Arbeitgeber verweigert Tariferhöhung: Was tun?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Mein Anstellungsvertrag wurde seinerzeit mit dem Hinweis abgeschlossen, dass der regional geltende Mantel- und Gehaltstarifvertrag in jeweiliger Fassung Bestandteil sind.

Grundgehalt war das jeweilige Tarifgehalt, alle darüber hinausgehenden Gehaltsteile sind auf spätere Tariferhöhungen anrechenbare Zulagen.

Im Einzelnen sind das laut Gehaltsmitteilung eine freiwillige, jederzeit widerrufbare Zulage und eine Überstundenpauschale für eine festgelegte Anzahl Überstunden monatlich. Außerdem ein Essensgeldzuschuss sowie nach einer gewissen Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Treueprämie und eine Summe für die Kontoführung.

Die freiwillige Zulage wurde im Laufe der Zeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten mehrmals im Zuge von Erhöhungen des Tarifgehalts um die gleiche Summe reduziert.

In der letzten Gehaltsmitteilung dieses Arbeitgebers (vor Veräußerung) wurden Tarifgehalt, Zulage, Überstundenpauschale und Essengehalt zu "Gehalt" zusammengefasst, Treueprämie und Kontoführung separat ausgewiesen.

Bei Veräußerung des Unternehmens hat der Käufer zugesichert, dass die derzeit geltenden Tarifverträge akzeptiert und eingehalten werden. Nach dem Betriebsübergang würde sich nichts ändern - obwohl die Firma nicht im Arbeitgeberverband ist.

In den folgenden 2 Jahren erhielt ich trotz Tariferhöhungen keine Gehaltserhöhung, es gab auch keinerlei Informationen bezüglich einer Anrechnung der freiwilligen Zulage auf die Tariferhöhung - so wie vom alten Arbeitgeber.

Nach 2,5 Jahren wurden die bisher separat ausgewiesene Treueprämie sowie die Kontoführung nicht mehr ausgewiesen, sondern das Gehalt besteht seitdem nur aus einer einzigen Zahl. Im Zuge dessen gab es eine tarifliche Erhöhung.

Im Laufe der weiteren Zeit wurden tarifliche Erhöhungen in nahezu voller Höhe auf das jeweilige Gehalt aufgeschlagen.

Kürzlich wurde eine weitere Tariferhöhung verweigert, da mein Arbeitgeber der Meinung sei, ich würde mehr bekommen, als das Tarifgehalt meiner Tariferhöhung.

Er berücksichtigt dabei jedoch nicht, dass in meiner Gehaltszahlung eine Treueprämie, eine Überstundenpauschale, eine Kontoführungsgebühr und eigentlich eine freiwillige Zulage enthalten ist. Er stellt nur das aktuelle Tarifgehalt meine Gehaltssumme gegenüber.

Zu beachten ist dabei auch, dass gem. Gehaltstarifvertrag bei Vereinbarung eines höheren Gehalts als das Tarifgehalt die einzelvertraglichen Gehaltsteile, die bis zu 5% über dem Tarif liegen, wie Tarifgehalt behandelt werden.

Mir stellen sich nun folgende Fragen

  • Darf mein Arbeitgeber, der fast allen anderen Mitarbeitern die Tariferhöhung gewährt hat, mir diese unkommentiert verweigern? Ohne Angabe eines Sachgrunds, geschweige denn, ohne mir das überhaupt mitzuteilen.
  • Wenn eine Angleichung an das Tarifgehalt stattfinden darf, welche bisherigen Bestandteile meines Gehalts darf er dazu überhaupt reduzieren? Der alte Arbeitgeber hatte mehrmals die freiwillige, jederzeit widerrufliche Zulage reduziert - sonst nichts.
  • Oder zählen auch Überstundenpauschale und Essengeld, die im "Gehalt" enthalten waren, dazu??
  • Oder dürfen sogar Treueprämie und Kontoführung einbezogen werden?

Ich hoffe, es ist mir gelungen, den Sachverhalt verständlich darzustellen.

Antwort des Anwalts

Ihr Fall ist juristisch sehr verzwickt. Im Rahmen einer Erstberatung und ohne weitere Kenntnisse des Sachverhalts schätze ich die Rechtslage wie folgt ein:

Prinzipiell sind Anrechnungen der Tariflohnerhöhungen auf Ihr Gehalt möglich. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 23. September 2009 5 AZR 973/08 seine Rechtsprechung zur Anrechenbarkeit von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen bestätigt. Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht.

Bei Ihnen wurde keine Abrede getroffen, so dass man aus den Umständen ermitteln muß, was gewollt war. Da hier ein Betriebsübergang vorliegt wäre in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, wie die Verhältnisse zuvor waren. Wenn ich Ihre Sachverhaltsschilderung richtig verstehe, hat auch Ihr alter Arbeitgeber Reduzierungen vorgenommen und die Tariflohnerhöhung voll angerechnet. Wenn dem so ist, so darf der neue Arbeitgeber dies auch in vollem Umfang tun.

Ob Sie allerdings mehr bekommen als Ihnen tariflich zusteht, kann ich nicht beurteilen. Dies müssten Sie selbst überprüfen.

Aber es gilt für Sie weiter folgendes: Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbstständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden. Wenn die Treueprämie und die Kontoführung also selbstständige Gehaltsbestandteile laut Arbeitsvertrag sind, dürfen diese nicht einbezogen werden. Hierzu überprüfen Sie bitte Ihren Arbeitsvertrag. Das gleiche gilt für Überstundenpauschale und Essensgeld. Auch hier kommt es auf die Formulierung im Arbeitsvertrag an.
Sollte Ihr Arbeitgeber bei Mitarbeitern mit gleichen Verträgen wie Sie ihn haben die Tariferhöhung geben und Ihnen nicht, würde er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, denn alle Mitarbeiter mit gleichen Voraussetzungen sind gleich zu behandeln. Auch in diesem Fall müsste er Ihnen die Tariferhöhung bezahlen. Die Verträge müssen nicht wortgleich sein, sich aber was Zulagen angeht ähneln.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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