Pflegeeltern werden: Was kommt auf mich zu, wenn ich ein Pflegekind aufnehme?

Die Zahl der Kinder in Deutschland, die in einer Pflegefamilie untergebracht sind, hatte 2017 mit 91.420 Kindern einen Höchststand erreicht und ist in den letzten Jahren leicht gesunken. Trotzdem gibt es insgesamt zu wenige Pflegefamilien. 2021 lebten 87.300 Kinder bei Pflegeeltern und 122.700 junge Menschen in Heimen. Die Jugendämter in den verschiedenen Bundesländern suchen dringend nach Familien, die Kinder aufnehmen, die nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können. Sie überlegen sich, Pflegeeltern zu werden? Hier erfahren Sie alles Wichtige, das Sie vorher wissen müssen: Voraussetzungen, Kosten sowie Rechte und Pflichten.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Wer darf ein Pflegekind aufnehmen?

Die Anforderungen, die an Pflegeeltern gestellt werden sind relativ hoch. Das liegt vor allem daran, dass die Pflegekinder, im Gegensatz zu Adoptivkindern, oftmals schwer vorbelastet sind oder im schlimmsten Fall sogar unter einem Trauma leiden. Bei ihren leiblichen Eltern haben sie oft Probleme miterlebt. Das kann Gewalt gegen ein anderes Familienmitglied gewesen sein oder sogar gegen sie selbst. Sie haben eventuell Vernachlässigung erlebt oder mussten den Drogenkonsum ihrer Eltern beobachten. In jedem Fall aber hat ein Pflegekind eine schwere Zeit durchgemacht und benötigt deshalb nun Pflegeeltern, die ihm eine gewisse Stabilität bieten können.

Entgegen einer weit verbreiteten Annahme dürfen aber nicht nur heterosexuelle Ehepartner ein Kind aufnehmen – auch homosexuelle Paare oder sogar Alleinstehende können bei Eignung Pflegeeltern werden.

Anforderungen an Pflegeeltern

Um ein Pflegekind aufnehmen zu dürfen, müssen Sie folgende Anforderungen erfüllen:

  • Finanzielle Sicherheit: In einer kleinen 1-Zimmerwohnung mit geringfügigem Einkommen sind Sie als Pflegeeltern leider nicht geeignet. Sie müssen über ein Haus oder eine Wohnung verfügen, die groß genug ist ein (zusätzliches) Kind aufzunehmen und diesem auch einen Rückzugsort zu bieten. Darüber hinaus sollten Sie über finanzielle Sicherheit verfügen.
  • Polizeiliches Führungszeugnis: Damit Sie sich beim Jugendamt als Pflegeeltern bewerben können, müssen Sie ein polizeiliches Führungszeugnis abgeben. Haben Sie bereits Vorstrafen, sind Sie als Pflegeeltern eher ungeeignet.
  • Gesundheitsattest: Sie sollen dem Pflegekind Sicherheit und Stabilität bieten. Aus diesem Grund müssen Sie selbst belastbar sein und auch gesund genug, um sich um ein Kind kümmern zu können. Das müssen Sie mit einem Gesundheitsattest nachweisen.
  • Eigene Kinder: Eigene Kinder sind kein Muss. Es wird aber angenommen, dass Kinder in der Familie dem Pflegekind helfen, Anschluss zu finden. Haben Sie eigene Kinder, muss Ihr jüngster Sprössling aber mindestens zwei Jahre älter sein, als das Pflegekind, das Sie aufnehmen möchten.
  • Alter: Auch Ihr Alter spielt eine Rolle. Zumindest, wenn das Pflegekind dauerhaft bei Ihnen untergebracht werden soll. Dabei gilt die Regel: Bei Volljährigkeit des Kindes sollten Sie nicht älter als 63 Jahre alt sein. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sie mit 45 Jahren noch einen Säugling bei sich aufnehmen können.

Wie werde ich Pflegemutter/Pflegevater

Um Pflegemutter oder Pflegevater zu werden, also über eine längere Dauer die Pflege eines Kindes zu übernehmen und es „über Tag und Nacht“ in Ihrem Haushalt aufzunehmen, benötigen Sie gemäß § 44 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege. Das soll gewährleisten, dass das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in seiner neuen Familie nicht gefährdet ist.

Nicht nötig ist diese Erlaubnis, wenn Sie mit dem Kind bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind, das Kind nur über eine Dauer von weniger als 8 Wochen bei sich aufnehmen oder das Kind nur während des Tages betreuen. Für einen Schüler- oder Jugendaustausch ist eine solche Erlaubnis auch nicht notwendig (§ 44 SGB VIII).

Um diese Erlaubnis zur Vollzeitpflege zu bekommen, müssen Sie einen Antrag beim örtlichen Jugendamt stellen. Danach machen Sie einen Gesprächstermin mit dem Jugendamt aus. Sollten Sie nach diesem Gespräch den Entschluss gefasst haben, sich zu bewerben, müssen Sie gemeinsam mit der Bewerbung alle erforderlichen Unterlagen beim Jugendamt einreichen:

  • ärztliches Attest
  • erweitertes Führungszeugnis
  • ausgefüllter Fragebogen
  • Lebensbericht mir Informationen zur eigenen Kindheit, Lebenssituation und Motivation
  • Einkommensnachweise
  • ggf. weitere Unterlagen, die das Jugendamt fordert.

Das Jugendamt prüft daraufhin Ihre Bewerbung – es folgen weitere Gesprächstermine. In diesem Prozess soll festgestellt werden, ob Sie alle Voraussetzungen erfüllen, um ein Kind dauerhaft in Pflege aufzunehmen. In vielen Fällen bekommen Sie für diese Gespräche Besuch vom Jugendamt zu Hause, damit sich die Mitarbeiter ein Bild von Ihrer Lebenssituation und Ihren Wohnverhältnissen machen können.

Am Ende beschließen Sie schließlich gemeinsam mit dem Jugendamt, ob Sie grundsätzlich die Pflege für ein Kind übernehmen wollen. Die gesamte Bewerbungsphase dauert bis zu einem Jahr.

Damit ist der Prozess aber noch nicht abgeschlossen. Vermittelt Ihnen das Jugendamt ein Pflegekind, müssen Sie in der Regel erst ein Treffen mit den leiblichen Eltern absolvieren. Danach beginnt die sogenannte Anbahnung, in der Sie das Pflegekind bei mehreren Besuchen kennenlernen und es eine Bindung zu Ihnen aufbauen kann. Diese Treffen finden meist bei der Bereitschaftspflegefamilie statt und werden oft von einem Mitarbeiter des Jugendamtes begleitet.

Wie lange bleibt das Pflegekind in meiner Familie?

Wie lange ein Pflegekind in der Pflegefamilie bleibt, hängt von der Art der Pflegschaft ab.

Bei einer Kurzzeitpflege bleiben Kinder meist nur wenige Wochen oder Monate in einer Pflegefamilie. Es handelt sich dabei immer nur um einen begrenzten Zeitraum, in dem sich die leiblichen Eltern nicht um das Kind kümmern können – zum Beispiel bei einem Krankenhausaufenthalt oder einer Reha.

Daneben gibt es Bereitschaftspflegefamilien, die ein Kind sehr spontan aufnehmen und ebenfalls nur über einen begrenzten Zeitraum betreuen. Dabei handelt es sich um Kinder, die schnell aus ihren Familien genommen werden müssen und solange bei einer Pflegefamilie untergebracht werden, bis entschieden wird, wie es für das Kind weitergeht. Nach dieser Pflegschaft auf Zeit kehren die Kinder entweder wieder zur ihren leiblichen Eltern zurück oder werden in eine Einrichtung oder in Dauerpflege vermittelt.

Die Dauerpflege ist darauf ausgelegt, dass das Pflegekind bis zu seiner Verselbstständigung in der Pflegefamilie bleibt. In der Regel also bis zur Volljährigkeit. Wird ein Kind in Dauerpflege vermittelt, ist ausgeschlossen, dass die leiblichen Eltern sich in absehbarer Zeit wieder angemessen um das Kind kümmern können. Zuvor wird den Eltern aber Hilfestellung angeboten. Können oder wollen Sie diese nicht annehmen, ist das Kindeswohl gefährdet und das Jugendamt vermittelt das Kind in eine Pflegefamilie.

Wie sehr reden Jugendamt und leibliche Eltern rein?

Um die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und den leiblichen Eltern Ihres Pflegekindes werden Sie nicht herum kommen. Das Kind hat nämlich einen gesetzlichen Anspruch auf Umgang mit seinen leiblichen Eltern, solange dies sein Wohlergehen nicht gefährdet.

Die leiblichen Eltern haben meist auch ein Mitspracherecht dabei, in welche Familie ihr Kind vermittelt wird. Deswegen gibt es vor der Vermittlung auch ein persönliches Kennenlernen der leiblichen Eltern und der Pflegeeltern.

Außerdem kommt es regelmäßig – das kann monatlich aber auch seltener sein – zu gemeinsamen Treffen mit den leiblichen Eltern und einem Mitarbeiter des Jugendamtes. Auf diesen Treffen wird der sogenannte „Hilfeplan“ für das Kind geschrieben, in dem festgehalten wird, ob das Kind die leiblichen Eltern öfter oder seltener sehen möchte oder ob es eventuell engeren Kontakt zu anderen Verwandten wie Oma, Opa oder Geschwistern haben möchte.

Zusätzlich bekommen Sie je nach aktueller Lage und Bedürfnis Ihres Pflegekindes regelmäßig Besuch von einem Sozialarbeiter des Jugendamtes. Gerade am Anfang sollten Sie sich auf monatliche Supervisionstermine einstellen. Dabei handelt es sich aber um eine Hilfestellung des Jugendamtes, die Sie nutzen sollten, um sich an Ihre Rolle als Pflegeeltern zu gewöhnen.

Welche Rechte haben Pflegeeltern?

Als Pflegeeltern haben Sie natürlich nicht dieselben Rechte, die Sie als Eltern für Ihre leiblichen Kinder haben. Für Ihr Pflegekind verfügen Sie über das Recht der Alltagssorge. Das bedeutet, Sie dürfen entscheiden, dass das Kind Freunde besucht und empfängt oder ob es auf eine Klassenfahrt mitfahren darf oder nicht. Auch über einfache Arztbesuche dürfen Sie entscheiden. Nicht allerdings, ob das Kind operiert wird oder welche Schule es besucht. Über Realschule oder Gymnasium dürfen Sie demnach nicht selbst bestimmen. Das sind Entscheidungen, die über die Alltagssorge hinausgehen und daher beim Sorgeberechtigten liegen.

Kann ich mein Pflegekind adoptieren?

Zwischen einer Adoption und einer Dauerpflegschaft gibt es große Unterschiede. Entscheiden sich die leiblichen Eltern dafür, Ihr Kind abzugeben und es adoptieren zu lassen, geben sie sämtliche Elternrechte und –pflichten an die Adoptionseltern ab. Auch das Jugendamt ist nach einer Adoption nicht mehr beteiligt, da die Adoptiveltern rechtlich denselben Status haben wie die leiblichen Eltern zuvor.

Bei einer Pflegschaft ist die Adoption des Kindes allerdings nicht das angestrebte Ziel. Die Pflegeeltern leisten Erziehungshilfe, die leiblichen Eltern bleiben aber rechtlich die Eltern des Pflegekindes und auch das Jugendamt hat über die gesamte Dauer der Pflegschaft ein Mitspracherecht. Die Pflegeeltern sind auch dazu verpflichtet, mit dem Jugendamt und den leiblichen Eltern zusammenzuarbeiten und den regelmäßigen Kontakt zu ermöglichen. Dafür leistet das Jugendamt neben der finanziellen Hilfe zur Pflege auch pädagogische Hilfestellung.

Wie hoch ist das Pflegegeld?

Wenn Sie ein Kind dauerhaft bei sich aufnehmen, haben Sie Anspruch auf Pflegegeld. Dabei handelt es sich um einen monatlichen Pauschalbetrag, der den Unterhalt des bei Ihnen lebenden Pflegekindes sichern soll.

Das Pflegegeld setzt sich zusammen aus dem notwendigen Unterhalt für das Kind und dem Betrag für den Erziehungsaufwand. Das ist eine Art Aufwandsentschädigung für die pädagogische Arbeit, die Sie als Pflegeeltern leisten. In den Unterhalt fallen sämtliche Aufwendungen für Miete, Nahrung, Kleidung, Schulbedarf sowie Taschengeld.

Die Höhe des Pflegegeldes ist an das Alter des Kindes angelehnt und variiert je nach Wohnort. Der monatliche Pauschalbetrag für ein Pflegekind liegt laut der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. bei insgesamt 919 Euro für Jugendliche zwischen 12 bis 18 Jahren.

In Nürnberg (Bayern) gelten 2024 folgende Pauschalbeträge:

Höhe des Pflegegeldes in Nürnberg 2024
AlterPflegegeldpauschale
0-5 Jahre917,00 Euro
6-11 Jahre1.033,00 Euro
Ab 12 Jahren1.187,00 Euro

Das Pflegegeld wird nach § 3 Nr. 11 Einkommensteuergesetz (EstG) steuerfrei gewährt. In Ihrer Steuererklärung müssen Sie es aber trotzdem als Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit angeben (§ 18 EstG).

Einmalige finanzielle Beihilfen

Zusätzlich zum Pflegegeld können Sie einmalige Zuschüsse beantragen, wenn wichtige Anlässe bevorstehen, die nicht mit dem Pflegegeld abgegolten werden. Ein solcher Anlass kann beispielsweise eine Klassenfahrt des Pflegekindes sein oder neue Kleidung für den Berufseinstieg.

Kindergeld für das Pflegekind

Betreuen Sie das Kind dauerhaft, geht der Gesetzgeber davon aus, dass zwischen Ihnen ein „familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band“ besteht. Dann steht Ihnen auch Kindergeld zu. Dieses wird anteilig auf das Pflegegeld angerechnet. Außerdem berechnet sich die Höhe auch nach der Anzahl der in Ihrem Haushalt lebenden Kinder.

Kindergeld für Pflegekinder wird allerdings nur gewährt, wenn zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern kein sogenanntes Obhutsverhältnis mehr besteht. Das bedeutet, dass sich die leiblichen Eltern nicht mehr um das Kind kümmern und Sie an dessen Stelle „Eltern“ für das Kind werden.

Weitere Kosten

Wenn Sie gesetzlich krankenversichert sind, können Sie das Pflegekind in der Regel mit in die Familienversicherung aufnehmen. Bei privaten Krankenversicherungen ist das oft nicht möglich. In einem solchen Fall kann das Jugendamt die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung übernehmen.

Auch nachgewiesene Kosten für eine Unfallversicherung können vom Jugendamt übernommen werden. In der Regel besteht eine Haftpflichtversicherung über das Jugendamt. Ansonsten können Sie das Kind auch in Ihre Police aufnehmen lassen.

Elternzeit und Elterngeld für das Pflegekind?

Vor allem bei berufstätigen Pflegeeltern kann es problematisch werden, wenn sich plötzlich die Möglichkeit ergibt, ein Baby in Dauerpflege zu nehmen. Tatsächlich haben Dauerpflegeeltern denselben Anspruch auf Elternzeit wie leibliche Eltern.

Im Gegensatz zu diesen müssen Sie die Elternzeit aber nicht mindestens 7 Wochen vorher ankündigen, sondern können diese dank einer Sonderregelung sofort bei Einzug des Kindes in Anspruch nehmen.

Elterngeld erhalten Sie als Pflegeeltern allerdings nicht.

Unbegleitetes Flüchtlingskind als Pflegekind aufnehmen?

Meistens werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Wohngruppen untergebracht. Es ist aber auch möglich, dass Sie im Rahmen der sogenannten Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) in einer Pflegefamilie untergebracht werden. Für die Kinder hat das den Vorteil, dass Sie in der Pflege- oder Gastfamilie am Familienleben teilnehmen und so leichter und intensiver die deutsche Sprache erlernen können. Das schafft Ihnen einen großen Vorteil in der Schule oder auch bei der Ausbildung und damit bei der Integration in die Gesellschaft.

Wenn Sie einen minderjährigen Flüchtling bei sich aufnehmen möchten, müssen Sie als Pflegeeltern beim Jugendamt registriert sein, also die Bewerbung durchlaufen haben und eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege haben. Es gelten also dieselben Voraussetzungen wie für alle anderen Pflegekinder auch.

In den meisten Fällen handelt es sich bei diesen Kindern allerdings um männliche Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. Deswegen ist auch die Unterbringung in Jugendwohngruppen bevorzugt. Dort können die Jugendlichen mit Freunden zusammenleben.


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