 | | | Online-Rechtsberatung von Rechtsanwalt Roland Hoheisel-Gruler Stand: 06.02.2014 |
Frage: Ich bin 1998 nach 22 Ehejahren geschieden worden und zahle meiner Exfrau laut Urteil mtl. 126 Euro Unterhalt. Ich bin seit 1.1.2014 in aktiver Altersteilzeit, und gehe ab 1.1.2017 in Rente. Muss ich meiner Exfrau auch weiter Unterhalt zahlen, was muss ich tun? Meine Exfrau ist seit mitte 2013 Mit BU-Rente zuhause und geht keiner Arbeit nach. Kann ich verlangen das meine Ex mir die Anlage N für die Steuer unterschreiben muss?  | Jetzt kostenloses Angebot anfordern!Hier gehts los. |  | 1,99 €/Min. inklusive 19% MwSt aus dem Festnetz der Deutschen Telekom; ggf. abweichende Preise aus Mobilfunknetzen | |
Antwort: Hierzu kann ich Ihnen sagen, dass die Zahlungspflicht besteht, solange das Unterhaltsurteil Bestand hat. Sie können aber die Abänderung dieses Unterhaltsurteils beim Familiengericht beantragen. Der rechtliche Hintergrund hierfür stellt sich wie folgt dar: Will der Leistungsverpflichtete weniger oder keinen Unterhalt mehr zahlen, kommen nach dem FamFG das Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239, 240 FamFG, der Vollstreckungsabwehrantrag nach §§ 767, 795, 794 Abs. 1 Nr. 1 und 5 ZPO und bei einstweiligen Anordnungen – neben dem Abänderungsantrag nach § 54 Abs. 1 FamFG – der Antrag auf Einleitung des Hauptsacheverfahrens nach § 52 Abs. 2 FamFG in Betracht. Abgrenzungskriterien sind die Art des Titels und der gegen den Titel vorgetragene Sachverhalt. Hier handelt es sich um ein Urteil, aus dem wohl nicht vollstreckt wird. Daher ist der Abänderungsantrag das richtige Verfahren. aa) Wesentlichkeit Die Begründetheit des Abänderungsantrags erfordert nach § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse, auf denen die frühere Endentscheidung beruht. Für die Wesentlichkeit kommt es nicht auf das Ausmaß eines veränderten Einzelumstandes an, z.B. einer einzelnen Gehaltserhöhung, sondern ob die für die Bemessung der Unterhaltsleistung maßgebenden Verhältnisse insgesamt eine wesentliche Änderung erfahren haben. In der Praxis wird eine Änderung der Unterhaltshöhe von etwa 10 % als wesentlich angesehen, sie kann aber bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen auch darunter liegen. bb) Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse (1) Änderung tatsächliche Verhältnisse Änderungen der Verhältnisse sind insbesondere Änderung von Tatsachen, die der Prognoseentscheidung für die künftige Entwicklung des Unterhaltsanspruchs zugrunde gelegt wurden. Dies betrifft vor allem eine Erhöhung oder Reduzierung des Einkommens beim Pflichtigen und beim Bedürftigen, Erhöhung des konkret ermittelten Bedarfs durch gestiegene Lebenshaltungskosten, Minderung des Einkommens wegen Arbeitslosigkeit, Verrentung/Pensionierung, Erkrankung, Wegfall des Vorsorgeunterhalts ab Beginn der Altersrente mit Erhöhung des Elementarunterhalts, geänderte Erwerbsobliegenheit, zeitliche Begrenzung oder Begrenzung auf den angemessenen Bedarf beim nachehelichen Unterhalt, Hinzutreten weiterer Unterhaltslasten durch Wiederverheiratung des Verpflichteten und/oder Geburt eines weiteren unterhaltsberechtigten Kindes, Wegfall berücksichtigter Verbindlichkeiten (Schulden, Unterhaltslasten, berufsbedingte Aufwendungen), Änderung von Unterhaltstabellen, höhere Altersstufe bei Kindern oder höherer Bedarf eines volljährigen Kindes, Senkung des Bedarfs des Kindes durch Eigeneinkommen als Lehrling oder durch BAföG-Leistungen. Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn wegen ursprünglich sehr hohen Einkommens des Pflichtigen eine konkrete Bedarfsermittlung erfolgte und der Pflichtige nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr voll leistungsfähig ist und daher eine Quotenberechnung vorzunehmen ist. (2) Änderung rechtliche Verhältnisse Mit der Neufassung des § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG setzte der Gesetzgeber die gefestigte Rechtsprechung des BGH um, dass auch die Veränderung der rechtlichen Verhältnisse einen Abänderungsgrund beinhalten. Eine Änderung der Verhältnisse sind deshalb auch eine Gesetzesänderung, eine Änderung der Rechtsprechung durch ein Gebot des BVerfG, das zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse ein anderes Verständnis der Norm verlangt und eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung des BGH. Es muss sich allerdings um eine grundlegende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung handeln, eine Änderung der Rechtsprechung der Instanzgerichte reicht nicht aus. Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder der Rechtsprechung durch ein Gebot des BVerfG lagen in letzter Zeit insb. bei der Aufnahme der Berufstätigkeit einer Hausfrau nach Trennung/Scheidung (sog. Surrogatslösung), Verkauf des Familienheimes nach Trennung/Scheidung, Inhaltskontrolle von Eheverträgen, Bemessung des Wohnvorteils im Eigenheim, Nichtberücksichtigung einseitig vermögensbildender Ausgaben beim Ehegattenunterhalt, Berücksichtigung neuer nach der Scheidung entstandener Unterhaltslasten bei der Leistungsfähigkeit für den Ehegattenunterhalt, Wiedereinführung des Stichtagsprinzips bei Unterhaltslasten, Berechnung des Unterhalts mehrerer Ehegatten, Bedarfsdeckung durch Kindergeld, Betreuungsanspruch bei ehelichen und nichtehelichen Kindern, Präklusion bei der Begrenzung des nachehelichen Unterhalts aus Billigkeitsgründen nach § 1578b BGB und materiell-rechtliche Anwendung dieser Bestimmung , vor. Der Abänderungsgrund der geänderter Rechtsprechung ist erst ab der jeweiligen Entscheidung des BGH bzw. BVerfG gegeben, z.B. bei der geänderten Rechtsprechung zur Haushaltsführung und Aufnahme einer Berufstätigkeit nach Trennung/Scheidung ab dem 13.06.2001, bei der geänderten Rechtsprechung zur Begrenzung des nachehelichen Unterhalts aus Billigkeitsgründen nach § 1578b BGB ab dem 12.04.2006 Diese Rechtsprechung des BGH wurde vom BVerfG bestätigt und zugleich auch für Änderungen der Rechtsprechung durch ein Gebot des BVerfG für anwendbar erklärt. Bei letzterer ist als Abänderungsgrund entsprechend die Entscheidung des BVerfG maßgebend. Abzustellen ist dabei nicht auf die Verkündung der jeweiligen Entscheidung, sondern nach BGH auf die Veröffentlichung in einer anerkannten Fachzeitschrift,159 z.B. der FamRZ, da sie erst dadurch allgemein bekannt wird. Zur Abwehr gegen ein Herabsetzungsverlangen kann eine grundlegend geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung auch rückwirkend herangezogen werden. Geht es nicht um die Änderung eines Titels, sondern um die Erstfestsetzung des Unterhalts im Rahmen eines Leistungsantrags, ist eine geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung ebenfalls rückwirkend anzuwenden. Bei Ihnen handelt es sich um eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, die Verrentung der geschiedenen Ehefrau auf der einen Seite und die Altersteilzeit bei Ihnen. Die oben genannten materiellen Voraussetzungen liegen daher vor. Die Abänderungsentscheidung ermöglicht nur eine unter Wahrung der Grundlagen des abzuändernden Titels vorzunehmende Anpassung des Unterhalts an die veränderten Verhältnisse. Der Gesetzgeber hat dies mit der Neufassung des § 238 Abs. 4 FamFG auch deutlich zum Ausdruck gebracht, in dem er von einer Anpassung unter Wahrung der Grundlagen spricht. Es besteht eine Bindungswirkung an die unverändert gebliebenen Tatsachen. Dies gilt auch, wenn die frühere Tatsachenfeststellung falsch war. Das Abänderungsverfahren dient nur zur Korrektur von Prognoseentscheidungen, nicht zur Behebung von Fehlern der Erstentscheidung, es ist keine »Superrevision«. Es eröffnet damit keine Möglichkeit zur neuerlichen Wertung des alten Sachverhalts. Die Bindungswirkung gilt insbesondere für die Ermittlung der Einkommensverhältnisse, die Einbeziehung fiktiver Einkünfte, die Nichtberücksichtigung von Einkommensarten (z.B. Kapitalzinsen, Wohnwert), die Bildung des bereinigten Nettoeinkommens, Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit des Bedürftigen oder Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichtiger oder -berechtigter. Wurde in einem früheren Urteil eine nach der Scheidung vom Bedürftigen aufgenommene Erwerbstätigkeit unbeanstandet akzeptiert, obwohl sie gegenüber der erlernten Tätigkeit geringer qualifiziert ist und deshalb zu einem geringeren Einkommen führt (hier: Verkäuferin statt Erzieherin), besteht eine Bindungswirkung im Abänderungsverfahren, dass trotz § 1574 Abs. 2 BGB nur dieser Beruf ausgeübt werden muss. Wurde der Unterhalt allein nach dem konkreten Bedarf und nicht nach einer Quote ermittelt, kann ein Abänderungsantrag nicht auf eine Erhöhung der Einkünfte des Verpflichteten gestützt werden. Durch die Bindungswirkung an die Bedarfsermittlung hat eine verbesserte Leistungsfähigkeit keinen Einfluss auf die Unterhaltshöhe. Es sollte daher das damalige Urteil insgesamt zur Überprüfung gestellt werden. Eine Prognose, wieviel Sie Unterhalt zu bezahlen haben, kann erst nach vollständiger Überprüfung gestellt werden. Außerdem fragen Sie nach der Verpflichtung, ob die geschiedene Frau die Anlage N mit unterschreiben muss. Alle Personen, die im Steuerjahr eine nichtselbständige Arbeit ausgeübt haben, durch die ein Arbeitslohn erzielt wurde, der einem Lohnsteuerabzug unterlag, müssen die Anlage N mit der Steuererklärung abgeben. In der Regel gilt diese Pflicht also für jeden sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Handelt es sich um ein gemeinsam veranlagtes Ehepaar, bei dem beide Gatten eine entsprechende nichtselbständige Arbeit ausgeübt haben, so müssen diese zwei Mal die Anlage N mit der Steuererklärung einreichen. Ebenfalls abzugeben ist die Anlage N für eine Nebenbeschäftigung oder einen Minijob, die jeweils den genannten Kriterien unterliegen. Für Unterhaltszahlungen gibt es aber die Anlage U. Hierfür besteht die Verpflichtung, diese zu unterschreiben. Der Unterhaltsschuldner wird infolge des Sonderausgabenabzugs steuerlich entlastet. Aus diesem Grund hat der Unterhaltsgläubiger grundsätzlich dem begrenzten Realsplitting zustimmen (unterhaltsrechtliche Nebenpflicht i.S.d. §§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. 242 BGB). Diese Verpflichtung ist Ausfluss des zwischen den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten bestehenden Unterhaltsverhältnisses, wonach einerseits die finanziellen Lasten des anderen Ehegatten zu mindern und andererseits die eigenen Interessen zu beachten sind. Die Verpflichtung besteht Zug um Zug gegen die Zusicherung des Nachteilsausgleichs. Dem Unterhaltsschuldner sind alle steuerrechtlichen, sozialrechtlichen und sonstigen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen. Diese Grundsätze gelten ebenso, wenn Unterhaltszahlungen an den jeweiligen Träger der Sozialhilfe erfolgen oder wenn die Finanzbehörde zur Durchführung des begrenzten Realsplittings die Vorlage einer vom Unterhaltsempfänger persönlich unterzeichneten Erklärung fordert. Die Zustimmungspflicht betrifft eine familienrechtliche Frage im Innenverhältnis der Beteiligten. Das Finanzamt muss daher nicht prüfen, ob die Verweigerung oder Unterlassung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich ist. Die Zustimmung darf nicht von der Zusage einer unmittelbaren Beteiligung an der Steuerersparnis abhängig gemacht werden. Die Steuerentlastung wirkt sich häufig bereits bei der Neubemessung des Unterhalts aus. Praktische Vorschläge im Zusammenhang mit der Zustimmung: Verwendung einer individuellen Zustimmungserklärung anstatt der Anlage U. Im Zweifel Abgabe der Zustimmungserklärung Jahr für Jahr. Das kann für beide Beteiligten sinnvoll sein. Einschränkung der Erklärung dahin gehend, dass eine reine Zustimmungserklärung abgegeben wird, mit der eine Erklärung über die Höhe des tatsächlich geleisteten Ehegattenunterhaltes nicht verbunden ist. Unabhängig von der Zustimmungspflicht können sich Mitwirkungspflichten des Unterhaltsberechtigten ergeben, z.B. auf Überlassung von Vertragskopien oder Erteilung einer Quittung über bezahlten Ehegattenunterhalt (Treu und Glauben). Bemerken der Unterhaltsberechtigte oder sein Anwalt, dass sich aus dem Realsplitting mehr als nur steuerliche Nachteile ergeben – z.B. Nachteile im Bereich der Krankenversicherung oder des Erziehungsgeldes – sollte ein früher Hinweis an den Unterhaltspflichtigen gehen. Dieser kann dann rechtzeitig die steuerliche Gestaltung prüfen lassen bevor bindende Erklärungen an das Finanzamt gehen. Erhöhen sich die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, muss Hinweis gegeben werden, selbst wenn der Unterhalt pauschaliert wird und vom Einkommen abgekoppelt ist.
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