Geplanter Abriss: Kündigung des Mietvertrags möglich?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Wir planen zu bauen und würden und hier gerne absichern, wie man hier am einfachsten die Mieter vor dem Neubau kündigen könnte.
Die Mieter sind bereits seit über 10 Jahren bei uns als Mieter. Wir würden das Haus komplett abreisen und komplett neu bauen.
Dort würde auch wieder eine Mietwohnung entstehen. Allerdings wird sicher 3-5 Monate keine Mietwohnung zur Verfügung stehen.

Der Neubau ist ab ca. Juni geplant.
Davor würden wir gerne die Mieter aus ihrer Wohnung haben, so dass wir das Haus abreissen können.

Antwort des Anwalts

Sie können Ihren Mietern nach § 573 BGB ordentlich kündigen.
Dazu müssen Sie folgendes wissen:

Der Vermieter hat hiernach ein berechtigtes Kündigungsinteresse, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an der angemessenen Verwertung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde (vgl. Überblick dazu bei Horst, DWW 2012, 46). Unter wirtschaftlicher Verwertung ist jede Verwertung des Grundstücks zu einem auf Gewinnerzielung gerichteten Zweck zu verstehen (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 79). Hierunter fallen Verkauf (BVerfG, NJW 1989, 972) und Belastung des Grundstücks mit dinglichen Rechten (Palandt/Weidenkaff § 573 Rn. 35) wie Erbbaurecht, Nießbrauch und Dauerwohnrecht (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 79), Umbau und Sanierung bzw. Modernisierung (MüKo/Häublein § 573 Rn. 84), Abriss mit anschließendem Neubau (BGH, NJW 2004, 1736; BGH, NJW 2011, 1135) sowie die Vermietung zu anderen als Wohnzwecken (Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 137).

Problematisch und streitig ist, was unter dem Begriff der Angemessenheit der wirtschaftlichen Verwertung zu verstehen ist (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 83 mit Nachweisen zum Streitstand; Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 140 ff. mit zahlreichen Beispielen insb. aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung). Richtig dürfte jedenfalls sein, dass die vom Vermieter angestrebte Verwertung angemessen ist, wenn vernünftige und nachvollziehbare Gründe sie tragen (BGH, NJW 2009, 1200 [BGH 28.01.2009 - VIII ZR 8/08]; BGH, NJW 2011, 1135 [BGH 09.02.2011 - VIII ZR 155/10]; MüKo/Häublein § 573 Rn. 88). Eine darüber hinausgehende wertende Betrachtung erfolgt nicht (LG Stuttgart, ZMR 1995, 259; Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 83).
Da jede rechtswidrige Verwertung damit ausgeschlossen ist (MüKo/Häublein § 573 Rn. 88), ist eine Kündigung unberechtigt, wenn die geplante Verwertung gegen öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse verstößt und etwa im Fall der Zweckentfremdung eine entsprechende Genehmigung nicht erteilt wird (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 84; Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 145). Ob die Genehmigung zum Kündigungszeitpunkt bereits vorliegen muss, ist streitig (bejahend OLG Hamburg, NJW 1981, 155; a.A. LG Mannheim, NZM 2004, 256)

Voraussetzung einer zulässigen Verwertungskündigung ist, dass der Vermieter im Fall des Scheiterns der Verwertung erhebliche Nachteile erlitte. Bei diesem Tatbestandsmerkmal muss eine Gesamtbetrachtung durchgeführt werden (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 86), da die Frage nach der Erheblichkeit eines Nachteils sonst nicht zu beantworten wäre. Erforderlich ist keinesfalls, dass der Vermieter ohne die Verwertung in Existenznot geriete (BVerfG, NJW 1989, 972 [BVerfG 14.02.1989 - 1 BvR 1131/87]) oder z.B. ein Verkauf zwingend notwendig wäre (BVerfG, NJW 1991, 3270 [BVerfG 20.09.1991 - 1 BvR 539/91]).

Ein erheblicher Nachteil ist bspw. anzunehmen, wenn der Vermieter auf den Erlös angewiesen ist, um einen verteuerten Kredit für sein Eigenheim zurückzuführen, er den Erlös für ein behindertengerechtes Haus benötigt oder erhebliche Steuerbefreiungen wegfallen (Palandt/Weidenkaff § 573 Rn. 36 mit weiteren Beispielen). Nachteile in diesem Sinn können auch Zinsverluste sein oder entgangene Geschäfte infolge der Nichterzielung eines Erlöses (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 90). Sie können ferner darin bestehen, dass das Haus andernfalls nur mit erheblichen Abschlägen veräußert werden könnte (Schmidt-Futterer/Blank § 573 Rn. 167; LG Detmold, NZM 2002, 339). Legt der Vermieter eine sehr erhebliche Wertdifferenz zwischen Verkauf in unvermietetem und in vermietetem Zustand dar, müssen in jedem Fall umfänglich die Einzelfallumstände geprüft werden (BVerfG, NZM 2004, 134 [BVerfG 12.11.2003 - 1 BvR 1424/02]). Zu diesen gehört insbesondere aber auch, ob der Vermieter das Haus bereits in vermietetem Zustand erworben hat, sodass nicht per se Verkaufspreise für vermietete und unvermietete Gebäude gegenübergestellt werden können (Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 152). In diesem Fall muss sich der Vermieter grds. entgegenhalten lassen, dass dem Grundstück von Beginn an der der durch die Vermietung begründete Minderwert anhaftete (BGH, NZM 2008, 281 [BGH 16.01.2008 - VIII ZR 254/06]). In die Abwägung einzubeziehende Gesichtspunkte sind auch die vom Vermieter durch die bestehende Vermietung erzielte Rendite und Renovierungsarbeiten und Eigenleistungen, die der Mieter erbracht hat (BVerfG, NZM 2004, 134 [BVerfG 12.11.2003 - 1 BvR 1424/02]). Schwankungen des Immobilienmarktes sollen zulasten des Vermieters gehen (OLG Stuttgart, ZMR 2006, 42 [OLG Stuttgart 26.09.2005 - 5 U 73/05]). Insgesamt gilt, dass es insb. für die Frage der Erheblichkeit des Nachteils keine allgemeine Regel gibt (Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 156). Vielmehr muss jeweils auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt (BGH, WuM 2011, 690) und eine Gesamtwürdigung vorgenommen werden, in die insb. auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vermieters einzubeziehen sind (BGH, NJW 2009, 1200 [BGH 28.01.2009 - VIII ZR 8/08]; BGH, NJW 2011, 1135 [BGH 09.02.2011 - VIII ZR 155/10]; Schmidt-Futterer/Blank § 573 Rn. 170 mit zahlreichen Beispielen aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung). Danach kann es z. B. einem Eigentümer ehemals staatlich (in der DDR) verwalteter Wohnungen nicht zugemutet werden, an den bei Aufhebung der staatlichen Verwaltung bestehenden Zuständen festzuhalten und dadurch dauerhaft Verluste ohne Verwertungsmöglichkeit hinnehmen zu müssen. Insbesondere kann er nicht pauschal darauf verwiesen werden, ein Erwerber könne nach Eigentumsübergang wegen Eigenbedarfs kündigen (BGH, NZM 2011, 773 [BGH 08.06.2011 - VIII ZR 226/09]). Abzuwägen sind das Bestandsinteresse des Mieters auf der einen und das Verwertungsinteresse des Vermieters auf der anderen Seite (BGH, NJW 2009, 1200 [BGH 28.01.2009 - VIII ZR 8/08]; a.A. (OLG Stuttgart, ZMR 2006, 42).

Durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses müssen die Hinderung der Verwertung und die erheblichen Nachteile kausal verursacht sein. Der Kündigungsschutz des Mietverhältnisses muss daher zum faktischen Verkaufshindernis werden (OLG Stuttgart, ZMR 2006, 42 [OLG Stuttgart 26.09.2005 - 5 U 73/05]). Allein die Tatsache der Vermietung der Wohnung hindert die Verwertung grds. ebenso wenig wie die bloße Erschwerung der Verwertung wegen der Vermietung ausreicht (OLG Stuttgart, ZMR 2006, 42 [OLG Stuttgart 26.09.2005 - 5 U 73/05]; Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 95). Bei Umbau- bzw. Sanierungsmaßnahmen ist die Frage entscheidend, ob den Mieter eine Duldungspflicht trifft bzw. er zur Duldung bereit ist (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 96). Im Fall des Verkaufs sind aber nicht erfolglose Verkaufsbemühungen Voraussetzung (BVerfG, WM 1998, 463).

Ausgeschlossen ist die Verwertungskündigung, wenn eine anderweitige Vermietung als Wohnraum zu einem höheren Preis beabsichtigt ist. Des Weiteren ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn sie in Zusammenhang mit der Umwandlung in Wohnungseigentum steht, da so eine Umgehung der Sondervorschriften in § 577a BGB verhindert werden soll (Palandt/Weidenkaff § 573 Rn. 38).

Die Gründe für eine Kündigung nach § 573 BGB müssen zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Kündigung ausgesprochen wird (Palandt/Weidenkaff § 573 Rn. 50). Dies gilt ebenso für Gründe, die erst nachträglich bekannt werden und vom Kündigenden in einem Prozess präzisiert (BVerfG, NJW-RR 2000, 673 [BVerfG 09.02.2000 - 1 BvR 889/99]) und nachgeschoben (BVerfG, NJW 1988, 2725 [BVerfG 01.07.1988 - 1 BvR 1390/87]) werden können. Da es sich bei den Kündigungstatbeständen des § 573 BGB grds. um zukunftsbezogene handelt, müssen die Gründe auch noch am Kündigungstermin, d.h. bei Beendigung des Mietverhältnisses vorliegen (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 53, 98, 121).

In Ihrem Falle können Sie sich also auf die eingangs zitierte BGH-Rechtsprechung stützen, wonach Abriss und Wiederaufbau von § 573 BGB gedeckt sind.
Bei der Kündigung müssen Sie noch auf folgendes achten:
Bei der Verwertungskündigung müssen Angaben verlangt werden über die geplante Verwertungsmaßnahme, deren Hinderung durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses sowie über die erheblichen Nachteile des Vermieters bei unterbleibender Verwertung (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 130). Die Kündigung sollte darlegen, welche baulichen Maßnahmen zu welchem Zweck durchgeführt werden sollen (LG Berlin, WuM 2009, 466). Inwieweit die Offenlegung der konkreten Kalkulation des Vermieters erforderlich ist (vgl. LG Berlin, WuM 2009, 466) oder eine konkrete Berechnung der Vermögenslagen mit und ohne Verwertung, ist streitig (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 130 mit Nachweisen zum Streitstand). Auch wenn dies der Sache nach nicht gefordert werden dürfte (MüKo/Häublein § 573 Rn. 101; Palandt/Weidenkaff § 573 Rn. 48; Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 130), muss in der Praxis doch dazu geraten werden, auch insoweit recht genaue Angaben zu machen (Flatow, NZM 2004, 281), da der Vermieter andernfalls Gefahr läuft, dass seine Angaben als zu pauschal beurteilt werden (Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 202). Z.T. wird von den Instanzgerichten die Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung gefordert (vgl. MüKo/Häublein § 573 Rn. 101). Nach der Rechtsprechung des BGH bedarf es jedoch zur Begründung einer Verwertungskündigung keiner Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung (z.B. zu einer Sanierungsalternative). Legt der Vermieter dennoch eine Berechnung vor oder bezieht er sich auf eine Berechnung, führen Fehler in dieser Berechnung ebenso wenig zu einer Unwirksamkeit der Kündigung aus formellen Gründen wie die Tatsache, dass es sich um eine veraltete Berechnung handelt. Dies kann i.R.d. Prüfung des erheblichen Nachteils des Vermieters i.R.d. materiellen Berechtigung der Kündigung eine Frage sein. Formelles Wirksamkeitserfordernis ist die Vorlage einer aktuellen Wirtschaftlichkeitsberechnung aber nicht (BGH, NJW 2011, 1135 [BGH 09.02.2011 - VIII ZR 155/10]). Angaben über erfolglose Verkaufsbemühungen sind anders als solche zu einem entstehenden Mindererlös (BVerfG, NJW 1992, 2411; MüKo/Häublein § 573 Rn. 101) nicht erforderlich (MüKo/Häublein § 573 Rn. 101; Staudinger/Rolfs § 573 Rn. 204; a.A. Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 130).
Bei Planung des Abrisses muss die entsprechende Genehmigung zwar nicht vorliegen (BayObLG, NJW-RR 1994, 78), jedoch die angestrebte Nutzung nach dem Abriss dargestellt werden sowie eine überschlägige Darlegung erfolgen, dass die angestrebte Nutzung erheblich wirtschaftlicher ist als die bisherige (Bamberger/Roth/Hannappel § 573 Rn. 130).

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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