Alleiniges Sorgerecht beantragen: So funktioniert es

Trennt sich ein Elternpaar, ist der Streit mit der Scheidung oft nicht vorbei. Denn über das Kind können und müssen Eltern trotzdem gemeinsam entscheiden. Auf welche Schule geht das Kind? Darf es an der Klassenfahrt teilnehmen? Ist die Mandeloperation wirklich notwendig? Solche Entscheidungen können sehr schwer werden, wenn die Eltern sich nicht mehr verstehen. Darum beantragen viele das alleinige Sorgerecht, um künftig allein entscheiden zu können. Aber welche Voraussetzungen müssen vorliegen, um das alleinige Sorgerecht zu erhalten?

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Das Wichtigste auf einen Blick: Wie bekomme ich das alleinige Sorgerecht?

Das Sorgerecht nach einer Scheidung: Rechtlicher Hintergrund

Das Sorgerecht bezeichnet das Recht der Eltern, für das leibliche Wohlergehen ihrer Kinder zu sorgen und unter anderem finanzielle Entscheidungen für sie zu treffen.

Verheiratete Eltern haben immer das gemeinsame Sorgerecht inne. Lassen Sie sich scheiden, ändert sich daran erstmal nichts. Wünschen Sie sich nach einer Trennung oder Scheidung das alleinige Sorgerecht, müssen Sie sich an das zuständige Familiengericht wenden. Denn nur das Familiengericht kann die elterliche Sorge explizit auf ein Elternteil übertragen beziehungsweise dem anderen Elternteil das Sorgerecht entziehen. Geregelt ist das in § 1671 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Hier heißt es: „Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.“

Sorgerecht entziehen und alleiniges Sorgerecht bekommen

Stimmen beide Eltern zu, dass das Sorgerecht einem einzigen Elternteil übertragen wird, müssen keine gesonderten Bedingungen vorliegen. Anders sieht es jedoch aus, wenn Sie sich mit Ihrem Ex-Partner oder Ihrer Ex-Partnerin nicht einig werden: Einem Elternteil kann nur in Ausnahmesituationen das Sorgerecht gegen seinen Willen entzogen werden. Eine solche Ausnahmesituation besteht zum Beispiel dann, wenn eine erhebliche Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls vorliegt.

Gründe für den Entzug des Sorgerechts und Übertragung des alleinigen Sorgerechts können gemäß § 1671 BGB unter anderem sein:

  • Missachtung der Schulpflicht
  • Alkohol- oder Drogensucht
  • Vernachlässigung
  • Gesundheitsgefährdung: z.B. Verweigerung dringend notwendiger medizinischer Maßnahmen
  • Vermögensgefährdung: z.B. Verletzung der Unterhaltspflicht oder Veruntreuung der Spareinlagen
  • Schwere Erziehungsfehler: z.B. Vermittlung von radikalem (religiösem oder nationalsozialistischem) Gedankengut
  • Misshandlung

Achtung: Selbst wenn Sie sich mit Ihrem Partner darüber einig sind, dass das Sorgerecht auf einen allein übertragen wird, kann es in einigen Situationen sein, dass das Familiengericht den Antrag ablehnt. Ein solcher Ausnahmefall liegt nach § 1671 Abs. 1 BGB dann vor, wenn das Kind mindestens 14 Jahre alt ist und einer solchen Übertragung widerspricht oder das Familiengericht in der Übertragung eine Kindeswohlgefährdung sieht (zum Beispiel, weil sich derjenige, der das alleinige Sorgerecht erhalten soll, aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht allein um das Kind kümmern könnte).

Auch spielen Aspekte der Kontinuität, Förderung und sozialen Bindung bei der gerichtlichen Abwägung eine Rolle. Vorausgesetzt wird demnach, dass das Kind durch eine Übertragung des Sorgerechts nicht aus seiner gewohnten Umgebung gerissen sowie bestmöglich gefördert wird und finanziell abgesichert ist.

Alleiniges Sorgerecht beantragen

Das alleinige Sorgerecht können Sie beim Familiengericht beantragen. Sind Sie sich mit Ihrem Partner darüber einig, dass Sie das alleinige Sorgerecht erhalten sollen und verzichtet er freiwillig auf sein Sorgerecht, reicht ein formloser Antrag. Bei den meisten Familiengerichten finden Sie online vorgefertigte Formulare, die Sie einfach nur ausfüllen und abgeben müssen.
Schwieriger wird es, wenn Ihr Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin der Übertragung des Sorgerechts nicht zustimmt. In diesem Fall müssen Sie ausführlich beschreiben, warum das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl entgegensteht und müssen dies im Zweifelsfall auch beweisen.

Der eingereichte Antrag wird dann vom Familiengericht geprüft. Ist das Kind alt genug, um sich selbst ausdrücken zu können, fließt häufig auch dessen eigener Wunsch in die Entscheidung mit ein. Ist es älter als 14 Jahre, ist die Anhörung des Kindes sogar vorgeschrieben (§ 159 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamG).Kommt das Gericht schließlich zu dem Schluss, dass die Entziehung des Sorgerechts gerechtfertigt, notwendig und dem Kindeswohl zuträglich ist, findet eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den antragstellenden Elternteil statt.

Tatsächlich kommt es allerdings selten zu einem völligen Ausschluss vom Sorgerecht. In § 1666 BGB heißt es zwar: „Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.“ Solche Maßnahmen münden aber nicht sofort in den radikalen Sorgerechtsausschluss, sondern sind häufiger Kompromisslösungen und Mittelwege. Zum Beispiel könnte die Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch genommen oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil übertragen werden, während das gemeinsame Sorgerecht bestehen bleibt. Die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.

Wer kann das alleinige Sorgerecht beantragen?

Mütter erhalten das Sorgerecht zwar automatisch mit der Geburt des Kindes, können aber ebenso wie Väter auf das Sorgerecht verzichten. Insofern ist es für Väter ebenso möglich, das alleinige Sorgerecht zu erhalten. Ist es dem Kindeswohl zuträglich, kann auch der Mutter das Sorgerecht entzogen und auf den Vater allein übertragen werden.

Wird das Jugendamt auf Kindeswohlgefährdung aufmerksam gemacht, kann es auch einen Antrag beim Familiengericht stellen, sodass einem Elternteil das Sorgerecht entzogen wird.

Gut zu wissen:

Sind die Eltern eines Kindes nicht verheiratet, haben es Väter heutzutage leichter, gemeinsames Sorgerecht zu erhalten. Bis 2013 war es Vätern nicht möglich, das Sorgerecht zu bekommen, wenn die Mutter des Kindes dem widersprochen hat. Mittlerweile kann der Vater aber die sogenannte Mitsorge vor dem Familiengericht beantragen. Die Mutter hat dann 6 Wochen Zeit darzulegen, warum ein gemeinsames Sorgerecht dem Wohl des Kindes schaden würde. Die Gründe dafür müssen stichhaltig sein. So reicht es nicht aus, einfach nur aus Bequemlichkeit das alleinige Sorgerecht behalten zu wollen oder dadurch den Einfluss des Vaters zu minimieren.

Alleiniges Sorgerecht und Umgangsrecht

Überträgt das Familienrecht das alleinige Sorgerecht an einen Elternteil, bleibt das Umgangsrecht des anderen davon in der Regel unberührt. Das Umgangsrecht beschreibt nach § 1684 BGB die gemeinsame Zeit, die ein Kind mit seinen Elternteilen verbringt. Das bedeutet: Tragen Sie als Mutter alleine die elterliche Sorge, hat der Vater dennoch das Recht auf Umgang und Kontakt mit dem Kind. Einfach verweigern dürfen Sie ihm das nicht. Den Umgang einschränken kann nur das Familiengericht. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Auch hier ist das Kindeswohl der wichtigste Faktor für Entscheidungen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Ratgeber: Umgangsvereitelung: Wenn ein Elternteil den Umgang verweigert

Auch die Unterhaltspflicht hat mit dem Sorgerecht nichts zu tun. Egal ob ein Elternteil das Sorgerecht abgibt oder es entzogen wird, er ist dennoch dem Kind gegenüber zu Unterhalt verpflichtet.

Alleiniges Sorgerecht: Was darf ich entscheiden?

Auch wenn Sie vom Vater oder der Mutter Ihres Kindes getrennt sind, müssen Sie bei gemeinsamen Sorgerecht Entscheidungen, die von erheblicher Bedeutung sind, gemeinsam treffen.

Darunter fallen:

  • Anmeldung in einer Kindertagesstätte oder Schule
  • Auswahl der Schule
  • Ausbildung
  • Religiöse Erziehung
  • Medizinische Behandlungen
  • Aufenthaltsbestimmungsrecht

Wurde Ihnen vom Familiengericht in Teilbereichen die alleinige Entscheidungsgewalt zugesprochen, dann dürfen Sie in diesen speziellen Fällen auch alleine entscheiden. Haben Sie zum Beispiel das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht inne, müssen Sie Ihren Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin nicht fragen, wenn Sie mit dem Kind umziehen möchten. Trotzdem darf er oder sie mitentscheiden, wenn es um medizinische Behandlungen geht.

Nur wenn Sie das alleinige Sorgerecht innehaben, können Sie sämtliche Entscheidungen von erheblicher Bedeutung selbst und ohne Zustimmung des Ex-Partners oder Ex-Partnerin treffen. Bedenken Sie dennoch, dass Umzüge oder längere Urlaubsreisen das Umgangsrecht des anderen Elternteils betreffen und Sie dieses nicht einfach so einschränken dürfen. In konkreten Fällen sollten Sie sich daher dennoch mit dem anderen Elternteil abstimmen oder Rat beim Anwalt einholen.

Alleiniges Sorgerecht: Was passiert im Todesfall?

Auch wenn niemand gern darüber nachdenkt, sollten Sie für den schlimmsten Fall vorsorgen. Teilen Sie sich das gemeinsame Sorgerecht, geht bei Ihrem Tod automatisch das alleinige Sorgerecht auf den anderen Elternteil über.

Anders sieht es aber aus, wenn Sie das alleinige Sorgerecht innehaben. In einem solchen Fall bestellt das Familiengericht einen sogenannten Vormund, der sich künftig um das minderjährige Kind kümmert. Ist Ihr Kind älter als 14 Jahre, hat es ein Mitspracherecht. Dass Großeltern oder Verwandte automatisch zum Vormund des Kindes werden, ist leider nur ein Mythos. Darum sollten Sie für den Fall der Fälle vorsorgen und mit einer Sorgerechtsverfügung oder einer Sorgerechtsvollmacht im Voraus regeln, wer sich nach Ihrem Tod um Ihr Kind kümmern soll.
Die Sorgerechtsverfügung müssen Sie gemäß § 2247 BGB persönlich und komplett handschriftlich verfassen – wie ein Testament auch. Außerdem müssen Sie es mit Datum versehen und mit Ihrem Vor- und Nachnamen unterschreiben.

Sorgen Sie auch dafür, dass das Familiengericht Ihre Verfügung erhält und entsprechend beachten kann. So können Sie sie beispielsweise bei einem Notar verwahren lassen oder beim zuständigen Nachlassgericht hinterlegen. Eine kostenfreie Möglichkeit wäre, die Sorgerechtsverfügung an den von Ihnen benannten Vormund zu übergeben, der  dann im Falle Ihres Todes damit zum Familiengericht gehen kann.


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