Wie fordere ich rückständigen Unterhalt ein?

Online-Rechtsberatung
Stand: 08.04.2015
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Der Vater hat einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 42.570,39€, welcher der Mutter zusteht.

Ein Unterhaltstitel ist vorhanden. Das oben genannte Kind besucht derzeit die Schule (Schulbescheinigung vorhanden). Die Beistandschaft wurde vom Jugendamt beendigt.

Frage : Welche Schritte kann ich als Mutter unternehmen, um die Rückstände zu erhalten?

Antwort des Anwalts

Die wesentlichen, umfangreichen Handhaben mit einem rückständigen vollstreckbaren Unterhaltstitel wegen Kindesunterhalt sind nach Wahl des berechtigten Vollstreckungsgläubigers u.a. der Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher am Wohnsitz des Unterhaltsschuldners, vgl. § 754 ZPO 1), die Kontenpfändung der Bankkonten mithilfe eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, die Pfändung von Lohnforderungen des säumigen Unterhaltsschuldners und notfalls eventuell auch ein Insolvenzantrag. Im Rahmen des Vollstreckungsauftrags können dem Gerichtsvollzieher weitere Vorgaben gemacht werden, u.a. die Abnahme der Vermögensauskunft (die frühere Versicherung an Eides Statt bzw. EV), gegebenenfalls Antrag auf Haftbefehl etc.
Die Vollstreckung wird in den Titeln bereits normaler Weise begrenzt durch den notwendigen Selbstbehalt, der normaler Weise beim arbeitenden Kindesvater 1.080 Euro monatlich beträgt.
Vollstreckungsgläubiger von Kindesunterhalt ist immer das Kind. Solange es minderjährig ist, wird es regelmäßig durch die allein sorgeberechtigte Mutter vertreten. Nach Volljährigkeit ändert sich daran nichts. Vollstreckungsgläubiger ist dann also grundsätzlich nicht mehr die Mutter in Vertretung Ihres Kindes, sondern regelmäßig das mittlerweile volljährige Kind selbst. Anders verhält es sich beim ehelichen oder nachehelichen Ehegattenunterhalt oder dem Unterhaltsanspruch der Kindesmutter aus Anlass der Geburt nach § 1615l BGB
2). Darum dürfte es hier aber nicht gehen, derartige Ansprüche erreichen schon wegen der zeitlichen Begrenzung regelmäßig nicht eine derartige Höhe.
Bei der Vollstreckung gilt auch der Grundsatz, daß man die Kuh, die man melkt, nicht schlachten sollte.
Insofern mag es taktisch klug sein, immer nur wegen einer Teilforderung die Vollstreckung zu betreiben, die der Vollstreckungsschuldner voraussichtlich gerade noch akzeptieren wird. Dazu gehört allerdings viel Fingerspitzengefühl, denn ein Sozialhilfeempfänger als Vater zahlt mit Sicherheit überhaupt keinen Unterhalt mehr.

Gegebenenfalls kann bei eigener Bedürftigkeit dazu Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe (PKH) bzw. Verfahrenskostenhilfe auch im Rahmen der Vollstreckung in Anspruch genommen werden. Häufig wird daher erst einmal ein Entwurf eines Vollstreckungsauftrags bei Gericht eingereicht verbunden mit dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen. Dadurch kann die Kostenübernahme vorab kostengünstig geklärt werden.

Sie müssen allerdings mit mehreren Klippen rechnen:
Einer Vollstreckung wegen rückständigem Kindesunterhalt kann schon nach einem Jahr Nichtbetreibens der Einwand der Verwirkung entgegen gesetzt werden, vgl. Urteil des Oberlandesgericht Thüringen (OLG Jena) vom 17.01.2012, Aktenzeichen 2 UF 385/11 1). Auch wenn für die Verwirkung neben dem Zeitelement auch ein Vertrauenstatbestand notwendig ist nämlich schutzwürdiges Vertrauen darauf, daß auf die weitere Vollstreckung verzichtet wird, so ist die Rechtsprechung bei rückständigem Kindesunterhalt recht schnell bei der Verwirkung angekommen, weil der Kindesunterhalt natürlich eigentlich nur dazu dient, aktuellen Bedarf zu decken. Das ist bei Rückständen aber gerade nicht mehr der Fall.
Sofern der Kindesunterhalt ursprünglich aufgrund fiktiver Unterhaltszahlen festgesetzt worden war, könnte weiterhin inzwischen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer Vollstreckung entgegenstehen. Vergleiche dazu die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 2012 Geschäftszeichen 1 BvR 774/10; 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11
3). Die deutschen Gerichte hatten es bei den damals üblichen Schnellentscheidungen im Kindesunterhalt sich die Aufgabe zu leicht gemacht und versäumt, hinreichende und zwingend notwendige Feststellungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu treffen.

Als dritter Risikofaktor ist gegebenenfalls damit zu rechnen, daß der Kindesvater lediglich entweder in die Versicherung an Eides statt getrieben werden könnte, oder in die Insolvenz. Damit wäre langfristig auch nichts geholfen. Gegebenenfalls wäre zu empfehlen, mit dem Kindesvater eine Vereinbarung auszuhandeln, unter der ihm der (eventuell sowieso inzwischen wertlosen) Vollstreckungstitel wieder ausgehändigt werden, zu denken wäre an eine Einmalzahlung oder eine Ratenzahlungsvereinbarung. Auf freiwilliger Basis kann eine Zahlung natürlich immer noch erfolgen und entgegengenommen werden.
Ihre Frage/n ist/ sind damit beantwortet.
Bei Bedarf zur im Zusammenhang mit Ihrer Frage kostenlosen Nachbewertung können Sie Korrespondenz, Bescheide, Urteile etc. gerne noch nachreichen, bitte immer mit dem Bearbeitungszeichen oben im Betreff und cc an meine Emailadresse rechtsanwalt@anif.de zur schnelleren Bearbeitung.
Für weitere Rückfragen stehe ich gerne bei der Deutsche Anwaltshotline zu Ihrer Verfügung.

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.
*1) § 754 ZPO
Vollstreckungsauftrag und vollstreckbare Ausfertigung

(1) Durch den Vollstreckungsauftrag und die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung wird der Gerichtsvollzieher ermächtigt, Leistungen des Schuldners entgegenzunehmen und diese zu quittieren sowie mit Wirkung für den Gläubiger Zahlungsvereinbarungen nach Maßgabe des § 802b zu treffen.

(2) Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zwangsvollstreckung und der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen durch den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung ermächtigt. Der Mangel oder die Beschränkung des Auftrags kann diesen Personen gegenüber von dem Gläubiger nicht geltend gemacht werden.
Einzelheiten über den Vollstreckungsauftrag: http://www.soldan.de/
*2) Urteil des Oberlandesgericht Thüringen (OLG Jena) vom 17.01.2012, Aktenzeichen 2 UF 385/11 Volltextveröffentlichung:
http://files.vogel.de/

*2) § 1615l BGB
Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt

(1) Der Vater hat der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren. Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen.

(2) Soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren. Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(3) Die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten sind entsprechend anzuwenden. Die Verpflichtung des Vaters geht der Verpflichtung der Verwandten der Mutter vor. § 1613 Abs. 2 gilt entsprechend. Der Anspruch erlischt nicht mit dem Tode des Vaters.

(4) Wenn der Vater das Kind betreut, steht ihm der Anspruch nach Absatz 2 Satz 2 gegen die Mutter zu. In diesem Falle gilt Absatz 3 entsprechend.

*3) http://www.bundesverfassungsgericht.de/

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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