Prüfung eines Schreibens auf Beleidigungen

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Enthält das nachfolgende Schreiben strafrechtliche Inhalte im Sinne von Beleidigungen, Verleumdungen, Herabsetzungen der Person oder ähnliches?
(vor allem im ersten Teil dieses Schreibens)

Werte Frau H.,
ihr uns gegenüber inakzeptables und unangemessenes Auftreten, Ihre unangemessenen und inakzeptablen Äußerungen gegenüber Frau H in der Gaststätte, sowie Ihre Äußerung über Ihre Anwältin, dass Sie bei diesem Zusammentreffen mit uns in dieser Gaststätte niemanden beleidigt oder beschimpft hätten, haben uns sehr tief enttäuscht.

Auch hat uns tief enttäuscht, dass Sie bisher nicht den Mut hatten, sich ordentlich bei Frau H diese unangemessenen und inakzeptablen Äußerungen zu entschuldigen. Wir wollen Ihnen deshalb mitteilen, dass wir kein Vertrauen mehr zu Ihnen haben wegen dieser vorgenannten und auch wegen zurückliegender Negativ-Ereignisse in den Begegnungen mit Ihnen. Wir sind von Ihnen menschlich tief enttäuscht.

Vor allem von Ihnen als studierte evangelische Theologin hatten wir ein anderes Auftreten und Respekt und Achtung vor unserem 70- und 74- jährigen Alter erwartet.

Deshalb fordern wir Sie auf, uns mit sofortiger Wirkung nur noch mit „Sie“ in Einzahl und Mehrzahl anzureden. Das bisherige vertrauliche und vertrauensvolle „Du“ entfällt mit sofortiger Wirkung. Dasselbe gilt auch für uns, wie Sie wohl schon bemerkt haben.

Weiterhin fordern wir Sie auf, uns keine Briefe, Glückwunschkarten oder Grußkarten mehr zuzusenden und uns nicht mehr anzurufen.

Außerdem sprechen wir Ihnen das Hausverbot für unsere Wohnung aus.

Wir machen Sie vorsorglich darauf aufmerksam, dass wir bei Nichteinhaltung unserer Forderungen geeignete Maßnahmen gegen Sie einleiten werden.

Begegnungen und Kontakte mit unseren Enkeln wollen wir nur noch über deren Vater verwirklichen.

Vorsorglich weisen wir Sie darauf hin, dass diese Mitteilung an Sie eine rein private und außergerichtliche Sache ist. Das etwaige Einschalten von Anwälten ist daher zwecklos und wird von uns nicht akzeptiert.

Sollten Sie sich an Ihre Wortwahl gegenüber Frau H nicht mehr erinnern können, so weisen wir Sie darauf hin, dass es mehrere Zeugenberichte dafür gibt und eine ärztliche Beratung zu empfehlen wäre. Dennoch bleibt der gesamte Inhalt dieses Schreibens an Sie gültig.

Wir wünschen Ihnen trotz allem alles Gute in Ihrem weiteren Leben.

Mit Gruß

Grund sind die Beleidigungen:

„Du blöde Kuh“,

„…sei froh, dass Dein Mann schon gestorben ist…“ und

„…Du bist schuld, dass sich R von seiner Ehefrau scheiden ließ…“,

die ohne jeglichen Grund an Frau H übermäßig lautstark gerichtet wurden in einer Gaststätte auch vor Gästen.

Wir haben dieses Schreiben bereits abgeschickt.

Antwort des Anwalts

Sie haben mir ein Schreiben an die Frau Vogt zur Prüfung überlassen. Daneben haben Sie mir in Ergänzung noch Hintergrundinformationen überlassen.

Es geht eigentlich um eine unschöne Auseinandersetzung mit familienrechtlichem Hintergrund. Die jetzt zu Tage getretenen Probleme stehen eigentlich nur vordergründig für eine nicht oder nur schlecht aufgearbeitete Trennungs- und Scheidungssituation.

Dies kann und soll aber keine Entschuldigung für nicht adäquates Verhalten sein.
Ihrem Schreiben konnte ich keine strafrechtliche Relevanz beimessen, unter Umständen hätte ich die Kombination zwischen Vorwurf und der theologischen Ausbildung sanfter formuliert. Meines Erachtens ist hier aber weder Beleidigung noch sonst ein strafbares Verhalten erkennbar.

Rein vorsorglich weise ich aber darauf hin, dass es der Empfängerin selbstverständlich frei steht, Strafanzeige zu erstatten. Dies könnte dazu führen, dass Sie als Beschuldigte angehört werden.
Sie haben aber das Recht zu schweigen, von diesem sollten Sie unbedingt Gebrauch machen. Die Erfahrung zeigt, dass in solchen Angelegenheiten es nicht produktiv ist, sich gegen den Vorwurf zu wehren. Es liegt nämlich an den Strafverfolgungsbehörden, Ihnen den Verstoß tatsächlich nachzuweisen. Dazu brauchen Sie nicht beitragen.

Zu Ihrer Sicherheit gebe ich Ihnen einen umfassenden Überblick über den Stand der Rechtsprechung bei Beleidigungen.:
Gegen den sehr allgemein formulierten Tatbestand der Beleidigung wurden vereinzelt verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG erhoben (vgl. Nw. bei Fischer Vor § 185 Rn. 1a), da nicht näher bezeichnet werde, was unter einer Beleidigung zu verstehen sei (so Husmann MDR 1988, 727 [727]), vielmehr mit dem Begriff der Beleidigung auf einen außerrechtlichen Begriff abgestellt würde (so Findeisen/Hoepner/Zünkler ZRP 1991, 245 [246]). Diese Bedenken werden jedoch unter Hinweis auf die lange einheitliche Rspr., welche den Inhalt der Norm hinreichend geklärt habe und die Bestrafung für den Normadressaten absehbar mache, zurückgewiesen (vgl. BVerfGE 93, 266 [291 f.]; Fischer Vor § 185 Rn. 1a; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 1).

Rechtspolitische Bestrebungen, die Beleidigung zu entkriminalisieren und zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen (vgl. Ges.-Entw. der GRÜNEN, BT-Drucks. 11/1040, S. 7), konnten sich bisher nicht durchsetzen und werden derzeit auch nicht weiterverfolgt (vgl. Fischer Vor § 185 Rn. 1a).
Regelungszweck und Anwendungsbereich

Das von § 185 geschützte Rechtsgut ist die Ehre, wobei § 185 im Kern die innere Ehre schützt, indem ehrverletzende Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen nach § 185 bestraft werden. Der »gute Ruf« (verletzbar durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten) als äußere Ehre genießt zusätzlich den Schutz der §§ 186, 187 (vgl. Geppert Jura 2002, 820 [823]). § 185 ist ein Verletzungsdelikt (vgl. MüKo-StGB/Regge § 185 Rn. 3; für ein konkretes Gefährdungsdelikt Amelung FS Rudolphi, S. 373 [376]; Fischer § 185 Rn. 1) und setzt durch die Kundgabe und das Verstehen der ehrenrührigen Äußerung durch einen anderen einen Erfolg voraus (vgl. zur Vollendung Rdn. 25 f.).

In § 185 wird im 1. Hs. die Beleidigung durch eine Äußerung und im 2. Hs. die tätliche Beleidigung (Qualifikation) beschrieben. § 185 1. Hs. erfasst aber nur Verhaltensweisen, die nicht von den §§ 186, 187 abgedeckt werden (vgl. Geppert Jura 2002, 820 [823]). Der Anwendungsbereich des § 185 erstreckt sich also

auf Äußerungen von Werturteilen gegenüber dem Betroffenen,
auf Äußerungen von Werturteilen über den Betroffenen und gegenüber einem Dritten sowie
auf Äußerungen von Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen.

§ 185 StGB ist nicht der Grundtatbestand, sondern der Auffangtatbestand (SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 52) innerhalb der Beleidigungsdelikte.

Mit dem Tatbestand der Beleidigung wird der Angriff auf die Ehre eines anderen durch die vorsätzliche Kundgabe eigener Miss- oder Nichtachtung (vgl. BGHSt 36, 145 [148]; OLG Karlsruhe NStZ 2005, 158 [OLG Karlsruhe 01.06.2004 - 1 Ss 46/04] [158]; BayObLG NJW 2005, 1291 [1291]) erfasst. Zu den Besonderheiten bei Ehrverletzungen im Internet vgl. Kett-Straub ZStW 120 (2008), 759 ff.; Hilgendorf ZIS 2010, 208 ff.

Tatobjekte können Einzelpersonen und Personenmehrheiten unter einer Kollektivbezeichnung sein. Für bestimmte Personengemeinschaften ist die Objektqualität über § 194 Abs. 3 und 4 anerkannt (vgl. auch Vor §§ 185 ff. Rdn. 12 ff.).

Durch die ehrenrührige Äußerung wird die Person bzw. die Personengemeinschaft hinsichtlich ihrer Ehre angegriffen. Im engeren Sinne ist das Tatobjekt die »kommunikative Verständigung über den wirklichen Wert einer Person« (Fischer Vor § 185 Rn. 5a). Im weiteren Sinne ist das Tatobjekt des § 185 mit dem Rechtsgutsträger (vgl. Vor §§ 185 ff. Rdn. 6 ff.; MüKo-StGB/Regge § 185 Rn. 6) identisch.
Tathandlung

Die Tathandlung einer Beleidigung wird nicht ausdrücklich in § 185 erwähnt. Sie ergibt sich aus dem Typus des Delikts (Angriff auf die Ehre), weshalb es der Kundgabe/Äußerung ehrenrühriger Inhalte durch den Täter bedarf. Die Kundgabe kann durch kommunizierte Äußerung sowohl gegenüber einer anderen Person, die aber nicht Adressat der Äußerung sein muss, als auch durch eine Tätlichkeit (2. Hs.) erfolgen (vgl. Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 11; a.A. NK/Zaczyk Vor §§ 185 ff. Rn. 19 f.). Hinsichtlich eines Werturteils kann die Kundgabe sowohl gegenüber dem Betroffenen als auch gegenüber einer dritten Person geschehen. Hinsichtlich ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen wird mit § 185 nur die Kundgabe gegenüber dem Betroffenen (»innere Ehre«) erfasst (vgl. Fischer § 185 Rn. 5; MüKo-StGB/Regge § 185 Rn. 27).

Der ehrenrührige Inhalt der Äußerung muss aufgrund des kommunikativen Aspekts innerhalb des Deliktstypus für den zur Kenntnis Nehmenden verständlich sein (vgl. BGHSt 9, 17 [19]; MüKo-StGB/Regge § 185 Rn. 28; Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 11, 16) und als Beleidigung aufgefasst werden. Es genügt also nicht, wenn eine Erklärung in einer unverständlichen Art und Weise oder Sprache abgegeben wird.

Als Tathandlung der Beleidigung i.S.d. 1. Hs. des § 185 kommt jede nach außen gerichtete Handlung in Betracht, die zur Kenntnis des Opfers oder eines Dritten gelangt (vgl. SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 5; anders LG Regensburg NJW 2008, 1094 [LG Regensburg 02.01.2008 - 6 KLs 153 Js 12773/2005] [1095]). Nicht ausreichend sind daher Selbstgespräche oder Tagebuchaufzeichnungen (vgl. RGSt 71, 159 [160]). Hinreichend sind verbale Äußerungen, aber auch solche in Bild-, Symbol- oder Schriftform sowie konkludentes Handeln (vgl. Fischer § 185 Rn. 5; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 4). Es muss sich stets um die Kundgabe einer eigenen Äußerung handeln, sodass allein die Wiedergabe beleidigender Äußerungen von Dritten dann nicht tatbestandsmäßig ist, wenn diese sich die Äußerungen nicht zu eigen machen (vgl. OLG Köln NJW 1993, 1486 [1487]; ebenso für eingeblendete Zitate vgl. OLG Köln NJW 1996, 2878 [2879]). Eine ausdrückliche Distanzierung ist jedoch nicht erforderlich (vgl. OLG Köln NJW 1993, 1486 [1487] mit Hinweis auf BGHZ 66, 182 [189]).

Eine Miss- oder Nichtachtung liegt vor, wenn dem Betroffenen bei objektiver Betrachtung sein ethischer, personaler oder sozialer Geltungswert ganz oder teilweise abgesprochen und damit sein Achtungsanspruch infrage gestellt wird (vgl. BayObLG NJW 2005, 1291 [BayObLG 20.10.2004 - 1 St RR 153/04] [1291]; Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 2 m.w.N.). Dies kann sowohl durch Werturteile als auch durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen geschehen (vgl. Rdn. 3 f.; Fischer § 185 Rn. 5).

Ob eine Miss- oder Nichtachtung anzunehmen ist, muss durch Auslegung ermittelt werden, wobei den Begleitumständen und dem Kontext der Äußerung sowie dem Sprachgebrauch bestimmter Bevölkerungsgruppen besondere Bedeutung zukommen (vgl. BVerfGE 93, 266 [295]; OLG Düsseldorf NJW 1989, 3030 mit Anm. Laubenthal JR 1990, 127; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 173 [OLG Karlsruhe 14.03.2006 - 1 Ss 123/05] [173]; OLG Stuttgart NStZ-RR 2009, 50; AG Ehingen NStZ-RR 2010, 143; OLG Karlsruhe Urt. v. 19.07.2012 – 1 (8) Ss 46/12 – AK 40/12, BeckRS 2012, 22944; Lackner/Kühl § 185 Rn. 4). Zu diesen Begleitumständen können auch kulturelle Wertevorstellungen zählen (Valerius JA 2010, 481 [483]). Maßgebend ist dabei nicht wie der Empfänger, sondern wie ein verständiger Dritter die Äußerung interpretiert (vgl. BVerfGE 93, 266 [295]; BGHSt 19, 235 [237]; OLG Karlsruhe NStZ 2005, 158 [OLG Karlsruhe 01.06.2004 - 1 Ss 46/04] [158]; Fischer § 185 Rn. 8). Bei mehrdeutigen Äußerungen ist jede in Betracht kommende Interpretation zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 93, 266 [295 f.]; OLG Karlsruhe NStZ 2005, 158 [159] für »Sie können mich mal ...« sowie AG Ehingen NStZ-RR 2010, 143 [AG Ehingen 24.06.2009 - 2 Cs 36 Js 7167/09] für »Leck mich am Arsch«.

Als ehrverletzendes Werturteil wurde bspw. die Bezeichnung von Bundeswehrsoldaten als »Mörder aus niederen Beweggründen« gewertet (vgl. KG Berlin NJW 2003, 685 [686]) oder aber das unprovozierte Anbieten von Geld für sexuelle Handlungen (vgl. OLG Oldenburg StRR 2011, 43). Als ehrenrührige Tatsachenbehauptung wurden z.B. der Vorwurf der »Willkür« gegenüber einem Richter (vgl. AG Marburg NJW 2004, 1541 [AG Marburg 24.04.2003 - 5/3 Js 4259/02-57 Ds] [1542]) sowie der Vorwurf an einen Richter, er entferne in »offenkundiger Verschleierungsabsicht« Aktenstücke (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2006, 7 [OLG Hamm 03.06.2004 - 4 Ss 138/04] [8]) angesehen.

Weitere eine Ehrverletzung begründende Beispiele aus der jüngeren Rspr. (vgl. auch die Übersichten zur Rspr. bei Lackner/Kühl § 185 Rn. 5; Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 13): Behauptung, ein Richter vertrete eine Auffassung wie sie zuletzt in den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sei (vgl. OLG Bremen Beschl. v. 28.06.2013 – 2 Ss 35/13, BeckRS 2013, 11359); Vergleich eines Polizeiverhaltens mit SS-Methoden (vgl. OLG Frankfurt a.M. Beschl. v. 20.03.2012 – 2 Ss 329/11, BeckRS 2012, 244: wobei die Strafbarkeit an § 193 scheitert); »Zigeunerjude« (vgl. BVerfG BayVBl 2006, 15 [15]; BayObLG NStZ-RR 2002, 210 [211] m. Anm. Zaczyk JR 2003, 36 ff.); Bezeichnung eines Polizeibeamten als »Clown« (vgl. KG Berlin NJW 2005, 2872 [KG Berlin 12.08.2005 - (4) 1 Ss 93/04 (91/04)] [2872] m. Anm. Otto NJW 2006, 575 [577]); Vorwurf an das Sozialamt, deren Ermittlungstätigkeiten seien »die reinsten Stasi-Methoden«, wobei eine Rechtfertigung nach § 193 möglich erscheinen soll (vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 2000, 44 [44]); Bezeichnung eines Arztes als »Tötungs-Spezialist für ungeborene Kinder«, »Babycaust« (vgl. BVerfG NJW 2006, 3769 [BVerfG 24.05.2006 - 1 BvR 49/00] [3770]) sowie die Benennung eines Richters in einem Mandantenschreiben als »unfähigen und faulen Richter«, »an dessen Verstand man mit Fug und Recht zweifeln muss« (BGHSt 53, 257); zust. Barton JZ 2010, 102 [103]; Ruhmannseder NJW 2009, 2647 [2648]; großflächiges Banner mit der Aufschrift »A.C.A.B. (All Cops are Bastards) in einem Fussballstadion«, vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 19.07.2012 – 1 (8) Ss 46/12 – AK 40/12, BeckRS 2012, 22944).

Eine Ehrverletzung wurde von der Rspr. verneint bei der Bezeichnung eines Polizeibeamten als »Bulle« (vgl. LG Regensburg NJW 2006, 629) oder als »Oberförster« (AG Tiergarten NJW 2008, 3233), bei der Anrede mit »Du« (vgl. OLG Düsseldorf JR 1990, 345), hinsichtlich des Vorwurfs »dilatorische(r) Behandlung« an einen Richter (vgl. AG Marburg NJW 2004, 1541 [AG Marburg 24.04.2003 - 5/3 Js 4259/02-57 Ds] [1542]) sowie der Vorwurf an einen Praxisarzt, er nehme »rechtswidrige« Abtreibungen vor (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2005, 612 [OLG Karlsruhe 25.11.2004 - 3 Ss 81/04] [612 f.]; krit. Mosbacher NStZ 2005, 576 [576]). Eine Miss- oder Nichtachtung liegt auch bei einer Drohung, einen anderen Menschen umbringen zu wollen, nicht vor (vgl. OLG Oldenburg NStZ-RR 2009, 77 [OLG Oldenburg 06.11.2008 - Ss 412/08]).

Behauptet der Täter Tatsachen, so müssen diese unwahr sein. Die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 185 (h.M., vgl. BayObLG NJW 1959, 57 [57]; OLG Köln NJW 1964, 2121 [2122]; NK/Zaczyk § 185 Rn. 11; Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 6; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 25 jew. m.w.N.; a.A. OLG Frankfurt a.M. MDR 1980, 495; Amelung Die Ehre als Kommunikationsverletzung, S. 64). Bei der Behauptung einer wahren Tatsache wird niemandem der Geltungswert abgesprochen (vgl. BayObLG NJW 1959, 57 [57]; OLG Köln NJW 1964, 2121 [2122]; NK/Zaczyk § 185 Rn. 11; Tenckhoff JuS 1989, 35 [36]). Bei Zweifeln über die Wahrheit greift der Grundsatz »in dubio pro reo« ein (vgl. BayObLG NJW 1959, 57 [57]; Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 6; a.A. Tenckhoff JuS 1989, 35 [36]).

Innerhalb enger Vertrauensbeziehungen sind ehrverletzende Äußerungen straflos (vgl. BVerfGE 90, 255 [BVerfG 26.04.1994 - 1 BvR 1689/88] [261]; SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 47 f.; Tenckhoff JuS 1988, 787 [788]), wobei umstritten ist, auf welchem Wege dies zu erreichen ist (zum Streitstand vgl. SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 47). Als enge Vertrauensbeziehungen werden der engste Familienkreis (vgl. BVerfGE 90, 255 [BVerfG 26.04.1994 - 1 BvR 1689/88] [260]), eine diese ersetzende, mit einer Familie vergleichbare Freundschaftsbeziehung (vgl. OLG Frankfurt a.M. NStZ 1994, 404 [405]), das Verhältnis zwischen Verlobten (vgl. BVerfG NJW 1995, 1477 [BVerfG 12.09.1994 - 2 BvR 291/94] [1478]), zwischen Partnern in eheähnlicher Lebensgemeinschaft (vgl. BVerfG NJW 1997, 185 [BVerfG 24.06.1996 - 2 BvR 2137/95] [186]) sowie bei Lebenspartnern nach dem LPartG (vgl. SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 48) anerkannt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung gilt auch für die Postkorrespondenz von Strafgefangenen (vgl. BVerfG NJW 2007, 1194 [BVerfG 23.11.2006 - 1 BvR 285/06] [1195]). Keine enge Vertrauensbeziehung ist bei Äußerungen gegenüber zur Geheimhaltung verpflichteten Personen (bspw. Ärzte, Anwälte; vgl. auch BGH NJW 1984, 1104 [BGH 20.12.1983 - VI ZR 94/82] [1105]; SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 51) anzunehmen.
Die Anerkennung einer beleidigungsfreien Sphäre findet seine Grenze bei Verleumdungen i.S.d. § 187 (vgl. dort Rdn. 12; SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 50).

Der Täter muss zumindest mit bedingtem Vorsatz handeln (vgl. Fischer § 185 Rn. 17), weshalb das Erkennen des objektiv beleidigenden Inhalts einer Äußerung ausreicht. Es bedarf keiner besonderen Kränkungs- oder Beleidigungsabsicht (vgl. BayObLG NStZ-RR 2002, 210 [BayObLG 15.02.2002 - 1 St RR 173/01] [212]). Der Vorsatz entfällt nicht schon deshalb, weil ein anderer Adressat, als vom Täter gewollt, die ehrverletzende Äußerung wahrnimmt (vgl. SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 19; Tenckhoff JuS 1988, 787 [788]). Eine vorsätzliche Begehung ist zu verneinen, wenn der Täter im Fall einer tätlichen Beleidigung davon ausgeht, seine Tat bleibe zumindest vorerst unbemerkt (AG Lübeck, Urt. v. 08.06.2011 – 746 Js 13196/11, BeckRS 2011, 19102).

Hinsichtlich der Kundgabe ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen muss sich der Vorsatz des Täters auch auf das Tatbestandsmerkmal der Unwahrheit beziehen (vgl. oben Rdn. 14; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 19).

Eine objektive Beleidigung, die irrtümlich gegen eine andere Person als die gemeinte geäußert wird (bspw. falsch verbundener Fernsprechteilnehmer oder irrtümliches Ohrfeigen eines anderen, vgl. BayObLG JR 1987, 431 [BayObLG 18.08.1986 - RReg. 1 St 34/86] m. Anm. Streng), ist nach dem Grundsatz der Unbeachtlichkeit des error in persona zu behandeln (vgl. Fischer § 185 Rn. 17; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 19; differenzierend NK/Zaczyk § 185 Rn. 16), es sei denn, der Angesprochene erkennt den Irrtum und bezieht die Äußerung nicht auf sich (vgl. BayObLG JR 1987, 431 [BayObLG 18.08.1986 - RReg. 1 St 34/86]), wobei dann § 185 in Bezug auf das gemeinte Opfer verwirklicht sein kann.

Als Rechtfertigungsgrund kann insb. § 193 eingreifen. Auch eine Einwilligung kann rechtfertigend wirken (vgl. BGHSt 11, 67 [72]; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 21; a.A. NK/Zaczyk § 185 Rn. 14, für Tatbestandsausschluss). Eine Notwehr nach § 32 wird i.d.R. an der Geeignetheit der ehrverletzenden Äußerung, den Angriff zu beenden, scheitern (vgl. Fischer § 185 Rn. 15).

Eine Rechtfertigung ist auch aufgrund Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstfreiheit, vgl. dazu grundlegend BVerfGE 75, 369 ff. [BVerfG 03.06.1987 - 1 BvR 313/85]; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 22) und Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsäußerungsfreiheit) möglich (vgl. SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 23; ablehnend NK/Zaczyk § 185 Rn. 18).

Als Begehungsformen sind sowohl Tun als auch Unterlassen (vgl. OLG Köln NJW 1996, 2878 [2879]; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 17 m.w.N.) möglich. Ehrverletzendes Nichtstun, bspw. durch demonstratives Nicht-Beachten, Nicht-Grüßen oder »Links-liegen-Lassen«, stellt eine schlüssige Erklärung (Kommunikation) dar, weshalb es sich nicht um ein Unterlassen handelt (vgl. Fischer § 185 Rn. 7; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 17).

Um ein (unechtes) Unterlassen handelt es sich aber dann, wenn der Garant (§ 13) durch seine Untätigkeit die Kundgabe seiner eigenen ehrverletzenden Äußerung zulässt – bspw. in Briefform (vgl. Fischer § 185 Rn. 7; NK/Zaczyk § 185 Rn. 4; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 17). Ein Begehen durch Unterlassen durch die Nichtverhinderung einer Beleidigung von dritter Seite ist auch für einen Garanten nicht möglich, da Täter nur derjenige sein kann, der selbst den Achtungsanspruch des Opfers infrage stellt, nicht aber wer eine fremde Miss- oder Nichtachtung geschehen lässt (vgl. OLG Köln NJW 1996, 2878 [2879]; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 8. Aufl., S. 481; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 17). In diesen Fällen kommt allenfalls eine Beihilfe in Betracht (vgl. LK/Hilgendorf § 185 Rn. 25; SK-StGB/Rudolphi/Rogall Rn. 17; a.A. NK/Zaczyk § 185 Rn. 4).

Täter kann grundsätzlich nur der Kundgebende sein (vgl. Fischer § 185 Rn. 13). Eine mittäterschaftliche Begehungsweise ist möglich, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 vorliegen, insb., wenn jeder der Beteiligten die ehrverletzende Äußerung als eigene verstanden wissen will (MüKo-StGB/Regge § 185 Rn. 39). Bedient sich der Täter einer anderen Person, um durch diese einen Angriff auf die Ehre eines anderen durchzuführen, kann mittelbare Täterschaft anzunehmen sein (vgl. Fischer § 185 Rn. 13).

Vollendet ist die Beleidigung, wenn die ehrverletzende Äußerung zur Kenntnis eines anderen, sei es des Beleidigten oder eines Dritten, gelangt (vgl. BGHSt 7, 129 [132]). Überwiegend und überzeugend wird zusätzlich gefordert, dass der andere den ehrenrührigen Inhalt als solchen auch versteht (vgl. BGHSt 9, 17 [19]; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 18 m.w.N.; a.A. Sch/Sch/Lenckner/Eisele § 185 Rn. 16 m.w.N.).

Die Tat kann nur vollendet werden, wenn die beleidigte Person ausreichend individualisiert ist, diese also objektiv feststeht oder festgestellt werden kann (vgl. BGHSt 9, 17 [18 f.]). Dafür ist ausreichend, dass für einen anderen erkennbar ist, auf welche Person sich die Kundgabe bezieht, wobei weder dem Dritten noch dem Täter die Person bekannt sein muss (vgl. BGHSt 9, 17 [18]).

Zwischen § 185 und den §§ 186, 187 ist aufgrund der unterschiedlichen geschützten Sphären Idealkonkurrenz anzunehmen (h.M., vgl. BGHSt 6, 159 [161]; für Gesetzeskonkurrenz SK-StGB/Rudolphi/Rogall Vor § 185 Rn. 53 m.w.N.).

Werden durch eine Beleidigungshandlung verschiedene Personen gleichzeitig in ihrer Ehre verletzt, ist ebenfalls Idealkonkurrenz (vgl. MüKo-StGB/Regge § 185 Rn. 42; Tenckhoff JuS 1988, 787 [792]) anzunehmen.
Mehrere beleidigende Äußerungen innerhalb eines Kundgabeaktes (bspw. in einer gedruckten Schrift oder einem Brief; auch für Reden vgl. SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 185 Rn. 30) sind, soweit sie ihrem Inhalt nach eine enge Verbindung zueinander aufweisen, als Handlungseinheit zu bewerten (vgl. RGSt 66, 1 [4]; NK/Zaczyk § 185 Rn. 21). Handlungsmehrheit kann nur dann angenommen werden, wenn sich die Äußerungen an ganz verschiedenen Stellen des Schriftstückes finden und nur in losem oder keinem Zusammenhang stehen (vgl. RGSt 66, 1 [4]).

Der Strafrahmen reicht für die einfache Beleidigung (1. Hs.) von Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe und für die qualifizierte Beleidigung mittels einer Tätlichkeit (2. Hs.) von Geldstrafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe.

Zur Straffreierklärung gem. § 199 bei wechselseitiger Beleidigung und zur Bekanntgabe der Verurteilung gem. § 200 vgl. jeweils dort.

Zur Verfolgung ist gem. § 194 ein Strafantrag erforderlich.
Der Privatklageweg ist gem. § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO eröffnet.

Wie aber bereits zu Beginn ausgeführt sehe ich keine strafrechtliche Relevanz in Ihrem Schreiben. Ich möchte dennoch dafür plädieren, hier auch Ruhe zu bewahren. Die bereits eingeleiteten Verfahren genügen schon jetzt, um unschöne Begleiterscheinungen heraufzubeschwören.
Zurückhaltung und Besonnenheit wäre bei allen Beteiligten nicht zuletzt im Interesse des Enkelkindes angebracht.
Die zwischen den erwachsenen ehemaligen Partnern zu lösenden Konflikte sind am Besten bei diesen beiden zu verorten. Die juristische Aufarbeitung ist dabei nur ein Aspekt. Dies kann ich Ihnen aus langjähriger Erfahrung als Fachanwalt für Familienrecht und Mediator bestätigen.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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