Versetzung nach Streit im öffentlichen Dienst trotz Rückhalt aus dem Kollegium

Online-Rechtsberatung
Stand: 13.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Seit neun Monaten bin ich im öffentlichen Dienst, im Kindergarten einer Gemeinde beschäftigt. Chefin hat versucht mich raus zu mobben. Hat auch wegen des Engagements der Eltern nicht geklappt. Ich bin 58 Jahre, die Chefin 60, alle anderen Kolleginnen jung und leichter manipulierbar. Seit Jahren wiederholen sich in diesem Kindergarten psychische und physische Misshandlungen der Kinder durch die Chefin. Seit Jahren beschwichtigt der Träger und deckt die Leiterin. Es wurde versucht - vonseiten der Leiterin - mich wegen Weitergabe von Informationen an die Eltern, an den Pranger zu stellen. Hat nicht funktioniert. Stattdessen habe ich von massiven Mobbingattacken ihrerseits berichtet und dem Träger Fürsorgepflichtsverletzung den Kindern, den Kolleginnen und mir gegenüber vorgeworfen. Leiterin stritt alles ab. Es passierte nichts. Inzwischen gab es neue Vorwürfe wegen Kindesmisshandlung gegen die Leitung. Jetzt sind alle meine Kolleginnen bereit auszusagen, was sie vorher aus Angst nicht taten.

Ein entsprechendes Protokoll ist schon beim Träger, Gruppen - und Einzelgespräche haben stattgefunden. Der Träger sagt, ich hätte zwar keine Schuld, bezeichnet mich jedoch als Antipol zur Chefin und will mich deshalb nach den Sommerferien in eine andere Einrichtung der Gemeinde versetzen. Die Eltern haben sich inzwischen auch an das Jugendamt gewandt. Reaktion des Trägers auf all die Vorwürfe: Mich versetzen, die als erste seit Jahren Missstände öffentlich macht, Chefin bleibt und bekommt jetzt zwangsweise Einzelcoaching, das sie aber auch bisher in der Supervision offen abgelehnt hat und alle Gruppenleitungen werden umstrukturiert. In meinem Arbeitsvertrag heißt es: "Der Arbeitgeber hat das Recht zur Umsetzung, Versetzung, Abordnung und Zuweisung. Insbesondere ist es ihm unbenommen dem Beschäftigten aus dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeldgruppe zuzuweisen." Das Jugendamt wird erst noch prüfend tätig werden. Muss ich diese Versetzung nach der Sammelbeschwerde unseres Kollegiums so hinnehmen?

Antwort des Anwalts

Sie sollten sich der Versetzung nicht widersetzen, aber gegen die Versetzung empfiehlt sich eine Klage verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung beim für Sie zuständigen Arbeitsgericht.
Erst wenn mindestens ein vorläufig vollstreckbares Urteil zu Ihren Gunsten gegen die Arbeitgeberin vorliegt, können bzw. dürfen Sie sich beruhigt der Versetzung widersetzen.
Idealer Weise sollte dann auch gleichzeitig ein Antrag in der Hauptsache gestellt werden, also z.B. gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit der näher zu bezeichnenden Anordnung der Versetzung.
Ein Eilantrag darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen und ist eine recht technische Angelegenheit, so daß es sich empfiehlt, den Antrag anwaltlich vorbereiten zu lassen. Zögern Sie dabei bitte nicht, sich unserer weiteren Hilfe zu bedienen bzw. ich darf auch auf die Anwaltssuche hinweisen.
Sie müssten dabei sowohl einen Anordnungsgrund (also die materielle Rechtswidrigkeit der Versetzung) als auch das Eilbedürfnis glaubhaft machen. Unter den besonderen Umständen (Mobbing und eine gegen Ihre Vorgesetzte aufgebrachte Elternschaft bzw. Belegschaft, die zur Aussage bereit ist) kann Ihnen das ausnahmsweise gelingen.
Sie müssten dabei vortragen und durch geeignete Beweismittel für den Richter überzeugend glaubhaft machen, daß die Ausübung des Ermessens des Arbeitgebers unter den konkreten Umständen fehlerhaft war und nicht mehr von seinem Versetzungsrecht gedeckt ist.
Besonders überzeugend ist in diesem Zusammenhang, wenn die Versetzung nicht von betrieblichen Gründen oder Notwendigkeiten getragen wurde, sondern der Vertuschung von fortgesetzt bestehender und von Ihnen aufgedeckter Kindesmisshandlung als der eigentliche Grund der Versetzung dient.
Überzeugend und im Ergebnis ausschlaggebend sind in diesem Zusammenhang auch der Aspekt des Mobbings, eine damit zusammen hängende Absicht der faktischen Degradierung, der bestehenden Supervision gegen die Mobberin angeführt werden, wonach eventuell diese Anordnung nicht mehr wirklich vom Willen des Arbeitgebers getragen wird. Je mehr hierzu vorgetragen und nachgewiesen werden kann, umso höher ist die Chance, daß auch die Richter Ihr Anliegen unterstützen werden.
Sofern Sie vertrauliche Dokumente vorlegen, z.B. Ihr Mobbingtagebuch, empfiehlt es sich, entsprechende Vertraulichkeitsvermerke auf den Dokumenten anbringen (z.B. das Wort vertraulich und nur zur Verwendung im konkreten Verfahren Az. …).

Der Antrag auf einstweilige Anordnung bedeutet, daß dem Gericht als Anlagen zum Antrag präsente Beweismittel (idR nur Urkunden und/ oder Versicherungen an Eides Statt) vorgelegt werden müssen.
Diese müssen es dem Richter erlauben, ohne weitere Fragen oder Erkundigungen die Angelegenheit aufgrund der vorgelegten Unterlagen vorläufig zu entscheiden. Die Richter winden sich erfahrungsgemäß um eine Bescheidung solcher Anträge wie die Aale.
Besonders gerne wird dabei als Argument angeführt, daß Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache zumutbar sein, daß kein Eilbedürfnis glaubhaft gemacht wurde oder sonstige mehr oder weniger überzeugende Einwände. Diesen richterlichen Auswegen sollte möglichst durch eine überzeugende und dichte Begründung des Antrags vorwegnehmend begegnet werden.
Inhaltlich prüft der Richter neben dem Eilbedürfnis, ob die Versetzung bei summarischer Betrachtung der Angelegenheit vom Direktionsrecht des Arbeitgebers, das Sie in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbart hatten und das auch nach § 106 Satz 1 GewO 1) vom Gesetz so geregelt ist, gedeckt ist oder nicht.
Eventuell ist dabei dem Arbeitnehmer zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache eine Tätigkeit am Versetzungsort aufzunehmen. Ein Fall, in denen ein derartiger Antrag mangels Eilbedürfnis abgewiesen wurde, ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mainz, Urteil vom 20.3.2014, Aktenzeichen (Az.) 5 SaGa 13/13
2).
Die Sammelbeschwerde Ihres Kollegiums als solches wird Ihnen bei der Frage, ob Sie die Versetzung hinnehmen müssen, als solches nicht helfen. In dieser Situation ist es meiner Erfahrung nach sehr schwer, wirklich Kollegen zu finden, die den Mut und die Zivilcourage haben, Aussagen zu tätigen, die den eigenen Arbeitgeber ins schiefe Licht werfen könnten. Im Gegenteil müssen Sie damit rechnen, daß Ihre Vorgesetzte versuchen wird, Ihnen Querulantentum vorzuwerfen und Sie als Urheberin von Unruhen darzustellen, die nicht hingenommen werden müssen.
Ein bekanntes Urteil, auf das Sie Bezug nehmen sollten, ist das des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 18.04.2007, Az.: 22 Ca 6812/06 *3), wo es um die Versetzung eines Facharbeiters mit der Qualifikation eines Drehers ins Lager ging mit einem Mobbinghintergrund.

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.
*1) § 106 GewO Weisungsrecht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
*2) LArbG Mainz vom 20.03.2014, Aktenzeichen 5 SaGa 13/13
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid=%7B5FC4617C-D878-4CC5-8DE2-2F434F78830F%7D

*3) Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 18.04.2007 Az.: 22 Ca 6812/06
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=ArbG%20Frankfurt/Main&Datum=18.04.2007&Aktenzeichen=22%20Ca%206812/06
http://mobbopfer.blog.de/2008/02/02/versetzung_eines_facharbeiters_ins_lager~3665302/
https://kdm13.wordpress.com/2008/02/01/urteil-die-versetzung-eines-facharbeiters-ins-lager-ist-rechtlich-unzulassig/
http://www.checker.kdm13.de/downloads/dieversetzungeinesfacharbeitersinslageristrech.pdf
Anwaltssuche:
http://www.deutsche-anwaltshotline.de/anwaltssuche/suche/index.htm

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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