Kann der Nachbar einen Baustopp herbeiführen?

Online-Rechtsberatung
Stand: 29.06.2012
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Wir haben seit 32 Jahren ein Nebenglass auf der Grenze zum Nachbarn, wir sind aber erst 20 Jahre Eigentümer, so dass die Abmachungen mit dem Vorbesitzer aus gehandelt wurden. Wir müssen nun nach den Jahren das Dach decken und es ragt etwas zum Nachbarn. Er macht etwas Stress. Wir sollen es kürzen. Das haben die Dachdecker auch versucht. Er drohte uns wegen Baustopp. Ich möchte gern wissen, ob es Bestandsschutz gibt nach den vielen Jahren?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

unter Beachtung der nachstehend aufgeführten Kriterien brauchen Sie einen durch den Nachbarn beantragten Baustopp nicht zu fürchten und können die Renovierung des Daches fertig stellen.

Grundsätzlich ist es allerdings zunächst so, dass der Eigentümer nach § 903 BGB mit seinem Grundstück im Rahmen der Gesetze nach Belieben verfahren und Dritte von jeder Auswirkung auf sein Eigentum ausschließen kann. Das bedeutet, dass eine Überbauung seines Grundstückes z.B. durch ein überhängendes Dach ohne Zustimmung des Nachbarn nicht zulässig ist und vom Nachbarn eine Beseitigung verlangt werden kann.

Dieses Recht wird aber durch den § 912 BGB insofern eingeschränkt, dass der Nachbar den Überbau dulden muss, wenn bei Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut wurde ohne dass dem Bauherrn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Gleiches gilt natürlich erst recht, wenn der damalige Eigentümer die Grenz(über)bauung genehmigt hat.

Das hat zunächst zur Folge, dass der Nachbar das bestehende Gebäude dulden muss. Es führt aber in der Konsequenz dazu, dass er auch Renovierungen an dem Gebäude zu dulden hat. Zwar kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH Urteil vom 19.9.2008; Az.: V ZR 152/07)§ 912 BGB bei Renovierungen nicht unmittelbar zur Anwendung (das Gesetz spricht von "Errichtung") wohl aber der daraus abgeleitete Rechtsgedanke. Danach soll der Nachbar nicht mit der Beseitigung des gesamten Gebäudes belastet werden, wenn dieses unverhältnismäßig ist zum tatsächlichen Überbau.

Daraus ergibt sich für den Bauherrn aber die Pflicht im Rahmen der Renovierung alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um das Grundstück des Nachbarn so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen. Sie müssen daher bei der Neueindeckung des Daches versuchen, das neue Dach so weit zurückzunehmen wie dieses ohne unzumutbaren Aufwand möglich ist. Der Grad der Zumutbarkeit richtet sich dabei auch nach der tatsächlichen Belästigung des Nachbarn durch den Überbau.

Dieser Verpflichtung kommen Sie nach, wenn die Dachdecker das Dach so weit wie möglich einkürzen. Unter dieser Prämisse muss der Nachbar dann auch den erneuten Überbau dulden. Ein Antrag auf Baustopp beim zuständigen Gericht wäre ohne Aussicht auf Erfolg.

Ich weise Sie aber rein vorsorglich auch auf die Regelung des § 912 Abs.2 BGB hin. Danach hat der Bauherr den Nachbarn für die Inanspruchnahme eines Grundstückes durch Zahlung einer Geldrente zu entschädigen. Alternativ kann auch eine einmalige Zahlung vereinbart werden. Hierbei handelt es sich bei einer nur geringfügigen Überbauung des Grundstücks allerdings eher um eine Bagatellsumme, die der Nachbar allerdings fordern kann. Umgekehrt könnte natürlich für die Zukunft die Angelegenheit geklärt werden, wenn Sie Ihrem Nachbarn gegen schriftliche Genehmigung des Überbaus eine überschaubare Zahlung anbieten.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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