Berücksichtigung eines Nießbrauchsrechts beim Bafög

Online-Rechtsberatung
Stand: 18.06.2012
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich studiere an der TU Darmstadt im 6. Semester. Im Mai beantragte ich erstmals Bafög, da ich es bis dahin nicht benötigte. Mein Vater überschrieb mir kurz vor Antritt des Studiums ein Haus. Ich habe allerdings keinerlei Rechte an dem Haus bis zu dem Tod meines Vaters und dessen Ehefrau.
Der Antrag wurde abgelehnt, da ein Nießbrauchsrecht anteilig berücksichtigt wurde und deswegen der Freibetrag überschritten wird. Ich habe allerdings kein Nießbrauchsrecht. Auch der Widerspruch mit Hinweiß auf das nichtvorhandene Nießbrauchsrecht wurde abgelehnt. Eine Kopie des Übergabevertrags der Immobilie übermittelte ich der Bafögstelle. Die Frage, die sich daraus für mich ergibt, ist, warum mir kein Bafög zustehen sollte, obwohl ich keinerlei Nutzen aus dem Haus ziehen kann  Ist die Bearbeitung des Studentenwerks Darmstadt rechtens?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrter Mandant,

die Überlassung der Immobilie war für Sie mit der Gegenleistung verbunden, daß Sie Ihrem Vater und dessen Ehefrau bis zu deren Lebensende den Nießbrauch bzw. ein Wohnrecht eingeräumt haben. Somit haben Sie - wie Sie richtig schreiben - derzeit gar keine Möglichkeit, die Immobilie zu verwerten bzw. hieraus Einnahmen durch Vermietung zu erzielen.
Dennoch wird da Haus zunächst einmal als Ihr Vermögen angesehen. Dies leitet sich aus § 27 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) ab. Hiernach gelten als Vermögen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, folglich auch die Immobilie, deren Eigentümer Sie aufgrund des Überlassungsvertrages geworden sind. Nach § 28 BAFöG sind vom Vermögen bestehende Schulden und Lasten abzuziehen, folglich auch das Ihrem Vater und seiner Ehefrau gewährte Recht an der Immobilie. Dieses wird nach folgendem Verfahren in Geld beziffert: Zum Übergabezeitpunkt wird die restliche Lebenserwartung Ihres Vaters und seiner Ehefrau anhand statistischer Werte ermittelt und vom Statistischen Bundesamt als sogenannte Sterbetafel herausgegeben. Die höhere restliche Lebenserwartung (je nach Geschlecht und derzeitigem Lebensalter) wird mit einem monatlichen Betrag, der sich nach dem Nutzwert des Objekts, meist der Kaltmiete, ermittelt, multipliziert. So erhält man einen kapitalisierten Wert der Belastung.

Beispiel: Ihr Vater war bei Übertragung 65 Jahre alt, dessen Ehefrau 60. War die Übertragung im Jahre 2007, so hatte Ihr Vater zu dieser Zeit eine restliche Lebenserwartung von 16,93 Jahren, seine Frau von 24,61 Jahren. Sie sind also statistisch gesehen noch 24,61 Jahre mit dem Nießbrauch belastet. Nehmen wir an, die monatliche Kaltmiete liegt bei 600,00 €, so ergibt sich folgende Rechnung:
600,00 € x 12 Monate x 24,61 Jahre = 177.192 €. Dies ist die Höhe der Belastung, die vom Wert des Objektes abzuziehen wäre. Ist die Immobilie beispielsweise 200.000,00 € wert, so liegt das von Ihnen erworbene Vermögen bei 22.808,00 €, obwohl Sie dies gar nicht realisieren können. Damit ist Ihr Freibetrag nach § 29 Abs. 1 BAFöG in Höhe von 5.200,00 € (zzgl. evtl. 1.800,00 € für Ehefrau und weitere 1.800,00 € je Kind) immer noch weit überschritten.

Diese Berechnung ist nun rein fiktiv, zeigt aber hoffentlich verständlich die zugrundeliegende Rechtslage. Sie können mit den tatsächlichen Werten (Verkehrswert der Immobilie, Alter der Berechtigten, Wert der Nutzung), die sich aus dem Überlassungsvertrag ergeben, eine konkrete Berechnung anstellen.
Nicht nachvollziehbar ist für mich, warum Ihnen die BAFöG-Stelle nicht diese von Ihr nach § 203 Bewertungsgesetz anzustellende Berechnung plausibel gemacht hat.
Ich gehe davon aus, daß diese Kapitalisierung der Belastung ein über die Ihnen zustehenden Freibeträge hinausgehendes Vermögen ergeben, so daß Ihr Antrag negativ beschieden wurde. Daß sich dieses zur Zeit bei Ihnen nicht realisieren läßt, ist aufgrund der herrschenden Gesetzeslage hinzunehmen. Ich bedaure, Ihnen keine positivere Auskunft geben zu können, hoffe aber, zumindest die Rechtslage verständlich erläutert zu haben.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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