 | | | Online-Rechtsberatung von Rechtsanwalt Roland Hoheisel-Gruler Stand: 07.08.2015 |
Frage: Am Samstag bog ich in die Einfahrt in ein Parkhaus von einem Einkaufscenter ein. Dabei habe ich einen von rechts kommenden Mopedfahrer übersehen und diesen touchiert. Da ich Schrittgeschwindigkeit gefahren bin, kam ich sofort zum Stehen. Ich war sehr erschrocken und schaute nach vorne, ob er nicht unter meinen Auto liegt. Als ich Sekunden später nach wieder nach oben blickte, stand dieser seitlich auf seinem Moped sitzend links neben mir. Ich öffnete die Fahrertür und fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. Seine Antwort lautete: Bei mir ist alles in Ordung. Der Mopedfahrer war unverletzt geblieben und ich schenkte seiner Antwort Glauben, dass nichts passiert sei. Darauf hin fuhr ich mit meinem Auto in das Parkhaus. Am Sonntag, den 07. 09. 2014 stand um 10 Uhr die Polizei bei mir zu Hause vor der Tür und nahm ein Unfallprotokoll auf. Der Mopedfahrer soll einem anderen im Parkhaus abgestellten Auto hinten hinein gefahren sein und die Stoßstange beschädigt haben, Ca. 1850 Euro Schaden. Dies habe ich nicht mitbekommen und der Mopedfahrer hatte mir gesagt, bei ihm sei alles in Ordnung. Diesem habe ich Glauben geschenkt. Um die Sache abzukürzen, am Freitag musste ich meinen Führerschein abgeben. Es waren inzwischen 9 Monate vergangen, in dieser Zeit durfte ich Auto fahren. Ich weiß bis heute nicht, wie lange mein Führerschein eingezogen ist. Es wurde bis heute kein Regressanspruch von irgendeinem Geschädigten an mich gestellt. Es gab bis heute keine Gerichtsverhandlung. Ich weiß bis heute nicht ob und wann es eine Gerichtsverhandlung im Amtsgericht gibt. Ich habe keine Punkte in Flensburg, keinen Eintrag im Strafregister. Ich bin 55 Jahre alt und fahre seit ca, 34 Jahren Auto. Mein Rechtsanwalt hat Beschwerde gegen den Führerscheinentzug eingelegt, diese Beschwerde wurde vom Landgericht abgelehnt. Ich fühle mich ungerecht behandelt. Dem Rechtsstaat hilflos ausgeliefert. Ich brauche mein Auto, um zur Arbeit zu fahren. Und was ich nicht verstehe, nach 9 Monaten wird mir der Führerschein entzogen, ohne eine Gerichtsverhandlung. Meine Frage, wie lange kann sich das Amtsgericht Zeit lassen, um mir mitzuteilen, wie lange der Führerschein weg ist? Sie sagten mir, sie melden sich, das war vor 7 Wochen . Was kann ich tun? Ich fühle mich ungerecht behandelt und der Führerschein wurde meiner Meinung nach zu Unrecht entzogen.  | Jetzt kostenloses Angebot anfordern!Hier gehts los. |  | 1,99 €/Min. inklusive 19% MwSt aus dem Festnetz der Deutschen Telekom; ggf. abweichende Preise aus Mobilfunknetzen | |
Antwort: Aufgrund Ihrer Schilderung gehe ich davon aus, dass Ihnen die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde, weil Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach vorgeworfen wird, dass Sie sich unerlaubt vom Unfallort entfernt haben sollen. Hier kommt es nun entscheidend auf den Inhalt der Ermittlungsakte an, die Ihr Verteidiger zur Einsichtnahme wohl schon angefordert hat. Erst auf Basis der Erkenntnisse aus der Akte kann hier zielführend eine Einlassung erfolgen. Mit den in Zusammenhang mit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO stehenden Fragen muss der Verteidiger sich fast täglich auseinandersetzen. Häufig wird er von dem Mandanten schon unmittelbar nach der Beschlagnahme der Fahrerlaubnis durch die Polizei als Folge einer (Verkehrs-)Straftat um Rat gefragt. Für den Verteidiger handelt es sich meist nicht um „große Fälle“. Die Fragen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis sind jedoch für den Mandanten i.d.R. von herausragender Bedeutung, da er ohne Führerschein entweder seinen Beruf überhaupt nicht mehr ausüben kann (Omnibus-/Lkw-Fahrer o.Ä.) oder er zumindest erhebliche Schwierigkeiten hat, ohne Pkw zur Arbeitsstelle zu gelangen. Deshalb muss der Verteidiger in diesen Fällen besonders sorgfältig und vor allem auch schnell arbeiten (zu Verteidigungsstrategien eingehend Gübner/Krumm NJW 2007, 2801 m.w.N.). Es kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 StrEG eine Entschädigung in Betracht kommen, wenn der Mandant durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis einen Schaden erlitten hat und er freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird (eingehend dazu Kotz VRR 2009, 367; s. auch Burhoff, HV, Rn. 1389 ff.). Als Schaden kann z.B. grds. auch der Verlust des Arbeitsplatzes geltend gemacht werden, wenn dem Mandanten wegen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gekündigt worden ist (OLG Schleswig VersR 1997, 841 [OLG Schleswig 25.04.1996 - 11 U 46/95]).
Grundlage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 111a Abs. 1 S. 1. Danach kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB entzogen wird. Dringende Gründe für die Annahme, dass die Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB entzogen wird, sind gegeben, wenn ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kfz halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen wird (OLG Düsseldorf StV 1992, 219; s.a. BVerfG VRS 90, 1; Meyer-Goßner/Schmitt, § 111a Rn. 2 m.w.N.). Der Begriff „dringende Gründe“ entspricht also dem Begriff des „dringenden Tatverdachts“ i.S.d. § 112 (LG Ansbach StraFo 2009, 331;Untersuchungshaft des Beschuldigten). Das wird häufig übersehen, ist aber ggf. für den Mandanten von besonderer Bedeutung, wenn er die ihm zur Last gelegte Tat bestreitet (s. die Fallgestaltung bei LG Ansbach, a.a.O.). Die Frage kann aber auch noch im späteren Verlauf des Verfahrens Bedeutung erlangen. Fehlen nämlich z.B. nach dem festgestellten Sachverhalt eines mit der Berufung angefochtenen erstinstanzlichen Urteils offensichtlich die Voraussetzungen für die Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB, ist eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im Beschwerdeverfahren aufzuheben (OLG Jena BA 2007, 182). Ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet und hatte das Rechtsmittel hiergegen keinen Erfolg,so wäre im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Maßnahme ggf. nicht gem. § 111a Abs. 2 wieder aufgehoben werden muss (zu einem Aufhebungsantrag u.a. OLG Braunschweig NZV 1996, 122 [OLG Braunschweig 04.09.1995 - Ws 157/95]). Dazu ist auf Folgendes hinzuweisen: Grund zur Aufhebung kann sich aus einem Wegfall der Gründe, die zur Anordnung der Maßnahme geführt haben, ergeben. Das kann einmal darauf beruhen, dass kein dringender Tatverdacht (mehr) besteht (OLG Jena BA 2007, 182). Es kann aber auch eine besonders lange Verfahrensdauer dazu führen, dass die Feststellung der mangelnden Eignung in der HV nicht (mehr) wahrscheinlich ist und deshalb die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben werden muss (BayObLG NJW 1971, 206; KG VRS 60, 109, 111;StraFo 2011, 353 [über zwei Jahre keine Entziehung der Fahrerlaubnis]; OLG Hamburg zfs 2007, 409 [6-monatiger Stillstand im Berufungsverfahren]; OLG Hamm VRR 2007, 83 [Ls.]; wegen weiterer Nachw. s. Burhoff VA 2012, 123). Eine starre Grenze, wann von einer besonders langen Verfahrensdauer auszugehen ist, lässt sich der obergerichtlichen Rspr. allerdings nicht entnehmen (vgl. u.a. KG StraFo 2011, 353 [zwei Jahre]; OLG Karlsruhe StV 2004, 584; NStZ 2005, 402 [acht Monate]; OLG Nürnberg StV 2006, 685 [schwerwiegender Verstoß]; LG Dresden zfs 1999, 122 [seit der Tat zehn Monate beanstandungsfreie Teilnahme des nicht vorbelasteten Beschuldigten]; LG Cottbus StraFo 2004, 353 [LG Cottbus 14.06.2004 - 23 Qs 35/04] [sieben Monate]; LG Kleve VRR 2011, 270 [nicht schon bei sieben Monaten]; LG Zweibrücken VRS 98, 22; AG Cottbus StV 2006, 521 [neun Monate]; s. aber auch OLG Dresden OLG-NL 1997, 71; OLG Hamm NJW 2007, 3299 [Verfahrensstillstand von sechs Monaten kein Aufhebungsgrund]; OLG Köln StV 1991, 248; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1998, 76 sowie OLG Düsseldorf StraFo 2000, 56 [beide für Ablauf der Sperrfrist während des Rechtsmittelverfahrens]; LG Marburg zfs 2005, 621). Allerdings dürfte das wohl nur in Ausnahmefällen gelten (LG Köln zfs 1980, 124; zu allem Schulz NZV 1997, 62 m.w.N.). Gerechnet wird aber ab der vorläufigen Entziehung, nicht ab dem Tatzeitpunkt. Es ist schwer nachvollziehbar aber nicht unüblich, dass die Ermittlungen in einem solchen Falle solange in Anspruch nehmen. Der Verteidiger wird daher immer die bei seinem („Stamm-“)Gericht übliche Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis berücksichtigen und nach Ablauf dieser Frist, ohne dass eine HV stattgefunden hat, ggf. die Aufhebung der Maßnahme beantragen. Dieser Zeitraum kann wie gezeigt, durchaus unterschiedlich lang sein. Es ist zudem auch darauf zu achten, dass Verfahren, in denen die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist – ebenso wie Haftsachen – beschleunigt zu führen sind (BVerfG NJW 2005, 1767, [BVerfG 15.03.2005 - 2 BvR 364/05] zfs 2005, 622; KG StraFo 2011, 353; OLG Hamm zfs 2002, 199; LG Frankfurt am Main StV 2003, 69; LG Würzburg StV 2005, 545). Das BVerfG (a.a.O.) verlangt, dass durch eine effektive Verfahrensgestaltung eine rasche Klärung der Dauerhaftigkeit des Ausschlusses vom Straßenverkehr zu gewährleisten und – mit Rücksicht auf die Unschuldsvermutung – der Gefahr eines übermäßigen „Vorwegvollzugs“ der Maßregel vor der erstinstanzlichen tatrichterlichen Entscheidung zu begegnen ist. Soll dem Mandanten die Fahrerlaubnis erst längere Zeit nach der Tat entzogen werden, ist das zwar grds. zulässig. In diesen Fällen ist aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders zu beachten (KG, OLG Hamm, jeweils a.a.O., m.w.N.). Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wird durch richterlichen Beschluss angeordnet. Zuständig ist gem. § 162 Abs. 1 S. 1 das AG, in dessen Bezirk der Führerschein beschlagnahmt werden soll (vgl. zu allem Meyer-Goßner/Schmitt, § 111a Rn. 6 ff. m.w.N.). Der Beschluss ist – zumindest kurz – zu begründen. Ist die Begründung nicht sachgerecht und nachvollziehbar, liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor (BVerfG VRS 90, 1).
Ihr Verteidiger sollte daher auf einen zügigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens drängen. Die zivilrechtlichen Konsequenzen aus dem Vorfall sind von den strafrechtlichen Umständen völlig unabhängig. Zusammengefasst heißt das, Sie sind dem Staat nicht völlig schutzlos ausgeliefert, auch wenn Sie sich derzeit ohnmächtig fühlen. Leider hatte die Beschwerde gegen die Anordnung keinen Erfolg. ob es nun zur Anklage kommen wird, muss sich zeigen. Auf alle Fälle sollte schnellstmöglich nach Akteneinsicht eine entsprechende Einlassung an die Staatsanwaltschaft erfolgen, damit das Verfahren nicht unnötig in die Länge gezogen wird.
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