Fehlender Erbschein: Immobilienkauf verzögert sich

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:
  • Immobilie wurde gekauft (Kaufvertrag unterschrieben, Kaufpreis fällig bis zum 30.04.2014, Darlehensvertrag unterschrieben). Hausgeld muss von meiner Seite ab 01.05. bezahlt werden
  • Von der Gegenpartei fehlt noch Erbschein (vom Nachlassgericht noch nicht ausgestellt, obwohl die Frist abgelaufen ist), daraus resultierend fehlt Fälligkeitsmitteilung und das Geld von der Bank kann nicht überwiesen werden. Kein Geld - kein Schlüssel.
  • Umzugstermin von meiner Seite mit der Umzugsfirma am 12.05.2014 und kann nicht verschoben werden. Die gekaufte Immobilie steht seit zwei Wochen leer.
  • Wohnung muss noch renoviert werden und die Zeit läuft davon. Gegenpartei ist nicht gewillt mir den Schlüssel zu geben, bis das Geld auf dem Konto ist.

Meine Fragen: welche Rechte habe ich? Falls der Umzugstermin storniert werden soll, soll/kann die Kosten die Gegenpartei tragen? Kann/Soll das Hausgeld auch geteilt werden? Wie kann ich die Gegenpartei überzeugen, mir den Schlüssel jetzt schon zu geben (vorerst ohne Geld, bzw. könnte ein mini-teil überweisen). Ein Notaranderkonto wird vom Notar nicht akzeptiert, da Erbschein jede Zeit ausgestellt werden kann. Ich meine, wenn wirklich was schief laufen soll, dann kriegt die Partei eine renovierte Wohnung zurück. Ich komme nicht weiter und brauche Ihren Rat.

Antwort des Anwalts

Da der Erbschein fehlt, ist die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises eben noch nicht fällig – auch wenn der avisierte Zahlungstermin bereits verstrichen ist.
Grund hierfür ist der Umstand, dass erst der Eintritt der Bedingung, nämlich die Vorlage des Erbscheines, die Kaufpreisfälligkeit auslöst.

Der Erbschein ist deswegen so wichtig, weil dieser belegen soll, dass Sie überhaupt von einem Berechtigten erwerben.

Gemäß § 2353 BGB stellt der Erbschein ein Zeugnis des Nachlassgerichts dar, das bekundet, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen dieser unterliegt. Der Erbschein wird zum Beweis des Erbrechts benötigt, da im Rechtsverkehr nicht bekannt ist, ob Verfügungen von Todes wegen, die auch nahe Verwandte von der Erbfolge ausschließen können, vorliegen. Auch Ausschlagungen, Erbunwürdigkeitserklärungen oder Erbverzicht können zu einer von der gesetzlichen Erbfolge abweichenden Rechtslage führen.
Der Erbschein bezeugt als amtliche Bescheinigung folgende Punkte:

Person des Erblassers

Person des Erben (Name, Todestag und letzter Wohnsitz)

Umfang des Erbrechts zur Zeit des Erbfalls (Erbquote)

Nacherbschaft

die Anordnung der Testamentsvollstreckung.

Über den Umfang des Nachlasses, speziell zu der Frage, welche Gegenstände zur Erbmasse gehören, trifft der Erbschein keine Aussage. Auch schuldrechtliche Ansprüche, etwa aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsrechte, sind nicht Inhalt des Erbscheins, da sie die Verfügungsmacht des Erben nicht berühren. In der Praxis benötigt man einen Erbschein vor allem zur Vorlage beim Grundbuchamt, § 35 GBO, oder bei Banken.
Entsprechend einer Grundbucheintragung kommt auch dem erteilten Erbschein eine Vermutungswirkung nach § 2365 BGB zu: Es wird vermutet, dass demjenigen, welcher im Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Als Beschränkungen kommen in Betracht die Nacherbfolge, § 2363 BGB, und die Testamentsvollstreckung, § 2364 BGB. Sind derartige Beschränkungen im Erbschein nicht enthalten, wird negativ vermutet, dass sie nicht bestehen. Umstritten ist, ob der Erbschein bei aufgeführten Verfügungsbeschränkungen positiv deren Bestehen bezeugt. Die h.M. lehnt dies ab, da eine diesbezügliche positive Vermutung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Auch Umstände, die nicht zwingend zum Inhalt des Erbscheins gehören nehmen nicht an der Vermutungswirkung des § 2365 BGB teil, wie z.B. Vermächtnisse, Pflichtteilsansprüche etc. Auch der Berufungsgrund wird nicht von der Vermutungswirkung erfasst.

Der Erbschein schützt den rechtsgeschäftlichen Erwerb. Zwar besteht nach Erteilung eines Erbscheins keine materielle Rechtskraft für den Bestand des ausgewiesenen Erbrechts. Zugunsten des Rechtsverkehrs wird jedoch eine Richtigkeitsfiktion aufgestellt, § 2366 BGB.

Das bedeutet, dass Sie nur durch den Erbschein geschützt sind.

Erwirbt jemand einen Erbschaftsgegenstand, so gilt zu seinen Gunsten der Inhalt des Erbscheins als richtig, soweit die Vermutung des § 2365 BGB reicht. Darüber hinaus genießen auch Zahlungen an den Erben oder sonstige Verfügungsgeschäfte, wie z.B. Aufrechnung, Bewilligung einer Vormerkung etc. den Verkehrsschutz des § 2367 BGB. Die Schutzwirkung gilt auch dann, wenn der Dritte keine Kenntnis von der Existenz des Erbscheins hatte. Dem Dritten braucht der Erbschein gar nicht vorgelegt werden. So wird z.B. eine Bank durch Zahlung an den „Erbscheinsbesitzer“ auch dann frei, wenn dieser den Erbschein gar nicht vorgelegt hat.
Hieraus folgt aber nun, dass der Erbschein für das weitere Verfahren zwingend erfgorderlich ist.

Sie schreiben, die Frist zur Vorlage des Erbscheins sei abgelaufen. Das kann nur bedeuten, dass im notariellen Kaufvertrag eine Frist für den Verkäufer zur Vorlage des Erbscheines steht. Denn für das Nachlassgericht selbst gibt es keine Frist.

Das Nachlassgericht hat die Pflicht, den für die Auslegung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären,95 §§ 2358 Abs. 1, 2361 Abs. 2 BGB, § 26 FamFG. Es kann sich dabei sowohl des Freibeweises als auch der Beweismittel der ZPO bedienen, § 30 FamFG.

Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Nachlassgericht, alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Das bedeutet zwar nicht, dass allen Beweisanträgen der Beteiligten stattgegeben und allen denkbaren Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen nachgegangen werden müsste. Eine Aufklärungspflicht besteht aber insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des materiellen Rechts bei sorgfältiger Überlegung zu weiteren Ermittlungen Anlass geben. Das Gericht darf seine Ermittlungen erst abschließen, wenn von einer weiteren Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist.

Auch nach dem FamFG entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt, § 30 Abs. 1 FamFG.

Das Gericht hat in jedem Fall (sowohl bei Amts- als auch bei Antragsverfahren) den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, § 26 FamFG. Insoweit unterscheidet sich das FamG-Verfahren wesentlich vom Zivilprozess. Zu beachten ist aber, dass besondere Vorschriften das Amtsermittlungsprinzip einschränken können. So sind z.B. im Erbscheinsverfahren die §§ 2354 ff. BGB der Amtsermittlungspflicht vorgeschaltet, ohne diese zu verdrängen. Kommt ein Beteiligter seinen Pflichten nach §§ 2354 ff. BGB nicht nach, so beginnt die Amtsermittlungspflicht nicht zu laufen. Verweigert z.B. der Antragsteller im Erbscheinsverfahren ohne triftigen Grund die Abgabe der nach § 2356 BGB erforderlichen eidesstattlichen Versicherung, so ist das Nachlassgericht berechtigt, den Erbscheinsantrag ohne weitere Ermittlungen als unzulässig zurückzuweisen.

Hieraus folgt nun für Sie, dass zu prüfen ist, ob die Gegenseite mit der Vorlage des Erbscheines in Verzug geraten ist. Dann hätte sie auch die Verzugsfolgen zu tragen.

Der Verzug ist in § 286 BGB geregelt:
Unter bestimmten Voraussetzungen qualifiziert das Gesetz die Verzögerung der Erfüllung einer Pflicht als eine besondere Form der Pflichtverletzung – Verzug –, die spezielle und zusätzliche Rechtsbehelfe des Gläubigers auslösen kann. Diese Voraussetzungen sind nach hA Fälligkeit und Durchsetzbarkeit , Nichtleistung , Möglichkeit der Leistung, Vertretenmüssen der Nichtleistung und grds, aber nicht stets Mahnung. Der Verzug entfällt nicht dadurch, dass die zugrunde liegende Forderung abgetreten wird (BGH NJW 06, 1662 [BGH 09.02.2006 - I ZR 70/03]).
Die Vorlage des Erbscheins war wegen der gesetzten Frist fällig und auch durchsetzbar. Fraglich ist hier die Frage nach der Möglichkeit sowie des Vertretenmüssens.
Nach weit überwiegender Auffassung hindern nämlich Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit den Verzugseintritt (BGH NJW 88, 251, 252 [BGH 16.09.1987 - IVb ZR 27/86]; Palandt/Grüneberg § 286 Rz 12). Tritt Unmöglichkeit während des Verzuges ein, so endet dadurch nach hA der Verzug. Für die Zeit bis zur Verzugsbeendigung gelten die Vorschriften über den Verzug, danach die Normen zur Unmöglichkeit. Freilich sind nach neuem Schuldrecht Zweifel angebracht, ob es in Fällen dieser Art auf die Verzugsvoraussetzungen nach § 286 tatsächlich nicht mehr ankommt. Das gilt insbes für die Frage der Ersatzfähigkeit von Verzögerungsschäden. Die betreffenden Pflichten, die bei § 275 gerade nicht erlöschen (s § 275), haben hier im Blick auf Leistungsverspätungen nur einen bestimmten Schutzzweck, welcher den Ersatz derartiger Schäden nur dann gestattet, wenn die Pflichtverletzung hinreichend qualifiziert ist. Das muss richtigerweise auch für Fälle gelten, in denen der Verspätungsschaden entsteht, nachdem der Schuldner nach § 275 nicht mehr erfüllen muss. Insoweit gehört die Möglichkeit der Leistung nicht zu den Verzugsvoraussetzungen (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 660).

Unmöglichkeit liegt hier aber erst vor, wenn das Nachlassgericht endgültig .- aus welchen Gründen auch immer – die Erteilung eines Erbscheines verweigern sollte.
Damit wäre weiter die Frage des Vertretenmüssens zu klären:
Verzug tritt nicht ein, wenn der Schuldner die fehlende Rechtzeitigkeit der Leistung nicht zu vertreten hat, § 286 IV. Bereits aus dem Wortlaut des Absatzes ergibt sich, dass sich das Vertretenmüssen auf die Verzögerung bezieht und damit von den Voraussetzungen der I–III unabhängig ist (aA offenbar Erman/Hager § 286 Rz 56).
Allerdings muss das Vertretenmüssen für den Eintritt der Verzugsfolgen andauern, was erst nach Eintritt der Voraussetzungen der I–III durch § 287 auch bei Zufall gewährleistet ist. Zuvor kommt – je nach Haftungsstandard – eine Entlastung durch Zufall noch in Betracht (aA offenbar MüKo/Ernst § 286 Rz 104). Maßstab für das Vertretenmüssen ist grds § 276, bei vertraglichen Pflichten mE ev auch § 311a II 2 (der Sache nach auch BGH NJW 11, 2120 [BGH 10.02.2011 - VII ZR 53/10] Rz 16).
Der Schuldner haftet also grds für vorsätzliche oder fahrlässige Verspätung der Leistung, doch kann seine Haftung gemildert, aber auch verschärft sein, zB aufgrund einer Garantie oder Übernahme eines Beschaffungsrisikos (§ 276).
Auf einen Rechtsirrtum (s § 276) kann sich der Schuldner zwar berufen, doch muss er die Rechtslage sorgfältig prüfen und ggf Rechtsrat einholen (BGH BB 06, 1819, 1820 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05]) oder beim Gläubiger rückfragen (BGH NJW 11, 2120 [BGH 10.02.2011 - VII ZR 53/10] Rz 16 ff [Untätigkeit des Bürgen bei unzureichender Information durch den Gläubiger]).
Unrichtige anwaltliche Auskunft muss sich der Schuldner über § 278 zurechnen lassen (BGH BB 06, 1819, 1820 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05]; v Caemmerer FS Weitnauer, 266, 273 ff). Beruht die Leistungsverzögerung auf einem Fehler des Gläubigers, scheidet das Vertretenmüssen regelmäßig aus (s § 276 Rn 26); das gilt bei Zahlungen insbes, wenn der Gläubiger ein falsches Konto mitgeteilt hat (OLGR Schleswig 06, 345 Rz 24).
Dasselbe kann gelten, wenn der Gläubiger durch eine übersetzte Rechnung Unklarheit über die tatsächliche Höhe der Forderung verursacht hat; die Regeln über die „Zuvielmahnung? gelten entspr (BGH BB 06, 1819 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05] f [für einen Fall von § 286 II Nr 1]).

Hier könnte das Vertretenmüssen darin gesehen werden, dass die Gegenseite einerseits einen Termin genannt hat, der unrealistisch war – und damit schuldhaft fahrlässig Verzug selbst herbeigeführt hat – oder aber eventuell Mitwirkungspflichten verletzt wurden und damit das Nachlassgericht am zügigen Bearbeiten selbst gehindert hat.

Für Sie bedeutet das nun folgendes:
Die Pattsituation wurde dadurch herbeigeführt, dass der Erbschein fehlt. Die Gegenseite weigert sich, Ihnen den Besitz an der Immobilie einzuräumen, solange das Geld noch nicht auf dem Konto ist.

Dabei liegt es allein an der Gegenseite, die Fälligkeitsvoraussetzungen zu schaffen.
Sie sollten daher der Gegenseite klar machen, dass, wenn, wie gezeigt, sie sich in Verzug mit der Vorlage des Erbscheines befindet, Sie den Verzugsschaden geltend machen können. Dazu gehört neben dem Rückforderungsanspruch des Hausgeldes auch Aufwendungen im Zusammenhang mit dem zu stornierenden Umzug. Hinzu kommen auch zu bezahlende Bereitstellungszinsen.
Schlimmestenfalles kann es so kommen, dass die Gegenseite gar keinen Erbschein bekommt, weil vielleicht ein Dritter Erbe geworden ist. In diesem Falle wäre das Geld von Ihrer Seite aus in unsichere Hände gelegt. Außerdem würden Sie in eine Immobilie investieren, die Sie nicht gutgläubig erwerben können.
Vor diesem Hintergrund ist es tatsächlich nicht anzuraten, schon vorab Geld zu bezahlen.

Sie können der Gegenseite auch androhen, wegen Nichtleistung vom Vertrag insgesamt zurückzutreten.
Der Rücktritt schließt hinsichtlich der Primärleistung Erfüllungsansprüche aus. Es scheint daher logisch nötig, dass auch Schadensersatzansprüche statt der Erfüllung ausgeschlossen sind (hiergegen aber Gsell JZ 04, 643 f). Dementsprechend hatten vor dem SchRModG Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung alternativ zur Wahl des Gläubigers gestanden (§§ 325 I 1, 326 I 2 aF). Das hat oft zu Schwierigkeiten geführt, weil die vorschnelle Wahl des Rücktritts den Weg zum Ersatz des positiven Interesses versperrt hat. Dem will § 325 abhelfen, indem dem Gläubiger die Kombination beider Rechtsbehelfe ermöglicht wird (BTDrs 14/6040, 188). Eine ähnl Kumulation von Rücktritt und Schadensersatz findet sich in Art 45 II, 61 II CISG, in Art 8:102 PECL bzw. Art III.-3:102 DCFR und in Art 7.3.5 II UNIDROIT Principles. Umstr ist die Frage, ob auch eine Kumulation von Minderung und Schadensersatz möglich ist (dafür Stuttgart ZGS 08, 479; dagegen Lögering MDR 09, 664).

Fraglich ist aber, wie der Rücktritt den Inhalt des Schadensersatzanspruchs beeinflusst. Denn dass der Gläubiger sowohl die erbrachte Gegenleistung zurückverlangen wie auch den vollen, nach der Surrogationsmethode berechneten Schadensersatz statt der Leistung soll verlangen können, wäre sachlich verfehlt und wird auch von § 325 nicht vorgeschrieben (MüKo/Ernst Rz 3 und ausf Herresthal JuS 07, 798).

Der Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 III, 281–283, 311a II) ist richtigerweise nach der Differenzmethode zu berechnen (vgl § 281 Rn 34): Zu ersetzen ist nur die Differenz zwischen dem vollen Erfüllungsinteresse und dem Wert der wegen des Rücktritts nicht mehr zu erbringenden oder zurückzuerstattenden Gegenleistung (etwa Gsell JZ 04, 643, 645; MüKo/Ernst Rz 6; Palandt/Grüneberg Rz 2). Der Gläubiger erhält also den Ersatz des Nettogewinns, den er aus dem Vertrag hätte ziehen können. Der auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung umfasst auch den Nutzungsausfallschaden; ein Vorrang des Rücktrittsfolgenrechts in Fällen des Nutzungsersatzes besteht nicht (BGHZ 174, 290, Tz 8 mwN, BGH NJW 10, 2426 [BGH 14.04.2010 - VIII ZR 145/09]).

Fraglich ist allerdings, ob der Gläubiger diesen Differenzschaden mit einem Rückaustausch der gegenseitigen Leistungen auch ohne den Rücktritt (also allein über die §§ 280 III, 281) erhalten kann. Das wird von vielen bejaht, etwa Arnold ZGS 03, 427, 429 f; Palandt/Grüneberg § 281 Rz 20; NK/Dauner-Lieb § 281 Rz 31. Dagegen hat aber MüKo/Ernst Rz 8 f gewichtige und wohl überzeugende Gründe vorgebracht, in gleichem Sinn etwa Gsell JZ 04, 643, 647; BaRoth/Grothe Rz 5 f.
Fraglich ist weiter, ob bei einer Häufung von Rücktritt und Schadensersatz die Rücktrittsfolgen nach den Regeln des Schadensrechts (§ 249 I) korrigiert werden müssen (vgl Gsell JZ 04, 643, 647 f, MüKo/Ernst Rz 10): Kann der Gläubiger, der für seine Leistung nach § 346 II nur Wertersatz erhält, einen darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen? Und kann umgekehrt der Gläubiger nach den §§ 346 I, 347 I den Ersatz von Nutzungen verlangen, die er selbst nicht gezogen hätte, so dass er deren Ersatz nach § 249 I nicht fordern könnte? Die Lösung ist str (vgl Gsell und Ernst aaO); für beide Fragen erscheint die Bejahung einer schadensrechtlichen Korrektur vorzugswürdig.

Als weitere Schadensposten kommen in Betracht Verzögerungs- (§ 280 II, § 286) und Begleitschäden (§ 280 I). Dann sind die Verzögerungsschäden zu ersetzen, soweit sie bis zum Rücktritt entstanden waren; später entstandene nur bei Verzug mit den Pflichten aus dem Rücktritt und der Schadensersatzforderung; Einzelheiten bei Herresthal JZ 07, 798. Die Begleitschäden laufen neben den übrigen Schadensposten her; ihre Ersatzfähigkeit bleibt daher unberührt (Palandt/Grüneberg Rz 4).

Vor diesem Hintergrund wäre es auch für die Gegenseite angezeigt, das Erbscheinverfahren zu beschleunigen und Ihnen bereits jetzt schon die Schlüssel auszuhändigen. Gegebenenfalls legen Sie der Gegenseite noch eine Finanzierungsbestätigung der Bank vor, wonach das Geld fließen wird, sobald der Erbschein vorgelegt wird.
Eine gerichtliche Auseinandersetzung zum jetzigen Zeitpunkt dürfte nichts bringen, was Sie in den nächsten 2 Wochen tatsächlich in die Wohnung bringen könnte.

Hier ist offensichtlich darauf vertraut worden, dass das Erbscheinverfahren tatsächlich so schnell abgeschlossen werden könnte. Alternativen und Möglichkeiten der Absicherung hätten bei Vertragsschluss durchaus vereinbart werden können, wäre daran gedacht worden. Im Nachhinein lässt sich dieses Versäumnis leider nicht vollständig wieder gut machen.

Es empfiehlt sich daher, der Gegenseite die möglichen Folgen dessen, wenn das Geschäft ganz schief gehen würde, vor Augen zu führen und von daher die Besitzeinräumung einschließlich der Übergabe jetzt zu klären. Gegebenenfalls sollte dies notariell in Ergänzung des bestehenden Kaufvertrages geschehen. Das wäre insgesamt interessengerecht.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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