Tarifvertrag: Wie er Ihr Gehalt und Ihre allgemeinen Arbeitsbedingungen regelt

Tarifverträge verbessern in der Regeln die Situation für Arbeitnehmer. Verhandeln Sie mit dem Arbeitgeber individuell über Gehalt und Arbeitsbedingungen, sind Sie zumeist in der schwächeren Position. Ein geltender Tarifvertrag bietet Ihnen dagegen eine solide Rechtsgrundlage, um eine faire Bezahlung und anständige Konditionen durchzusetzen. Wie das genau funktioniert, lesen Sie hier.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

In Deutschland existieren unzählige Tarifverträge. Manche gelten für ganze Branchen oder Regionen, manche nur für einzelne Betriebe. Einige enthalten nur die Vereinbarungen zur Vergütung und Eingruppierung, andere regeln die allgemeinen Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaubsanspruch oder Kündigungsfristen. Und dann gibt es zusätzlich Spezialverträge – zum Beispiel im öffentlichen Dienst, wo neben dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auch Sonderverträge zum Beispiel für das Gesundheitswesen oder den Erziehungssektor existieren.

Doch im Tarifdschungel den Überblick zu behalten, ist gar nicht so schwer, wie es scheint. Und die Mühe lohnt sich, denn nur wenn Sie sich im Tarifrecht auskennen – oder gute Experten an Ihrer Seite haben – können Sie Ihre tariflichen Rechte als Arbeitnehmer auch durchsetzen.

Tarifrecht: Diese Begriffe müssen Sie kennen

Unser kleines Tarifrecht-Wörterbuch gibt Ihnen hier zunächst eine Übersicht über die wichtigsten Begriffe, die immer wieder auftauchen, wenn es um Tarifverträge geht. So wissen Sie, wovon die Rede ist, wenn es heißt:

Tarifvertragsrecht: Das Tarifvertragsrecht ist der juristische Überbegriff für alle Regeln zur Gestaltung und Geltung von Tarifverträgen. Gesetzliche Grundlagen sind Artikel 9 des Grundgesetzes und das Tarifvertragsgesetz.

Tarifautonomie: Die Tarifautonomie ist durch Artikel 9 des Grundgesetzes geschützt. Im Wortlaut heißt es da in Absatz 3: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.“ Konkret bedeutet das: Jeder darf zum Beispiel eine Gewerkschaft oder einen Arbeitgeberverband gründen, die dann als Tarifvertragsparteien auftreten und miteinander Tarifverträge aushandeln. Tarifautonomie meint genau dieses Recht, eigenständig Vereinbarung über Gehälter und Arbeitsbedingungen zu schließen, ohne dass der Staat sich einmischt.

Tarifvertragsparteien: Als Tarifvertragsparteien bezeichnet man die Parteien, die einen Tarifvertrag abschließen. Das sind die Gewerkschaften als Arbeitnehmervertreter und die Arbeitgeberverbände als Arbeitgebervertreter. In Haustarifverhandlungen können auch einzelne Unternehmer statt des Arbeitgeberverbandes als Tarifvertragspartei auftreten.

Tarifbindung: Häufig werden Sie den Begriff Tarifbindung lesen, wenn Sie sich über Tarifverträge informieren. Die Tarifbindung kommt nämlich immer dann ins Spiel, wenn es darum geht, wer einen Tarifvertrag anwenden muss und wer davon profitiert. Arbeitgeber sind dann an einen Tarifvertrag gebunden, wenn sie Mitglied im Arbeitgeberverband sind, der den Vertrag ausgehandelt hat. Oder wenn sie selbst mit den Gewerkschaften einen sogenannten Haus- oder Firmentarifvertrag vereinbart haben. Auf der Arbeitnehmerseite ist ein Tarifvertrag rein rechtlich nur für Mitarbeiter bindend, die selbst Mitglied der Gewerkschaft sind, die Verhandlungspartner war.

Allgemeinverbindlichkeit: Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, kann er trotzdem verpflichtet sein, einen Tarifvertrag anzuwenden – nämlich dann, wenn dieser vom Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklärt wurde. In diesem Fall müssen alle Firmen der jeweiligen Branche oder der jeweiligen Region, für die der Vertrag abgeschlossen wurde, sich an die Regelungen darin halten. Das gilt auch dann, wenn die Unternehmer nicht selbst Mitglied im Arbeitgeberverband sind.

Bezugnahmeklausel: Die Bezugnahmeklausel finden Sie unter Umständen in Ihrem Arbeitsvertrag. Sie besagt, dass für Ihr Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag Anwendung findet. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Sie rein juristisch keinen Anspruch auf tarifliche Leistungen haben.

Wer hat Anspruch auf tarifliche Leistungen?

Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie zwischen dem Rechtsanspruch und der Praxis unterscheiden. Rein juristisch haben nur jene Arbeitnehmer Anspruch auf die Leistungen aus einem Tarifvertrag, die Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sind.

In der Praxis räumen Arbeitgeber aber meist allen Mitarbeitern in ihrem Unternehmen die tariflichen Rechte ein, wenn ein Tarifvertrag im Betrieb Anwendung findet. Das liegt zum einen daran, dass es ein erheblicher Aufwand wäre, herauszufinden, wer Gewerkschaftsmitglied ist und dann unterschiedliche Gehaltsabrechnungen oder Arbeitszeiterfassungen zu etablieren. Zum anderen haben die Unternehmer auch kein großes Interesse daran, noch mehr Mitarbeiter in die Gewerkschaften zu treiben.

Sind Sie kein Gewerkschaftsmitglied, haben Sie juristisch nur dann einen Anspruch auf die tariflichen Leistungen, wenn der Tarifvertrag für allgemeingültig erklärt wurde oder ihr Arbeitsvertrag eine entsprechende Bezugnahmeklausel enthält.

Was ist das Gesetz zur Tarifeinheit?

Das Gesetz zur Tarifeinheit ist eine der umstrittensten Regelung im Tarifrecht der vergangenen Jahre. Im Wesentlichen regelt es, dass in Betrieben, in denen mehrere Gewerkschaften Mitglieder haben, nur noch die mit den meisten Mitgliedern Tarifverträge abschließen darf.

Ein Beispiel: Bei der Bahn sind zum Beispiel sowohl die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer als auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft aktiv. Beide verhandelten mit der Bahn bisher eigene Tarifverträge für Ihre Mitglieder und riefen diese, wenn die Verhandlungen stockten, auch unabhängig voneinander zum Streik auf. Nach dem Tarifeinheitsgesetz ist das nicht mehr möglich. Danach ist nur noch der Tarifvertrag bindend, den die Gewerkschaft abschließt, die bei der Bahn die meisten Mitglieder hat. Welche das konkret ist, sollen im Einzelfall Arbeitsgerichte feststellen.

Ursprünglich sollte das Gesetz verhindern, dass kleine Spartengewerkschaften durch hohe Forderungen und immer heftigere Streiks Mitgliederwerbung betreiben und sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Der Gesetzgeber sah dabei den gerechten Interessenausgleich in Betrieben gefährdet. Gewerkschaften liefen allerdings Sturm gegen das Gesetz und reichten mehrfache Verfassungsbeschwerde ein. Sie fürchteten um ihre Durchsetzungskraft, hatten vor dem Bundesverfassungsgericht letztlich aber keinen Erfolg. 2017 entschied das Gericht, dass das Tarifeinheitsgesetz weitestgehend verfassungskonform sei. Allerdings musste der Gesetzgeber beim Schutz kleiner Gewerkschaften nachbessern, die spezielle Berufsgruppen vertreten (z.B. Klinikärzte). Damit diese auch in Zukunft eine starke Interessenvertretung haben, um Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen, sollen die Rechte dieser Gewerkschaften wieder gestärkt werden.

Wie regelt der Tarifvertrag mein Gehalt?

Das Tarifgehalt beziehungsweise der Tariflohn werden in speziellen Vergütungstarifverträgen vereinbart. Wenn Sie wissen wollen, wie Sie sich in einem solchen Lohntarifvertrag zurecht finden und wie Sie Ihr persönliches Tarifgehalt ablesen können, empfehlen wir unseren Text zum Lohntarif.

Wie regelt der Tarifvertrag Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Kündigungsfristen oder Überstundenvergütung?

Auch die allgemeinen Arbeitsbedingungen – wie zum Beispiel Ihre Wochen- oder Monatsarbeitszeit, die Höhe Ihres Urlaubsanspruchs oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – können in einem Tarifvertrag geregelt sein. Allerdings finden Sie diese Informationen nicht im Vergütungs-, sondern im sogenannten Mantel- oder Rahmentarifvertrag. Auch dazu haben wir ausführlichere Informationen für Sie zusammengetragen: Manteltarifvertrag schützt Sie auch bei Kündigung

Arbeiten Sie im öffentlichen Dienst oder bei einem kirchlichen Arbeitgeber? Dann gelten für Sie gesonderte tarifrechtliche Regelungen, die wir in unseren Beiträgen zu TVöD und TV-L und zu den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) für Sie zusammengetragen haben.