Verdachtskündigung: So rechtfertigen Sie sich gegen die Vorwürfe Ihres Chefs!

Wenn Ihr Chef Ihnen vorwirft, Geld aus der Kasse entwendet oder Betriebsgeheimnisse weitergegeben zu haben, kann er eine Verdachtskündigung aussprechen. Eindeutige Beweise benötigt er dafür nicht! Die Rechtsprechung geht nämlich davon aus, dass alleine der im Raum stehende Verdacht die Vertrauensbasis nachhaltig so sehr schädigt, dass es Ihrem Chef nicht zugemutet werden kann, Sie weiterhin zu beschäftigen.

Dennoch kommt es häufig zu Fehlern, die eine Verdachtskündigung unwirksam machen. Hier erfahren Sie alles zu Ihren Rechten!

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Was ist eine Verdachtskündigung?

Eine Verdachtskündigung kann sowohl ordentlich als auch außerordentlich ausgesprochen werden, wenn der dringende Verdacht besteht, dass ein Arbeitnehmer einen gravierenden Pflichtverstoß begangen hat.

Der Arbeitgeber muss zwar alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um den Sachverhalt aufzuklären, aber eindeutige Beweise sind für die Kündigung nicht nötig.

Arbeitgeber hat keine Beweise: Kann er trotzdem kündigen?

Nehmen wir an, Ihr Chef unterstellt Ihnen, 100 Euro aus der Kasse entwendet zu haben. Seine Annahme begründet er damit, dass Sie am entsprechenden Abend der letzte waren, der Zugang zur Kasse hatte. Eindeutige Beweise hat Ihr Arbeitgeber aber nicht.

In einem solchen Fall kann Ihr Arbeitgeber eine Kündigung auf Verdachtaussprechen, auch wenn er Ihnen die Tat nicht direkt nachweisen kann. Die Rechtsprechung beruft sich dabei auf § 626 BGB, wonach ein Arbeitsverhältnis fristlos beendet werden kann, wenn es dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden kann, den Angestellten weiterhin zu beschäftigen. Arbeitsgerichte gehen davon aus, dass der im Raum stehende Verdacht ausreicht, um die Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zu zerstören.

Die Verdachtskündigung kann dabei sowohl außerordentlich als auch ordentlich ausgesprochen werden. Ein Arbeitgeber kann sich also trotz erdrückendem Verdacht dazu entscheiden, Sie bis Ablauf Ihrer Kündigungsfrist zu beschäftigen. Dabei gelten aber dieselben Voraussetzungen wie für die fristlose Verdachtskündigung (BAG-Urteil vom 21.11.2013, Az. 2 AZR 797/11). Diese sind:

  1. Es muss der Verdacht eines dringenden Pflichtverstoßes vorliegen.
  2. Der Verdacht muss „erdrückend“ sein. Das heißt, er muss für Außenstehende nachvollziehbar sein und darf nicht auf subjektiven Gesichtspunkten beruhen.
  3. Die Verdachtskündigung muss verhältnismäßig sein und es darf keine milderen Mittel geben. Ein milderes Mittel würde beispielsweise die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz darstellen.
  4. Es muss eine Interessensabwägung erfolgen. Dabei wird untersucht, ob der Verdacht so gravierend ist, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortsetzung überwiegt.

Sind diese vier Voraussetzungen gegeben, kann Ihr Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen, allerdings erst nachdem er alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um den Sachverhalt aufzuklären.

Welche Fristen sind bei der Verdachtskündigung zu beachten?

Bei der ordentlichen Verdachtskündigung ist keine Frist zu beachten. Bei der außerordentlichen Verdachtskündigung, die wesentlich häufiger vorkommt, muss die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen zugegangen sein. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber von den Umständen erfahren hat. Finden nach Ausspruch der Kündigung noch Anhörungen des Arbeitnehmers statt, beziehungsweise laufen noch Verfahren, um den Sachverhalt zu klären, ist die Frist so lange gehemmt. Sie beginnt dann erst, wenn der Arbeitgeber seine Beweisaufnahme abgeschlossen hat.

Ist für die Verdachtskündigung eine vorherige Abmahnung nötig?

Nein, eine Abmahnung ist bei der Verdachtskündigung in der Regel nicht nötig. Der Grund dafür ist, dass es sich dabei genau genommen nicht um eine verhaltensbedingte, sondern um eine personenbedingte Kündigung handelt. Es gibt also keine Tat beziehungsweise kein Verhalten, das abgemahnt werden könnte. Die Verdachtskündigung stützt sich ausschließlich auf den Verdacht und den daraus entstandenen Vertrauensbruch.

Vor der Verdachtskündigung: Anhörung des Arbeitnehmers

Bevor Ihr Chef Ihnen eine Verdachtskündigung aussprechen kann, muss er Ihnen die Möglichkeit geben, zu dem Verdacht Stellung zu beziehen. Er muss dafür eine Anhörung terminieren, die innerhalb einer Woche nach Anfangsverdacht stattfinden muss (BAG-Urteil vom 20.3.2014, Az. 2 AZR 1037/12).

Wie sollte die Anhörung eines Arbeitnehmers ablaufen?

  1. Bei der Anhörung muss Ihr Arbeitgeber genaue Angaben zu den vorliegenden Verdachtsmomenten machen. Dazu muss er auch angeben, wann der Pflichtverstoß erfolgt sein soll.
  2. Ihr Chef muss Ihnen eine angemessene Frist geben, um Ihrerseits mögliche Nachforschungen anstellen zu können. Sie sollten auch ausreichend Zeit bekommen, um eine Stellungnahme zu erarbeiten.
  3. Die Protokollierung des Gesprächs sowie das Hinzuziehen von neutralen Dritten sind empfehlenswert.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2015 entschieden, dass der Arbeitnehmer vor dem Gespräch nicht über die genauen Umstände informiert werden muss. In dem vorliegenden Fall wurde ein Banklehrling verdächtigt, 500 Euro gestohlen zu haben. Bei der Anhörung verplapperte er sich und sprach selbst von den 500 Euro, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt noch niemand gesagt hatte, wie viel Geld genau entwendet wurde. Der Lehrling reichte daraufhin Klage ein: Er hätte sich wegen fehlender Informationen nicht ausreichend auf das Gespräch vorbereiten können. Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab (BAG-Urteil vom 12.2.2015, Az. 6 AZR 845/13).

Viele Arbeitgeber greifen auf multiple Kündigungen zurück

Wenn Sie eine Verdachtskündigung erhalten, erhalten Sie in der Regel nicht nur eine einzige Kündigung. Viele Arbeitgeber wissen, dass es bei Verdachtskündigungen häufig zu Kündigungsschutzprozessen kommt, bei denen formale oder inhaltliche Fehler festgestellt sind. Verliert ein Arbeitgeber den Prozess, kann es teuer für ihn werden.

Aus diesem Grund händigen viele Arbeitgeber mehrere Kündigungsschreiben aus oder stützen die Kündigung sowohl auf das rechtswidrige Verhalten als auch auf den dringenden Verdacht. Die Formulierung könnte so oder so ähnlich aussehen: „Grund für die Kündigung ist ein Diebstahl vom 15.12.2017, hilfsweise wird wegen eines dringenden Diebstahlverdachts gekündigt.“ Kann nicht bewiesen werden, dass der Diebstahl vom gekündigten Angestellten begangen wurde, ist die Tatkündigung zwar unwirksam, doch kann dann „hilfsweise“ die Verdachtskündigung greifen. Dadurch werden die Chancen erhöht, dass zumindest eine der Kündigungen wirksam ist und auch vor dem Arbeitsgericht standhält.

Es kann sogar vorkommen, dass Ihr Arbeitgeber sich bestmöglich absichern will und direkt vier Kündigungen ausspricht (hier exerziert am Beispiel des Diebstahls):

  1. Fristlose verhaltensbedingte Tatkündigung (= außerordentliche Kündigung wegen Diebstahls)
  2. Hilfsweise die fristlose Verdachtskündigung (= außerordentliche Kündigung wegen eines Verdachts)
  3. Hilfsweise die ordentliche Tatkündigung (= ordentliche Kündigung wegen Diebstahls)
  4. Höchst hilfsweise die ordentliche Verdachtskündigung (= ordentliche Verdachtskündigung)

Daraus ergeben sich für den Arbeitgeber aber auch Risiken. Gibt es beispielsweise einen Betriebsrat, muss dieser vor der Kündigung angehört werden. Dabei gilt, dass er über jede einzelne Kündigung in Kenntnis gesetzt werden muss. Geschieht dies nicht und informiert Ihr Arbeitgeber den Betriebsrat beispielsweise nur von der fristlosen verhaltensbedingten Kündigung, nicht aber von den hilfsweise erklärten Kündigungen, sind diese unwirksam.

Wie wehre ich mich gegen eine Verdachtskündigung

Wurde Ihnen eine Verdachtskündigung überreicht, sollten Sie möglichst schnell Kontakt zu einem Anwalt aus dem Arbeitsrecht aufnehmen. Gerade bei Verdachtskündigungen kommt es häufig zu Formfehlern, die die Kündigung unwirksam machen – das gilt selbst dann, wenn der Verdacht vielleicht sogar berechtigt ist.

Ein Rechtsanwalt kann Ihre Lage einschätzen und Ihnen mitteilen, ob eine Kündigungsschutzklage sinnvoll ist oder nicht. Auch wenn Sie selbst als Arbeitnehmer nicht am Beschäftigungsverhältnis festhalten möchten, kann sich eine Kündigungsschutzklage für Sie auszahlen: Viele Prozesse enden in einem Vergleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wobei dem Arbeitnehmer im Gegenzug für das beendete Arbeitsverhältnis eine Abfindungausgezahlt wird.

Die selbstständigen Kooperationsanwälte der DAHAG beraten Sie gerne telefonisch oder per E-Mail. Sie schätzen Ihre Situation anhand der aktuellen Rechtslage ein und geben Ihnen wertvolle Tipps für das weitere Vorgehen.

Keinesfalls dürfen Sie aber zu viel Zeit vergehen lassen: Wollen Sie gegen die Kündigung vorgehen, muss die Klage drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Ansonsten wird die Kündigung als rechtskräftig angesehen.

Wie hoch sind die Anwaltskosten zur Durchsetzung einer Abfindung?

Als Faustregel gilt: je höher das Bruttogehalt, um so höher die Anwaltskosten. Die Anwaltskosten sind gesetzlich im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt, an die sich alle in Deutschland zugelassenen Anwälte halten müssen.

Hier ein Beispiel: Bei einem Bruttomonatsgehalt von 2.000 € enstehen bei einem außergerichtlichen Vergleich bereits Anwaltskosten von gut 1.203 €. Wenn die Sache vor Gericht geht, enstehen weitere Anwaltskosten von rund 590 €. Eine schnelle und kostengünstige Alternative bietet ein Schlichtungsverfahren, das nicht an die Rechtsanwaltsgebühren nach RVG gebunden ist, sondern der Kostenordnung der Schlichtungsstelle unterliegt. Dadurch ist eine Schlichtung bereits ab 149 € möglich und ist deutlich kostensparender als die Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.


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