Nachträglich auf Erbe verzichten

Online-Rechtsberatung
Stand: 25.09.2013
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Letzte Woche erhielt ich eine Zahlungsaufforderung der Anwälte der Stadtwerke Weimar über eine Forderung gegenüber meiner verstorbenen Mutter.

Vor einigen Jahren habe ich auf Drängen meines Stiefvaters eine Erbenverzichtserklärung unterschrieben, für die ich leider keine Kopie mehr habe.

Meine Mutter starb vor zwei Jahren und ich habe nie ein Erbe angetreten noch war ich bei einer Testamentsvollstreckung zugegeben, weil ich davon ausgegangen bin, dass mein Stiefvater von meiner Erbenverzichtserklärung Gebrauch gemacht hat. Bei meinem Stiefvater, der m. E. Alleinerbe ist, ist nichts zu holen, da er hoch verschuldet ist. Meine Mutter hatte ebenfalls nur Schulden.

Neben der konkreten Forderung der Stadtwerke Weimar habe ich die Befürchtung, dass nun eine Welle von Forderungen in existenzbedrohlichem Ausmaß auf mich zukommt.

Wie kann ich mich wehren?

Antwort des Anwalts

Ihre Frage beantworte ich wie folgt, die meisten zitierten Paragrafen finden Sie der Übersichtlichkeit halber unten im Wortlaut wiedergegeben. Wir haben es fast mit einer kleinen Musterklausur im Familienrecht zu tun:

Sie haften für das Erbe und damit für Nachlassverbindlichkeiten, sofern Sie wirksam Erbe geworden sind (§ 1942 BGB *1) – Universalsukzession, und das Erbe nicht wirksam ausgeschlagen oder darauf verzichtet haben.

Ferner müssen die gegenüber Ihnen geltend gemachten Forderungen wirksam zugunsten der Gläubiger Ihrer Mutter entstanden sein bzw. gegebenenfalls tituliert, zum Erbe gehören und und insbesondere die Einrede der Verjährung darf nicht bestehen (muss eventuell noch gegenüber den Gläubigern eingewendet werden!).

Erbverzicht?

  • Der Erbverzicht bedarf nach § 2346 BGB der notariellen Form und scheidet hier nach Ihren Angaben aus.

Erbe?

Als Sohn und (alleiniges?) Kind Ihrer verstorbenen Mutter sind sie automatisch normalerweise neben dem mit Ihrer Mutter (verheirateten?) Stiefvater mindestens pflichtteilsberechtigt in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Der Ehegatte tritt als Erbe seiner Ehefrau automatisch die Vermögensnachfolge an (§ 1931 BGB), ohne dass es auf den Güterstand ankäme.

Die einzige Voraussetzung: Der Erblasser hat bis zuletzt in gültiger Ehe gelebt.

Der Ehegatte erhält neben Erben erster Ordnung (= Kinder) ein Viertel, § 1931. Als Ausgleich für das Ende der Ehe erhält der Ehegatte zusätzlich einen familienrechtlichen Anteil (§ 1371 BGB). Also insgesamt erhält normalerweise der Ehegatte die Hälfte der Erbschaft, und Sie als einziges Kind die andere Hälfte, sofern keine weiteren Erben vorhanden sind.

Ergebnis: Sie sind ohne Zweifel erst einmal Erbe Ihrer Mutter geworden.

Ausschlagung?

Fraglich ist, ob Sie das Erbe wirksam ausgeschlagen haben oder dies noch wirksam können.

Für die Ausschlagung gelten §§ 1944, 1945 BGB (*2) siehe unten).

Nach Ihren Angaben ist die danach vorgesehene sehr kurze Ausschlagungsfrist von 6 Wochen nach Kenntnis von dem Erbfall eigentlich längst verstrichen.

Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist?

Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann jedoch so wie die Annahme angefochten werden, § 1956 BGB.

Analog (entsprechend) anwendbar sind hier die §§ 119, 120, 123 BGB, also wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung.

Es gelten dabei im Rahmen der Anfechtung dabei die jeweils vorgesehenen Fristen.

Der Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses ist dabei ein relevanter Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB (Bayerisches OLG in FamRZ 97, 1174).

Zitat:

„Die in der Fristversäumung liegende Annahme kann also nicht nur bei wissentlicher Unterlassung der Ausschlagung angefochten werden, wenn der als Erbe berufene in Wirklichkeit das Erbe nicht hat annehmen wollen, sondern die Frist nur versäumt hat, weil er über ihr Bestehen, ihren Lauf oder die Rechtsfolgen ihres Ablaufs in Unkenntnis gewesen ist, oder geglaubt hat, bereits wirksam ausgeschlagen zu haben, oder wenn er meinte, sein Schweigen habe die Bedeutung einer Ausschlagung; wenn er deren Formbedürftigkeit nicht kannte“ Palandt, Kommentar zum BGB, 71. Aufl. 2012 § 1956 Rz. 2.

Soweit zum Thema Ausschlagung.

Einrede der Verjährung

Weiterhin überprüfen sollten Sie vorsichtshalber, ob die geltend gemachten Forderungen nicht verjährt sind. Wenn die Forderungen noch nicht tituliert sind, dann beträgt die Regelverjährung nach § 195 BGB drei Jahre, vgl. aber im Einzelnen die Abstufungen der §§ 195 ff. BGB.

Die Einrede der Verjährung heißt nicht umsonst Einrede und sollte gegebenenfalls immer vorsichtshalber sofort gegenüber den Anspruchsgegnern schriftlich erhoben gemacht werden. Möglich ist das prozessual aber noch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung eines Zivilprozesses.

Problem Gesamthand

Der Vollständigkeit halber soll auf ein Problemchen hingewiesen werden, das Ihre Anspruchsgegner haben: Als nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft (wenn auch Ihr Stiefvater die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat) haftet zunächst einmal nur die Erbengemeinschaft als Gesamthand, § 2059 Abs. 2 BGB, nach § 2958 BGB wäre die Klage also gegen beide Miterben zu richten, erst nach einer Auseinandersetzung haften die Gesamthandsschuldner individuell.

Im Innenverhältnis, gegenüber dem Stiefvater, hätten Sie selbst im Falle einer Verurteilung und anschließenden alleinigen Inanspruchnahme immer noch möglicherweise im Innenverhältnis noch einen Ausgleichsanspruch. Eine Streitverkündung gegenüber dem Stiefvater (Einzelheiten dazu in §§ 72 ff. ZPO) bei einer gegen Sie alleine erhobenen Klage könnte da von Vorteil sein.

Zusammenfassung

Zu raten ist Ihnen folgendes: Da die Erbschaft ja mit keinem Vermögen verbunden ist, sollten Sie unverzüglich, also möglichst noch heute, gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht (normalerweise das Amtsgericht am letzten Wohnsitz der Erblasserin, § 343 FamFG) die Erbschaft

ausschlagen.

Das erfolgt durch einfache Erklärung, vorab per Fax, an das zuständige Nachlassgericht. Wichtig: es hilft nichts, und ist eher schädlich für Sie, diese Erklärung den Gläubigern gegenüber abzugeben.

Sie müssen zugleich die

Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist

erklären.

Dazu können, müssen Sie aber nicht, die von Ihnen bereits angegebenen entsprechenden Begründungen über Ihre Irrtümer hinzufügen, eventuell auch glaubhaft machen / Beweis anbieten dafür durch eine entsprechende Versicherung an Eides statt.

Sofern die Forderungen noch nicht tituliert sind, sollte die Einrede der Verjährung gegenüber den jeweiligen Gläubigern erhoben werden.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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