Zählt ein Darlehen als Einkommen?

Online-Rechtsberatung
Stand: 19.09.2013
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Mit meinem Bruder der bereits seit einigen Jahren arbeitslos ist und zudem einiges an Schulden angehäuft hat, habe ich einen Vertrag über ein zinsloses Darlehen abgeschlossen, welches noch bis Ende des Jahres läuft, danach müsste er nach derzeitigem Stand mit der Rückzahlung beginnen.

Meiner Kenntnis nach darf ein solches Darlehen, welches in monatlichen Beträgen von 50€ an ihn ausbezahlt wird, nicht als Einkommen angerechnet werden, da dies seine wirtschaftliche Situation nicht bessert - schließlich muss er das Geld ja zurückzahlen.
Im Darlehensvertrag steht außerdem, dass mein Bruder dieses Geld teilweise zur Rückerstattung von Ratenschulden nutzen muss, ein entsprechender Dauerauftrag in Höhe von 20€ geht monatlich von seinem Konto ab.

Jetzt verlangt das zuständige Amt eine Stellungnahme zum Verwendungszweck der übrigen 30€, da diese sonst als Einkommen angerechnet werden würden.
Warum? Das Darlehen ist nicht 100% zweckgebunden und ab dem 01.01.2013 muss mein Bruder mir das Darlehen mit 20€ monatlich zurückzahlen, am ende der Rückzahlung hat er das Darlehen doch komplett zurückerstattet und somit kein Einkommen?

Antwort des Anwalts

Es war einige Jahre lang in der Rechtsprechung der Sozialgerichte umstritten, wie Darlehen zu behandeln sind. In der Tat gab es einige Gerichte, die die Anrechenbarkeit als Einkommen von der Frage abhängig gemacht haben, zu welchem Zweck das Darlehen gewährt wurde.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch (BSG Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R) ist jedoch entscheidend, dass eine zivilrechtlich wirksame Darlehensabrede vorliegt, also insbesondere auch die Rückzahlungsverpflichtung ernsthaft festgelegt ist.
Das BSG führt insoweit aus:
„Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten. Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden.“
Maßgeblich ist also hier der sogenannte Fremdvergleich. Hält das geschlossene Darlehen diesem Vergleich stand, ist es auch als solches zu berücksichtigen.
Hierzu führt das BSG weiter aus:
„Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann damit als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat. Ein solches gesondertes, neben die zivilrechtlichen Anforderungen tretendes Erfordernis (als weitere Tatbestandsvoraussetzung) ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus oder in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen. Vielmehr würden die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung bei Darlehensgewährung, der im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur auf bestimmte Fallgruppen angewendet wird, weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht.“
Wenn Sie also eine schriftliche Darlehensabrede getroffen haben, ist dies ein Indiz dafür, dass auch tatsächlich eine vertragliche Abrede gewollt ist. Das ist aber nicht zwingend. Aus eigener Praxis (allerdings im Bereich des Bafög-Rechts) kann ich berichten, dass die Gerichte (in dem Fall das Verwaltungsgericht) auch mündliche Darlehen akzeptieren.
Auch die Benennung eines Zwecks ist nicht zwingend erforderlich, da auch im privaten Bereich zweckungebundene Darlehen an der Tagesordnung sind.

Unter Hinweis auf die vorbenannte Rechtsprechung des BSG würde ich daher dem Jobcenter Mitteilen, dass es auf die Verwendung des Darlehens nicht ankommt, sondern vielmehr entscheidend ist, dass hier eine wirksame Darlehensabrede mit wirksamer Rückzahlungsverpflichtung vorliegt.
Sollte dennoch ein negativer Bescheid ergehen, rate ich dringend zu einem Widerspruch dagegen und ggf. auch zu einer Klage vor dem Sozialgericht.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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