Bruder ohne Mietvertrag aus dem Haus der erkrankten Mutter bekommen

Online-Rechtsberatung
Stand: 07.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Wir haben eine völlig zerstrittene Familiensituation, insbesondere zwischen meiner Mutter (97 Jahre) und dem ältesten Sohn (75 Jahre).
Meine Mutter ist Alleineigentümerin eines Zweifamilienhauses. Vor ca. 8 Jahren hat sie meinem Bruder Unterkunft geboten, da dieser praktisch mittel- und vermögenslos von seiner damaligen Lebensgefährtin vor die Tür gesetzt worden ist.
Verabredet worden ist, dass er Erledigungsfahrten, Gartenarbeit und andere Tagesunterstützung leisten soll, dafür ist ihm die obere Wohnung kostenfrei überlassen worden. Auch wurden keine Kostenbeteiligung für Heizung, Wasser und Müll geleistet. Zusätzlich wurde auch noch die Vollverpflegung geboten. Dann wurde eine notarielle Versorgungsvollmacht geschlossen, die im Bedarfsfalle die Berechtigung geboten hätte, alle anfallenden Aktivitäten in ihrem Interesse zu vertreten.
Seit dem Herbst des letzten Jahres hat es ein vollständiges Zerwürfnis zwischen den beiden gegeben. Meine Mutter hat die notarielle Vollmacht aufgehoben und zurückgefordert, auch wurde der Anwalt aufgesucht und der sofortige Auszugs verlangt.

Der Anwalt hat eine Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen, dieser Kündigung wurde durch anwaltliche Vertretung widersprochen.

Nun ist meine Mutter in gesundheitliche Schwierigkeiten gekommen und kann die eigenen Interessen nicht mehr verfolgen. Ich habe nun eine durch das Amtsgericht geprüfte und bestätigte Vollmacht, die mich berechtigt, die anfallenden Aktivitäten und Interessen zu verfolgen.
Soweit zum Hintergrund.
Mein Bruder hat in zwei Schriftstücken sehr deftige und völlig unangemessene Vorwürfe und Beschuldigungen gegenüber meiner Mutter erhoben. Inhalt, Stil und Zeitpunkt sind völlig unangemessen, so ergingen Beschimpfungen im Krankenhaus.
Meine Mutter hat sich im Krankenhaus und im anschließenden Aufenthalt in einer Pflegeanstalt es sich verbeten auch nur Kontakt, Auskunft oder Besuch durch meinen Bruder zu erhalten oder zu gewähren. Ihr unbedingtes wollen ist, das er Wso schnell wie möglich das Haus verlässt."
Der Anwalt meiner Mutter hat das Mandat niedergelegt, da meine Mutter sehr schwerhörig ist und er wohl nicht in einen Familienstreit gezogen werden möchte, wo die Informationen von Dritter Seite (durch mich) an ihn herangetragen werden.

Es gibt keinen Mietvertrag, folglich kann es nach meiner Einschätzung auch keine Kündigung eines Mietverhältnisses geben.
Für mich handelt es sich um eine Nutzungsüberlassung, die nicht mehr gewollt ist, für die auch keinerlei Tätigkeiten oder Aktivitäten mehr geleistet werden, die auch untersagt worden sind.

Wie ist jetzt die richtige sachliche juristische Einschätzung. Wie ist der richtige Weg um meinen Bruder, der sich jeglicher Kommunikation, auch durch den dritten Bruder, entzieht, aus der Wohnung zu bekommen? Welche Fristen sind einzuhalten?

Antwort des Anwalts

Wenn der Bruder keine Miete bezahlt, von der Mutter als derzeitiger Eigentümerin auch nicht geduldet wird, und nicht freiwillig auszieht, muss er im Wege der Räumungsklage dazu bewegt werden.

Nur einem vollstreckbaren Titel (also ein rechtskräftiges Räumungsurteil mit einer Rechtskraftsvermerk und einem Zustellungsvermerk darauf kann ein Gerichtsvollzieher beauftragt werden, den Bruder notfalls mit Polizeigewalt vor die Tür zu setzen.

Die wenn ich zitieren darf Aussprache der Kündigung langt allerdings nicht, eine Kündigung muss vielmehr gem. § 568 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) 1) schriftlich erklärt werden. Ohne Mietvertrag bräuchte es allerdings keiner Kündigung. Man müsste dann unmittelbar eine Räumungsklage auch so einreichen. Nach § 550 BGB 2) kann allerdings die fehlende Schriftform eines Mietvertrags zur Folge haben, dass ein Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Diese Folge tritt jedoch nur ein, wenn der Mietvertrag für länger als ein Jahr geschlossen worden ist.Das hängt im Einzelnen von dem Vereinbarten ab.

Das Gericht befindet sodann im Rahmen der zu erhebenden Räumungsklage auch über den Widerspruch. Gem. § 574 BGB *2) kann er nur dann Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Das Gericht wird hier eine Interessenswägung vorzunehmen haben zwischen den Interessen Ihrer Mutter und denen Ihres Bruders.

Unter den Umständen erscheint zumindest zweifelhaft, ob Ihrer Mutter weiterhin zugemutet werden muss, den Sohn als Schmarotzer weiter kostenfrei zu beherbergen.

Ein besonders triftiges Argument wäre es, wenn die Weitervermietung notwendig wäre, um die Heimkosten für die Mutter zu finanzieren und sie ansonsten selbst Sozialhilfe beanspruchen müsste. Hier hätten die Interessen der Mutter wohl eindeutig Vorrang.

Es gibt allerdings eine potentiell lebenslange Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie nach § 1601 BGB *4), die gegebenenfalls hier mit zu berücksichtigen wäre, Stichwort Volljährigenunterhalt.

Wenn Ihr Bruder nach erfolgreicher Räumung Grundsicherung im Alter in Anspruch nehmen müsste, ist damit zu rechnen, dass die Sozialbehörden zwar in Vorleistung treten, die anfallenden Kosten aber den Angehörigen wieder aus abgeleitetem Recht nach § 94 SGB XII *5) zurück belasten. Hier gäbe es an sich einen recht weit gehenden Selbstbehalt für die eigenen Kosten des Pflegeheims zu beachten, sowie ein Schonvermögen, das sich auch auf selbst genutztes Wohneigentum erstreckt. Ironischer Weise wäre hier die Selbstnutzung die Nutzung des eigenen Sohns, die sie ja gerade eigentlich nicht möchten, und die dann nicht mehr greifen würde. Die Sozialbehörden würden danach vermutlich ungehindert auf das Haus der Mutter zugreifen bzw. dessen Verwertung fordern.

Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gesamte Aktion finanziell im Ergebnis lediglich ein durchlaufender Posten wird, der Bruder zwar aus dem Haus ist, aber dafür seine sozialen Kosten wieder aufgefangen werden müssen.

Insgesamt würde ich, je nach Sachlage, von der notariellen Vollmacht dahingehend Gebrauch machen, dass ein auf Mietrecht spezialisierter Anwalt mit der Räumungsklage beauftragt wird.

Unter der Voraussetzung, dass wirklich kein Mietvertrag besteht, gibt es insoweit keine Fristen zu beachten, andernfalls wäre § 573c BGB zu beachten *5). Allerdings wäre eine zeitnahe Weiterverfolgung ratsam, um keinen Vertrauenstatbestand auf das Fortbestehen der Lage zu schaffen (Einwand der Verwirkung).

Denkbar und vielleicht vorzuziehen wäre auch, dass Sie, wegen Ihres Interessenskonflikts in dieser Angelegenheit, und um nicht selbst als der Urheber von familiären Zwistigkeiten da zu stehen, insoweit Antrag beim Amtsgericht vor Ort zu stellen, einen Betreuer speziell mit dieser Aufgabe zu beauftragen, der dann das Notwendige in Abstimmung mit Ihnen veranlassen soll.

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.

*1) § 568 BGB Form und Inhalt der Kündigung

(1) Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der schriftlichen Form.

(2) Der Vermieter soll den Mieter auf die Möglichkeit, die Form und die Frist des Widerspruchs nach den §§ 574 bis 574b rechtzeitig hinweisen.

*2) § 550 BGB Form des Mietvertrags

Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.

*3) § 574 BGB Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

*4) § 1601 BGB Unterhaltsverpflichtete

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

*5) § 94 SGB XII Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen

(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist; der Übergang des Anspruchs des Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel gegenüber Eltern und Kindern ist ausgeschlossen. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend. Für Leistungsempfänger nach dem Dritten und Vierten Kapitel gilt für den Übergang des Anspruchs § 105 Abs. 2 entsprechend.
(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die behindert im Sinne von § 53 oder pflegebedürftig im Sinne von § 61 ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Sechsten und Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.
(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit

  1. die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder

  2. der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
    Der Träger der Sozialhilfe hat die Einschränkung des Übergangs nach Satz 1 zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis hat.
    (4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.
    (5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

*6) § 573c BGB Fristen der ordentlichen Kündigung

(1) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.

(2) Bei Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist, kann eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart werden.

(3) Bei Wohnraum nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 ist die Kündigung spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats zulässig.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1 oder 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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