Änderungen des Arbeitszeugnisses nach eigener vorheriger Zustimmung

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich habe die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses von meinem ehemaligen Arbeitgeber verlangt und auch bekommen. Diesem berichtigten Zeugnis habe ich gegenüber meinem Arbeitgeber mein Okay gegeben. Daraufhin hat er es mir zugeschickt.
Erst nach meiner Zustimmung habe ich bemerkt, dass im berichtigten Zeugnis die Beurteilung meiner Arbeitsleistung nicht übereinstimmt mit einem Zwischenzeugnis. In diesem Zwischenzeugnis vom 29.07.2009 hatte ich die Beurteilung "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" bekommen, im berichtigten Zeugnis vom 18.03.2014 dagegen nur "zur vollen Zufriedenheit."
Kann ich trotz meiner Zustimmung zum berichtigten Zeugnis noch einmal eine Korrektur dieses berichtigten Zeugnisses verlangen oder hat sich das durch meine Zustimmung ein für allemal erledigt?

Antwort des Anwalts

Die Einigung, die Sie mit Ihrem Arbeitgeber getroffen haben, entspricht wohl einem Vergleich. Die Grundlage hierfür findet sich in § 779 BGB.
§ 779 regelt die materiell-rechtliche Streitbeilegungsvereinbarung durch gegenseitiges Nachgeben. Sie enthält zum einen eine Legaldefinition des Vergleichs. Zum anderen regelt sie einen Unwirksamkeitsgrund, der einen Sonderfall des gemeinsamen Irrtums über die Geschäftsgrundlage (s. Rn 29) darstellt (BGH NJW 59, 2109, 2110 [BGH 24.09.1959 - VIII ZR 189/58]; NJW-RR 94, 434, 435 [BGH 18.11.1993 - IX ZR 34/93]). Trotz seiner Rechtsstellung im BGB ist § 779 grds in allen Rechtsgebieten anwendbar (BaRoth/Fischer § 779 Rz 4): s. Rn 30 ff für Erscheinungsformen in der ZPO.
Der Vergleich ist ein rein schuldrechtlicher Vertrag (Verpflichtungsgeschäft), der von den zu seinem Vollzug durchgeführten Geschäften (Verfügungsgeschäften) zu trennen ist (dafür: Erman/Müller § 779 Rz 21 [Rechtsnatur folgt aus Gesetzessystematik]; Palandt/Sprau § 779 Rz 2; differenzierend: Staud/Marburger § 779 Rz 41; Bork 97 ff, 139 ff, entweder Verpflichtungs-, Verfügungs- oder zusammengesetztes Rechtsgeschäft). Der Vergleich ist meist als gegenseitiger Vertrag ausgestaltet (BGH ZIP 02, 840, 842 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 293/00]; Staud/Marburger § 779 Rz 51; Ausnahme zB beim Abfindungsvergleich im Arbeitsrecht, BAG DB 70, 259 [BAG 16.10.1969 - 2 AZR 373/68]), da er ein beiderseitiges Nachgeben erfordert (BGHZ 116, 319, 330; MüKo/Habersack § 779 Rz 36).

Die Regelungen in § 779 sind dispositiv (BGH WM 71, 1120, 1121; BaRoth/Fischer § 779 Rz 7; Bsp in Rn 26, 29). Sie können entsprechend für das Schuldanerkenntnis gelten (§ 781), BGH NJW 12, 61 [BGH 22.09.2011 - IX ZR 1/11].

Der Vergleichsvertrag kommt nach den allg Regeln (§§ 145 ff, §§ 164 ff) zustande (häufig: Bedingung der Erfüllung iSv § 158 I). Eine Form ist grds nicht einzuhalten (RGZ 142, 1, 3; BGH NJW 03, 589, 590). Sie ist nur dann notwendig, wenn die Parteien im Vergleich (zB kraft Vereinbarung, vgl BAG DB 97, 882, oder nach §§ 311b, 623, 761, 766, 925) ein formbedürftiges Rechtsgeschäft abschließen (BGH NJW-RR 08, 643, 645 [BGH 18.12.2007 - XI ZR 76/06]). Dies gilt nach § 782 nicht bei Erteilung eines Schuldversprechens oder -anerkenntnisses in einem Vergleich. Ein gerichtlicher Vergleich ersetzt nach § 127a die notarielle Beurkundung. Außergerichtlich können sich die Parteien vor, während und sogar nach einem Prozess mit und ohne Mitwirkung eines Anwalts vergleichen.
Damit liegt wohl in Ihrem Falle wirksam ein Vergleich vor.

Zu prüfen wäre nun, ob dieser Vergleich durch Sie noch beseitigt werden könnte:
Nach § 779 müsste von einer falschen Sachverhaltsgrundlage ausgegangen worden sein. Dies ist aber in Ihrem Falle nur schwer vorstellbar.
Ferner ist für die Unwirksamkeit des Vergleiches nach § 779 erforderlich, dass der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Der Vergleich muss mithin auf dem gemeinsamen Irrtum über bestimmte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse beruhen (BaRoth/Fischer § 779 Rz 45). Irrelevant ist, ob zwischen den Parteien bei Kenntnis der Sachlage überhaupt kein Streit oder gar keine Ungewissheit entstanden wäre.
Es genügt auch nicht, wenn die Parteien bei Kenntnis der Sachlage einen Vergleich mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht entstanden wäre (RGZ 122, 201, 203; 149, 140, 142; Zweibr FamRZ 08, 995).

Damit scheidet dies aber für Sie aus.
Es bleibt noch allenfalls die Möglichkeit, dass Sie wegen Irrtums anfechten können:
Die Vorschriften über die Anfechtung (§§ 119 ff) sind anwendbar.
Allerdings scheidet eine Irrtumsanfechtung nach § 119 aus, wenn sich der Irrtum der anfechtenden Partei auf einen Umstand bezieht, der gerade in dem Vergleich Gegenstand der Regelung des ungewissen oder streitigen Sachverhaltes war (RGZ 162, 198, 201 f; Ddorf BauR 12, 106, 114). Demggü kann eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I Alt 1 auch über den str oder mit Ungewissheit behafteten Punkt erfolgen (RG JW 27, 1993; BGH NJW-RR 86, 1258, 1259 [BGH 18.06.1986 - IVb ZR 47/85]); die Beweislast trägt der Anfechtende (s. Brandbg 4 U 88/01 v 18.7.07: kein Anscheinsbeweis). Haben die Parteien aber einen Vergleich zur Bereinigung der durch eine Täuschung entstandenen zweifelhaften Lage geschlossen, so fehlt es an der für die Anfechtung notwendigen Kausalität zwischen Vergleichsabschluss und Täuschung (BGH NJW-RR 89, 1143; Erman/Müller § 779 Rz 33). Zur Anfechtung wegen Drohung (§ 123 I Alt 2) durch den Richter beim Vergleichsabschluss s. BAG NZA 2010, 1250, 1254 [BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08].

Daraus folgt aber letztlich, dass Sie sich allenfalls an Ihren ehemaligen Arbeitgeber mit der Bitte wenden können, ein Schreibversehen zu korrigieren. Eine Möglichkeit, hier eine weitere Abänderung zu verlangen, sehe ich wegen des wirksamen Vergleiches leider nicht.
Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit trotzdem weiter helfen konnte und Ihnen die Rechtslage verdeutlichen konnte.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

Rechtsberatung am Telefon

Telefonieren Sie sofort mit einem Anwalt oder einer Anwältin und stellen Sie Ihre individuelle Frage.

*1,99€/Min inkl. USt. aus dem Festnetz. Höhere Kosten aus dem Mobilfunk.

Telefonanwalt werden

Werden Sie selbstständiger Kooperationsanwalt der Deutschen Anwaltshotline AG:

  • Krisensicherer Umsatz
  • Rechtsberatung per Telefon
  • Homeoffice