im November abzugeben.

Mein Vermögen lag schon im November 22,- Euro unter dem für mich in Frage kommenden Schonvermögen. Da mir bei Erbschaft ein Multiplikator von 200,- Euro x Lebensjahre bekannt war, habe ich den ersten Weiterbewilligungsantrag schon im September gestellt.

Das Jobcenter hat meinen ersten Weiterbewilligungsantrag vom September am 10. November abgelehnt. Den Widerspruchsbescheid hierzu erhielt ich erst 10 Wochen nach Abgabe meines ersten Weiterbewilligungsantrages Mitte November 2015. Daraufhin schickte ich dem Jobcenter nochmal ein Erklärungsschreiben mit Kontoauszügen, um eine Klage zu vermeiden.

Erst im Antwortschreiben der Widerspruchsstelle werde ich darauf hingewiesen, dass - unabhängig von der Ablehnung meines Leistungsantrages - jederzeit die Möglichkeit besteht, erneut einen Antrag zu stellen. Diesen habe ich dann ja auch schon Anfang Dezember 2015 eingereicht.

Vorab musste ich bei einem Fachanwalt in Erfahrung bringen, ob meine Klage durch Abgabe eines neuen Weiterbewilligungsantrages hinfällig wird, und erneut die "Erklärungen zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit" ausfüllen. Da ich erst am 01.12.15 (also nur einen Werktag nach Erhalt des Antwortschreibens der Widerspruchsstelle) eine fundierte Antwort bekam, konnte ich unmöglich schon am Montag dem 30.11.15 den neuen Weiterbewilligungsantrag abgeben.

Ich führe also seit der Abgabe meines ersten Weiterbewilligungsantrages Anfang September einen ständigen Briefwechsel mit dem Jobcenter, welches sich nun auf § 37 Absatz ll Satz ll SGB ll beruft und beim Sozialgericht beantragt meine Klage abzuweisen und Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) nicht zu erstatten. Da in dem Widerspruchsbescheid dargelegt wird, wie sich der vom Vermögen abzusetzende Betrag errechnet, wäre es mir laut Jobcenter bereits im November möglich gewesen einen neuen Antrag auf Leistungen zu stellen.

Anfang Januar 2016 teilte mir das Sozialgericht dann mit, dass meine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Hierauf habe ich am 13.01.16 beim Sozialgericht ein Schreiben abgegeben, indem ich nochmal erkläre, weshalb ich meine Klage von November (mit Zwischenstand vom 07.12.15) gegen das Jobcenter nicht zurücknehmen möchte.

Hat meine Klage definitiv keine Aussicht auf Erfolg?

Antwort des Anwalts

Nach dem mir mitgeteilten Sachverhalt halte ich die Erfolgsaussichten vorbehaltlich genauer Aktenkenntnis für gering.

Maßgeblich für Ihren beim Jobcenter beantragten und nach Ablehnung und erfolglosem Widerspruchsverfahren gerichtlich weiter verfolgten Anspruch auf Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (im weiteren: SGB II), wie Sie bzw. die Gegenseite schon richtig vermerkt haben, § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II *1).

Danach wirkt der Antrag auf Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 7 SGB II, soweit daneben andere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden, auf den Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums nach § 41 Absatz 1 Satz 4 beziehungsweise 5 SGB II *2) zurück.

Grundsätzlich hat dabei das Datum der jeweiligen Antragstellung anspruchsbegründende Wirkung, vgl. die Fachanweisungen zu § 37 SGB II *3). Leistungen stehen daher erst ab Antragstellung zu. Der Antrag wirkt auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Absatz 2 Satz 2). Eine Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Ende eines Bewilligungsabschnitts setzt einen neuen, anspruchsbegründend wirkenden Antrag voraus. § 37 SGB II gilt nicht nur für die Erstbewilligung, sondern für jede Folgebewilligung. Für einen Zeitraum vor der (erneuten) Antragstellung können Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht erbracht werden (§ 37 Absatz 2 Satz 1).

Weil Sie den ersten Antrag nach Ablehnung nicht gerichtlich weiterverfolgt hatten, ist insoweit (negative) Bestandskraft eingetreten. Nicht nur die Behörde, sondern auch das Gericht ist daran schon aus formalen Gründen gebunden.

Erst durch einen erneuten Antrag können dann wieder die Voraussetzungen begründet werden.

Wenn nun der 2. Weiterbewilligungsantrag erst am 03.12.15 erfolgt ist, kann er frühestens auf den 1.12.2015 rückdatiert werden. Der Standpunkt der Behörde entspricht somit der geltenden Gesetzeslage.

Mehr Erfolgsaussichten, wenn Sie Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt hätten und den ersten Antrag weiter verfolgen, sehe ich wegen des zwischenzeitlichen Wegfalls der Bedürftigkeit schon im November nicht.

Sie hätten darum in der Tat allenfalls im November 2015 einen neuen Antrag stellen müssen bzw. können.

Einen – insoweit zumutbaren - Antrag haben Sie aber wohl Anfang November nicht gestellt, weil der Selbstbehalt von 7.500,00 Euro infolge der Erbschaft zumindest in diesem Zeitraum vom 1. bis 9. November 2015 überschritten war.

Wegen der Rückwirkung des Antrags auf den Anfang des Monats wäre Ihnen das Überschreiten des Selbstbehalts und damit mangelnde Bedürftigkeit auch entgegen gehalten worden, so daß selbst wenn Sie einen neuen Antrag gestellt hätten, dieser eventuell dennoch abgelehnt worden wäre.

Hat meine Klage definitiv keine Aussicht auf Erfolg?

Antwort Rechtsanwalt. So ist es.

Insoweit wäre wohl insoweit die Klagerücknahme sinnvoll, da eine Anspruchsposition jedenfalls aufgrund des zweiten Antrags unter keinen Umständen ersichtlich ist. Die Rückwirkung reicht infolge der klaren gesetzlichen Formulierung nur auf den Anfang des Monats der Antragstellung zurück.

Vermutlich liegt Ihnen eine ähnliche Stellungnahme mit einem Hinweis des Richters vor, der vorab die Erfolgsaussichten und die Bedürftigkeit in einer summarischen Prüfung bewertet. In solch einer Situation müssen Sie damit rechnen, daß der Richter dann, wenn er derzeit nach Aktenlage keine Erfolgsaussichten sieht, im Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit auch später die Klage abweisen wird. Allerdings sind häufig Richter in erster Instanz zu knickerig.

Vorliegend dürften Sie durch den Richter lediglich angehört worden zu sein. Dagegen gibt es keine isolieren Rechtsbehelfe.

Weiterführender Hinweis: Zur Vermeidung einer Überrumpelung durch den Richter sollten Sie generell schriftlich den Antrag, zunächst und vorab über den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu entscheiden einschließlich einer Rechtsbehelfsbelehrung, und den Rechtsstreit in der Hauptsache bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auszusetzen. Diese ablehnende Entscheidung kann dann gegebenenfalls isoliert mit geringem Kostenrisiko mit der Beschwerde nochmal angefochten werden. Als Anwalt reicht man zur Kostenbegrenzung manchmal erst einen Entwurf einer Klage ein und erst bei Bewilligung wird die Klage verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand eingereicht.

*1) § 37 SGB II
Antragserfordernis

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 2, Absatz 4 bis 7 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Der Antrag auf Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 7 wirkt, soweit daneben andere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden, auf den Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums nach § 41 Absatz 1 Satz 4 beziehungsweise 5 zurück.

*2) § 41 SGB II
Berechnung der Leistungen

(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht. Die Leistungen sollen jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden. Der Bewilligungszeitraum kann auf bis zu zwölf Monate bei Leistungsberechtigten verlängert werden, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu erwarten ist.

(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.

*3) Fachliche Weisungen zu § 37 SGB II

*4) § 27 SGB X Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.
(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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