Anzeige wegen Hausfriedensbruch: Wie verhalte ich mich richtig?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich habe ein kleines Problem - vielleicht können Sie mir weiterhelfen.

Bei uns im Vogtland stehen sehr viele marode und kaputte Häuser. Da ich mich für alte Sachen interessiere, gelangte ich ohne Gewalt durch einen Kellereingang in ein solches Haus. Hier war sehr viel Hausrat in Kisten aufgetürmt, sonst allerdings unbewohnt.

Ich wollte mich nur umsehen, ohne etwas zu entwenden!
Plötzlich tauchte der Inhaber auf und holte die Polizei. Er erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch und meine Daten wurden aufgenommen.
Wie soll ich mich verhalten?

Antwort des Anwalts

Zunächst einmal möchte ich Ihnen die Strafbarkeitsvoraussetzungen des Hausfriedensbruches darlegen. Im zweiten Schritt kann dann das weitere Vorgehen angedacht werden.
Zunächst also die Strafbarkeit:

Rechtsgut des § 123 StGB (zur Geschichte NK/Ostendorf § 123 Rn. 2) ist nach h.M. das Hausrecht, nicht die öffentliche Ordnung, wie die Einordnung in den 7. Abschnitt nahe legt (Lackner/Kühl § 123 Rn. 1; LK/Lilie § 123 Rn. 1; abw. Amelung ZStW 98 [1986], 355: »physisch gesicherte Territorialität«; Artkämper Hausbesetzer – Hausbesitzer – Hausfriedensbruch, 1995, S. 99: der Besitz; eine Mehrheit von Schutzgütern, je nach Art der geschützten Räume, nehmen an: Kargl JZ 1999, 930 [934 ff.]; NK/Ostendorf § 123 Rn. 6 ff.; Schall Die Schutzfunktionen der Strafbestimmung gegen den Hausfriedensbruch, 1974, S. 131 ff.; ders. NStZ 1983, 241 [244]; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 1a).
Kern dieses Freiheitsrechts ist die Entscheidung darüber, wer sich innerhalb der geschützten Räume aufhalten darf und wer nicht (OLG Hamm NJW 1982, 2676 [OLG Hamm 27.07.1982 - 5 S 644/82] [2677]; OLG Köln JR 1984, 28 [29]). Das Hausrecht steht nicht nur dem Eigentümer zu, sondern auch dem Mieter (RGSt 15, 391 [393]; OLG Düsseldorf NJW 1997, 3383), selbst wenn die Mietzeit abgelaufen ist, es sei denn er maßt sich den Besitz – etwa als Hausbesetzer – an (OLG Düsseldorf NJW 1991, 187; Fischer § 123 Rn. 3), und sonstigen Besitzberechtigten, z.B. Ehegatten, an der gemeinsamen Wohnung (OLG Hamm NJW 1965, 2067 f. [OLG Hamm 22.04.1965 - 2 Vs 1/65]), Nießbrauchern oder Pächtern (OLG Brandenburg NJW 2002, 693 [OLG Brandenburg 25.07.2001 - 1 Ss 16/01]: Tankstellenpächter), und zwar grds. auch gegen den Eigentümer (LK/Lilie § 123 Rn. 27). Bei mehreren Hausrechtsinhabern kommt es darauf an, wer das »stärkere Recht« hat (OLG Köln NJW 1966, 265; Fischer § 123 Rn. 3).
Der Hausrechtsinhaber muss keine natürliche Person sein (KG Berlin NJW 2000, 2210 [KG Berlin 30.11.1999 - 9 U 8222/99]: DB AG). Ausdrückliche oder stillschweigende Delegierung sind möglich (LK/Lilie § 123 Rn. 37), etwa an den Leiter einer Lehrveranstaltung (BGH NStZ 1982, 158 [BGH 19.01.1982 - 5 StR 166/81; 5 StR 721/79] [159]) oder vom Gerichtspräsidenten (als Behördenleiter) an den Gerichtsvorsitzenden (vgl. BGHSt 30, 350; OLG Oldenburg NJW 1980, 1416 [OLG Oldenburg 15.10.1979 - Ss 277/79]; NStZ 1981, 183). Rein tatsächliche Benutzung verleiht indes noch kein Hausrecht (Fischer § 123 Rn. 3). Dem Deliktscharakter nach ist § 123 Abs. 1 in beiden Alternativen Dauerstraftat, im Übrigen ist die Alt. 1 (nicht eigenhändiges, Rdn. 12) Begehungsdelikt, dagegen ist Alt. 2 (Rdn. 9) echtes Unterlassungsdelikt.
Tatbestand
I. Alt. 1

  1. Wohnung

Geschützter Raum (abschließende Aufzählung) ist zunächst die Wohnung, d.h. eine Räumlichkeit, die bestimmungsgemäß, wenn auch nur vorübergehend, zur Unterkunft von Menschen dient (Fahl/Winkler Definitionen, § 123 Rn. 1), z.B. Hafträume (Bernsmann Jura 1981, 465 [466]; Kretschmer ZfStrVO 2003, 212; a.A. RGSt 28, 192 [193]), Hotelzimmer (AnwK-StGB/v. Schlieffen § 123 Rn. 29; v. Heintschel-Heinegg/Rackow § 123 Rn. 6.1; MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 11) etc.
Bloße Schlafstätten, z.B. Parkbank, erfüllen den Wohnungsbegriff nicht, anderseits ist die Übernachtungsmöglichkeit nicht konstitutiv für eine Wohnung (LK/Lilie § 123 Rn. 8), wenn auch ein wichtiges Indiz (RGSt 13, 312 [313]; MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 11; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 9); ebenso wie eine Kochgelegenheit usw. Nach dem weiten Wohnungsbegriff sind auch Nebenräume wie Keller, Speicher, Waschküchen, Treppen und Flure umfasst (RGSt 1, 121; OLG Schleswig NStZ 2000, 479 [OLG Schleswig 10.04.2000 - 2 Ss 366/99] [480]; OLG Düsseldorf NJW 1997, 3383 [3384]; Fischer § 123 Rn. 6; LK/Lilie § 123 Rn. 11; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 4; a.A. Behm GA 2002, 153 [160]: befriedetes Besitztum), sogar freistehende Toiletten und Garagen (MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 12; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 4, weil die nicht anders bewertet werden könne als am Haus angebaute) und offene (d.h. nicht eingehegte) Zubehörflächen wie Vorgärten, Hof- und Abstellräume, Terrassen (Haft BT/2, S. 15; Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 16), Loggien, Veranden, sollen darunter fallen (RGSt 20, 150 [155]; OLG Oldenburg JR 1981, 166; Lackner/Kühl § 123 Rn. 3; a.A. Bernsmann Jura 1981, 337 [340]; NK/Ostendorf § 123 Rn. 21; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 4; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 10). In Mehrfamilienhäusern sind solche Räume, die einzelnen Wohnungen zugeordnet sind, Teile der Wohnung; dagegen nicht gemeinsame Treppenhäuser, Trockenräume und Fahrradkeller (Heinrich JR 1997, 89 [91]; MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 12). Auch (eingerichtete) Zelte (Wessels/Hettinger Rn. 579), Obdachlosenbaracken (OLG Bremen NJW 1966, 1766 [OLG Bremen 20.04.1966 - Ss 27/66]; OLG Köln NJW 1966, 265), oder bewegliche Sachen wie (Passagier-) Flussdampfer (RGSt 13, 312), Hausboote, Wohnmobile oder Wohnwagen (HK-GS/Hartmann § 123 Rn. 7; s. aber auch BayObLGSt 1974, 72 [76]) können »Wohnung« sein, auch LKW mit Schlafkabine (LK/Lilie § 123 Rn. 12; MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 11), nicht aber PKW, selbst wenn darin genächtigt wird (Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 26).
Geschäftsraum

Geschäftsräume (Mehrzahl nicht erforderlich!) sind Räumlichkeiten, die für gewisse Zeit oder dauernd gewerblichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder ähnlichen (z.B. konsularischen: OLG Köln NJW 1982, 2740 m. abl. Anm. Bernsmann StV 1982, 578) Zwecken, nicht notwendig erwerbswirtschaftlicher Art (OLG Köln NJW 1982, 2740), dienen (RGSt 32, 371; Fahl/Winkler Definitionen, § 123 Rn. 2; Küper Definitionen, S. 165), z.B. Ladenlokal, Fabrikgebäude, Werkstatt, Rechtsanwaltspraxis, einschließlich der Nebenräume (Rdn. 2). Auch hier kommen mobile und fliegende Bauten, (Zirkus-) Zelte, (Bau- und Jahrmarkts-) Buden, Baracken, Fahrgeschäfte, Fahrzeuge, Schiffe (Rdn. 2), ein Schwimmdock (Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 19; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 5; a.A. OLG Schleswig OLGSt § 123 Nr. 1; LK/Lilie § 123 Rn. 18: befriedetes Besitztum) in Betracht sowie – als offene Zubehörfläche (s.o.) – eine überdachte Kaufhauspassage (OLG Oldenburg NJW 1985, 1352 [OLG Oldenburg 21.01.1985 - Ss 566/84] m. Anm. Bloy JR 1986, 80; Lackner/Kühl § 123 Rn. 3; Müller-Christmann JuS 1987, 19 [OLG Oldenburg 21.01.1985 - Ss 566/84]; abl. Amelung JZ 1986, 247; Behm JuS 1987, 950; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 36a), der mit Maschinen bestückte Vorplatz eines Zechengebäudes (RGSt 20, 150 [154 f.]; krit. SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 36a), nicht aber die bloße, wenn auch werkseigene, Zufahrtsstraße zu einem AKW (BayObLG NJW 1995, 269 [271]).
Befriedetes Besitztum

Befriedetes Besitztum ist ein Grundstück – z.B. ausländische Botschaften und Konsulate (sofern nicht schon »Geschäftsräume«, Rdn. 3; für deutsche vgl. Rdn. 5), private Gärten, Lagerplätze, Ställe, Scheunen (soweit sie nicht schon unter Rdn. 2 oder 3 fallen), u.U. auch durch Ketten gesicherte Parkplätze (Franke JuS 1980, 891 [892]; a.A. Amelung NJW 1986, 2075 [2078]; vgl. auch LG Lübeck StV 1989, 157: nur symbolisch wirkende Plastikkette), auf freier Flur liegende Friedhöfe (RGSt 36, 395) sowie Felder, Weiden, Äcker, Wiesen, Schonungen (Fischer § 123 Rn. 9), Militärgelände (Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 7; vgl. aber auch OLG Stuttgart NStZ 1987, 121), jedoch keine beweglichen Sachen (RGSt 32, 371; a.A. Schweizer GA 1968, 81 [82 f.]), etwa ein Schwimmdock–, welches äußerlich erkennbar durch zusammenhängende (Mauern, Zäune, Hecken), nicht unbedingt lückenlose (Tore, Einfahrten) Schutzwehren gegen das willkürliche Betreten durch andere (nicht nur das Ausbrechen von Tieren, vgl. Bernsmann Jura 1981, 465 [472]) gesichert ist (RGSt 11, 293 [294]; 20, 150 [155]; 36, 395 [397]; Fahl/Winkler Definitionen, § 123 Rn. 3), also z.B. nicht unterirdische reine Fußgängerpassagen (OLG Frankfurt StV 2007, 640; AnwK-StGB/v. Schlieffen § 123 Rn. 6; v. Heintschel-Heinegg/Rackow § 123 Rn. 8.2; LK/Lilie § 123 Rn. 17), ein nur durch eine Trittstufe abgegrenzter Windfang vor der Haustür (OLG München Urt. v. 11.3.2008, 4 St RR 18/08). Daran kann es auch bei Rohbauten (Fischer § 123 Rn. 9) oder Abbruchhäusern (OLG Stuttgart NStZ 1983, 123) fehlen, muss aber nicht, selbst wenn ein von Hausbesetzern »besetztes« Gebäude auf Dauer leer stand (OLG Hamm NJW 1982, 2676 [OLG Hamm 27.07.1982 - 5 S 644/82]; OLG Köln NJW 1982, 2674 m. zust. Anm. Degenhart JR 1984, 30; OLG Stuttgart NStZ 1983, 382; a.A. Schön NJW 1982, 1126 [1127]; Küchenhoff DuR 1981, 293 [300]). Bloße Warn- und Verbotsschilder sind noch keine Einfriedung (BayObLG NJW 1995, 269).
Zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmte, abgeschlossene Räume

Zum öffentlichen Dienst (der Bundesrepublik Deutschland, zur EU s. SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 30) bestimmt sind Räume, in denen bestimmungsgemäß auf öffentlichrechtlichen Vorschriften beruhende Tätigkeiten ausgeübt werden (Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 8; Fahl/Winkler Definitionen, § 123 Rn. 4), z.B. die Amtsräume eines Rathauses (OLG Düsseldorf NJW 1982, 2678 [2679]), Universitäts- und Schulräume (vgl. LG Lüneburg NJW 1977, 1832), Wahllokale (RGSt 46, 405 [406]), Gerichtssäle (BGHSt 30, 350 [353]; Olizeg Hausrecht und Hausfriedensbruch [§ 123 StGB] in Gerichtsgebäuden, 2000, S. 187), Sitzungssäle des Parlaments (RGSt 47, 270, 277) oder der Gemeindevertretung (OLG Karlsruhe JR 1980, 342), Räume von (öffentlich-rechtlich anerkannten) Kirchen (KG Berlin DStrZ 1915, 50; Fischer § 123 Rn. 11; LK/Lilie § 123 Rn. 24; MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 22; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 8), von Polizei und Bundeswehr, Strafanstalten (RGSt 28, 192 [194]), sogar eine in öffentlich-rechtlicher Form betriebene Tiefgarage (BayObLG NJW 1986, 2065 [BayObLG 28.02.1986 - RReg. 2 St 214/85]; a.A. Allgaier MDR 1987, 723 [BayObLG 28.02.1986 - RReg. 2 St 214/85]; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 30), wobei auch hier Nebenräume und Zubehörflächen (Lackner/Kühl § 123 Rn. 4; a.A. OLG Oldenburg JR 1981, 166 m. abl. Anm. Volk) erfasst werden. Sie müssen ebenfalls »abgeschlossen« sein und das Betreten hindern, darum fallen darunter – trotz Daches – keine Telefonzellen (Fischer § 123 Rn. 10; nach Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 6a aber »befriedetes Besitztum«). Zum öffentlichen Verkehr bestimmt sind Räume, die dem allgemein zugänglichen, von der öffentlichen Hand oder privaten Unternehmen angebotenen Personen- und Gütertransportverkehr dienen (Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 9; Fahl/Winkler Definitionen, § 123 Rn. 5), Wartesäle und -häuschen, Flughafenterminals, Bahnhofshallen (OLG Hamburg NStZ 2005, 276 [OLG Hamburg 03.12.2004 - II 143/04]; BayObLG NJW 1977, 261; OLG Celle MDR 1966, 944; OLG Bremen NJW 1962, 1435), nicht aber die unterirdische Fußgängerpassage dahin (Rdn. 4) oder, weil nicht für den Verkehr bestimmt, eine öffentliche Bedürfnisanstalt (Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 9; a.A. OLG Hamburg MDR 1968, 1027 [OLG Hamburg 13.08.1968 - 2 Ss 94/68]), aber auch mobile Räume – das einzelne Abteil (LK/Lilie § 123 Rn. 23) wie das ganze Fahrzeug: Flugzeug, Bus, Zug (KG Berlin NJW 2000, 2210 [KG Berlin 30.11.1999 - 9 U 8222/99]). Abgeschlossen sind Räume, wenn sie nicht nur »umschlossen« (»eingefriedet«) sind, sondern eine mindestens teilweise Überdachung aufweisen (Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 21; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 4; a.A. OLG Stuttgart NStZ 1987, 121; MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 20, die »abgeschlossen« wie »umschlossen« auslegen).
Eindringen

Tathandlung ist das widerrechtliche Eindringen. Eindringen ist das Betreten gegen (krit. SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 13) oder ohne Willen (abw. Kargl JZ 1999, 930, der auf Willen ganz verzichtet) des Berechtigten (Rdn. 1) mit mindestens einem Körperteil (Fahl/Winkler Definitionen, § 123 Rn. 6). Betreten muss nicht mit den Füßen erfolgen, sondern kann auch mit den Händen, den Ellenbogen etc. geschehen, wenn der Täter sein Gewicht dabei so abstützt, dass er einen Stützpunkt innerhalb des geschützten Raumes begründet (OLG Hamm NJW 1960, 1359 [OLG Hamm 08.01.1960 - 1 Ss 1241/59]). Ein Greifen in den Briefkastenschlitz (LPK/Kindhäuser § 123 Rn. 12; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 12) oder Hineinlangen, um die Sicherheitskette zu lösen, reicht danach nicht (Fischer § 123 Rn. 15; NK/Ostendorf § 123 Rn. 26; a.A. RGSt 39, 440 [441]; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 12a). Das Hineinstellen des Fußes in die Wohnungstür genügt hingegen (BGH MDR [D] 1955, 144; AnwK-StGB/v. Schlieffen § 123 Rn. 10; Joecks StGB § 123 Rn. 19). Auch ein Befahren reicht (BayObLG JR 1969, 466 f.; zum Überfliegen mit Flugdrohnen Esser JA 2010, 323 [327]). Der (entgegenstehende) Wille kann schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent (z.B. durch Türen, Schlösser, Eintrittskarten etc.), allgemein (für »jedermann« oder bestimmte Gruppen, z.B. »für Staubsaugervertreter«, »für Zeitschriftenwerber« – aber nicht »für Nazis«, »Ausländer«, »Demonstranten« oder »für alkoholisierte Personen«, Fischer § 123 Rn. 20; vgl. auch Rdn. 7) oder individuell (Hausverbot) erklärt sein (zur Möglichkeit des Unwirksamwerdens durch Zeitablauf Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 35). Dabei ist häufig fraglich, ob ein Hausverbot öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Natur ist (nach wie vor auf die Art der Rechtsbeziehung, also auf den Zweck des Betretens, abstellend MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 45). Ein durch Verwaltungsakt ausgesprochenes Hausverbot ist strafrechtlich auch dann beachtlich, wenn es noch angefochten werden kann (OLG Hamburg MDR 1968, 1027 [OLG Hamburg 13.08.1968 - 2 Ss 94/68] [1028]; a.A. OLG Hamm NJW 1979, 728) oder angefochten wurde, aber für sofort vollziehbar erklärt wurde (BGH NStZ 1982, 158 [BGH 19.01.1982 - 5 StR 166/81; 5 StR 721/79] [159]; OLG Karlsruhe NJW 1978, 116; Fischer § 123 Rn. 21; LK/Lilie § 123 Rn. 57; SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 35; zw. HK-GS/Hartmann § 123 Rn. 13; a.A. Bernsmann Jura 1981, 465 [470]; Lackner/Kühl § 123 Rn. 8; Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 40; Schroeder JuS 1982, 491 [494]; ders. JuS 2013, 211 [213], die auf die materielle Rechtmäßigkeit abstellen).
Einverständnis

Ein Handeln mit Willen des Berechtigten lässt folglich den Tatbestand entfallen (Einverständnis). Auch ein konkludentes Einverständnis ist möglich. Jedoch genügt ein bloß mutmaßliches Einverständnis (analog der mutmaßlichen Einwilligung, Rdn. 11) nicht (a.A. SK-StGB/Rudolphi/Stein § 123 Rn. 18b a.E.). Vielmehr liegt dann ein Handeln »ohne Willen« (Rdn. 6) vor. Das Einverständnis kann grds. von jedem Mitinhaber des Hausrechts (Rdn. 1) mit Wirkung für und gegen die andern Berechtigten erteilt oder versagt werden (Fischer § 123 Rn. 4). Widersprechen sich Erteilungen und Versagungen im Einzelfall, so entscheidet die Zumutbarkeit für die Mitberechtigten (OLG Hamm NJW 1965, 2067 [OLG Hamm 22.04.1965 - 2 Vs 1/65] [2068]; Fischer § 123 Rn. 4; abw. NK/Ostendorf § 123 Rn. 36), so braucht keiner den Liebhaber des Ehegatten in der gemeinsamen Wohnung zu dulden (vgl. BGHZ 6, 360; LK/Lilie § 123 Rn. 33). Das Einverständnis ist unwirksam, wenn es durch Nötigung oder durch Drohung (also »unfreiwillig«) erlangt wurde (diff. Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 22). Dagegen ist ein durch Täuschung erschlichenes Einverständnis wirksam (Bohnert GA 1983, 1 [20]; a.A. OLG München NJW 1972, 2275 m. abl. Anm. Otto NJW 1973, 667 [668]; diff. Amelung/Schall JuS 1975, 565 [567]: unwirksam bei »rechtsgutbezogenen« Irrtümern; LPK/Kindhäuser § 123 Rn. 19: bei Irrtümern, die sich auf Person und Zweck des Betretens beziehen; für den Fall, dass ein individuelles Hausverbot durch Täuschung umgangen wird, auch HK-GS/Hartmann § 123 Rn. 16; Lackner/Kühl § 123 Rn. 5; LK/Lilie § 123 Rn. 51; so wenn sich der Eindringling an der Sprechanlage als Hausbewohner ausgibt, darüber hinaus aber auch für den Fall, dass ein Nichtberechtigter seine Berechtigung etwa durch eine gefälschte Eintrittskarte vortäuscht, Fischer § 123 Rn. 23; noch weiter gehend Tag JuS 1996, 904 [906]). Das unterscheidet das »Einverständnis« von der »Einwilligung« (Wessels/Beulke Rn. 367). Soweit die Gegenmeinung auf den »wahren Willen« zurückgreift (BayObLG zitiert bei Schild NStZ 1986, 346 [348]), verkennt sie, dass es darauf gerade nur dann ankommt, wenn ein Wille nicht geäußert wurde. Das oben Gesagte gilt auch für den verdeckten Ermittler, selbst wenn er prozessordnungswidrig (§ 110c S. 2 StPO) handelt (Lackner/Kühl § 123 Rn. 5; NK/Ostendorf § 123 Rn. 32; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 22; abw. Ranft Jura 1993, 449 [450]). Auch ein Einverständnis kann, und sei es nur vorübergehend (»Tag der offenen Tür«; s. dazu bei Militäreinrichtungen OLG Zweibrücken NStZ 1985, 456), allgemein oder an alle Mitglieder einer Gruppe (»für Personal«, »für Gäste«) erteilt werden (generelles Einverständnis), so z.B. beim Zutrittsrecht in Kaufhäuser, Gaststätten, Kirchen usw. Es entfällt nicht schon bei »Missbrauch zu widerrechtlichen Zwecken«, z.B. der Verfolgung krimineller Absichten (a.A. BGH StV 1996, 660: Betreten eines Lokals zur Schutzgelderpressung; zweifelnd BGH NStZ 1982, 158 [BGH 19.01.1982 - 5 StR 166/81; 5 StR 721/79] [159]), oder durch ausgehängte Hinweisschilder (»kein Zutritt für Ladendiebe«, »für Testkäufer«, HK-GS/Hartmann § 123 Rn. 18;Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 32; zw. LPK/Kindhäuser § 123 Rn. 23), sondern erst dann, wenn der Täter schon von seinem äußeren Erscheinungsbild her (z.B. Strumpfmaske beim Banküberfall) von dem Personenkreis abweicht, dem das Eintreten generell gestattet ist (OLG Düsseldorf NJW 1982, 2678 [2679]; LK/Lilie § 123 Rn. 52; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 26; Wessels/Hettinger Rn. 591; krit. Kargl JZ 1999, 930 [938]), mit der Folge, dass nur Versuch vorliegt, wenn der Berechtigte will, dass der maskierte Einbrecher den Raum zur Festnahme betritt (Fischer § 123 Rn. 18).

Die »Widerrechtlichkeit« des Eindringens ist nach h.M. kein Tatbestandsmerkmal, sondern (überflüssiger) Hinweis auf das allgemeine Verbrechensmerkmal der Rechtswidrigkeit (Fischer § 123 Rn. 34; Wessels/Beulke Rn. 135). Das gilt für alle Rechtfertigungsgründe ungeachtet der Tatsache, dass die Zustimmung des Hausrechtsinhabers bereits als tatbestandsausschließendes Einverständnis (Rdn. 7) wirkt (vgl. Wessels/Beulke Rn. 366).

Der Vorsatz bezieht sich auf alle Tatbestandsmerkmale, d.h. bei Alt. 1 auf die Unterscheidungsmerkmale der Räumlichkeit (RGSt 13, 312 [313];.) das Betreten und den hindernden Willen (Rdn. 6; Fischer § 123 Rn. 16), nicht aber auf die Widerrechtlichkeit. Absicht ist nicht erforderlich, bedingter Vorsatz reicht (MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 56).

Viele öffentlich-rechtliche Vorschriften verleihen Befugnisse zum Betreten (Alt. 1) geschützter Räume (z.B. Verhaftung, Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung).
Auch eine mutmaßliche Einwilligung (Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 33) kommt als Rechtfertigungsgrund in Betracht, z.B. wenn der Nachbar in den Nachbargarten eindringt, um dort hingeflogenen Unrat zu beseitigen. S

Als Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (Vergehen gem. § 12 Abs. 2) oder Geldstrafe vorgesehen. Konkrete Strafzumessungsfaktoren sind u.a. Dauer und Schwere der Hausrechtsverletzung. Dass ein Eindringen jedoch regelmäßig schwerer wiege als ein Verweilen, lässt sich angesichts des vom Gesetzgeber für beide Alternativen gleichermaßen angeordneten Strafrahmens (vgl. Fahl Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, 1996, S. 43) nicht sagen (so aber Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben § 123 Rn. 37; i.S.d. HK-GS/Hartmann § 123 Rn. 27; zw. MüKo-StGB/Schäfer § 123 Rn. 72).

Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, § 78 Abs. 3 Nr. 5. Gem. § 123 Abs. 2 ist ein Strafantrag (§§ 77 ff.) »absolut« (keine Surrogation durch Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung) erforderlich. Antragsberechtigt ist gem. § 77 Abs. 1 der Verletzte. Das ist der Hausrechtsinhaber, aber i.d.R. nicht, wer sich nur zu Besuch in der Wohnung aufhält (BGH Urt. v. 14.09.1993, 5 StR 541/93, JurionRS 1993, 17464; Fischer § 123 Rn. 44). Auch Delegation der Ausübung (Rdn. 1, 9) bedeutet nicht automatisch die Übertragung der Antragsbefugnis (OLG Brandenburg NJW 2002, 693 [OLG Brandenburg 25.07.2001 - 1 Ss 16/01]). Möglich ist eine nachträgliche Genehmigung durch den Berechtigten (BGH NJW 1994, 1165 f. [BGH 25.01.1994 - 1 StR 770/93]; Fischer § 123 Rn. 44; Matt/Renzikowski/Kuhli § 123 Rn. 57; abw. KG Berlin NStZ 1990, 144 [KG Berlin 16.11.1989 - (4) 1 Ss 33/89 (15/89)]). Gem. § 77 Abs. 4 kann von mehreren Hausrechtsinhabern jeder den Antrag stellen. Auf die Erben (§ 77 Abs. 2) geht das Antragsrecht aber nicht über. Verweisung auf den Privatklageweg ist möglich (§ 374 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Sühneversuch ist nötig gem. § 380 StPO.

Aus obigem ergibt sich, dass eine Strafbarkeit durchaus angenommen werden kann. Sie sind dabei ertappt worden, wie Sie sich dieses wohl verlassene Anwesen angeschaut haben. Ein Recht dazu hatten Sie aber nicht und hätten erkennen können, dass Sie da nicht ohne Weiteres hinein dürfen.

Sie können sich nun – und damit kommen wir zum zweiten Teil - dahingehend einlassen, dass Sie sich genau hierüber geirrt haben.
Es kommt wie gezeigt nicht darauf an, was Sie in dem Anwesen gemacht haben, sondern nur, dass Sie gegen den mutmaßlichen Willen des Eigentümers dort waren.
Sie sollten sich nicht darauf einlassen, dass Sie das schon öfters gemacht haben etc. weil nur diese eine Tat zur Debatte steht.

Wenn Sie dann hiermit so offen umgehen und Reue zeigen, dürfte angesichts der Gesamtumstände gegebenenfalls eine Einstellung gegen Auflage erreichbar sein.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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