Kann dem Unterhaltspflichtigen ein Wohnvorteil angerechnet werden?

Online-Rechtsberatung
Stand: 02.06.2012
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin seit über einem Jahr getrennt lebend, die Scheidung läuft. Ich war verheiratet mit einer Thailänderin. Kurzzeitehe 1 Jahr. Ich wohne in Baden-Württemberg. Sie in Bayern, wo auch verhandelt wird. Für sie muß ich keinen Unterhalt zahlen, aber für Kind (117,00 montl.). Des weiteren noch eine Nachzahlung lt. Unterhaltsvorschußgesetz von montl. zwischen 20,- u. 40,- Euro zzgl. PK. Vom ersten Zug montl. 15,- Euro und 60 ,- PK im laufenden Verfahren, also ca. 212,- zusammen. Ich bin EU Rentner und habe 745,- EU-Rente sonst nichts. Bin insulinpflichtiger Diabetiker u. habe einen Schwerbehindertenausweis mit 80%. Wohne in einem alten Haus mietfrei v .Nachbarin, weil ich ihre Mutter bis zum Tod mitgepflegt habe. Jetzt wird mir vor Gericht Wohnvorteil angerechnet ein Geld, dass ich gar nicht habe, einfach zur EU-Rente hinzu. Ich wohne zwar mietfrei in dem Haus, muß aber für die Instandhaltung z.B. Gastherme entkalken, sonstige Schäden selber aufkommen. Weiter habe ich auch die Kosten für Gas/Wasser 123,- montl. u. Strom 41,- montl. sowie Müllgebühren, Schornsteinfeger selber zutragen. Ich muß auch noch ein Darlehen (Gesamthöhe 9000,-) mit montl. 200,- tilgen, dass ich jetzt schon ausgesetzt habe, da es mir nicht mehr reicht. Mir reicht es montl. kaum zum eigenen Lebensunterhalt zu decken.
Meine Frage: zu wieviel Unterhaltszahlung ect. kann ich lt. Düsseldorfer-Tabelle herangezogen werden oder ticken in Bayern die Uhren wirklich anders?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrter Mandant,
tatsächlich kann demjenigen, der Unterhalt zahlen muß, ein Wohnvorteil angerechnet werden. Normal ist diesen z. B. in Fällen, in denen Eigentumswohnungen oder eigene Häuser bewohnt werden und keine Miete zu zahlen ist. Dieses wird damit gerechtfertigt, daß bei der Berechnung des Einkommens, welches für die Düsseldorfer Tabelle maßgeblich ist, immer pauschal davon ausgegangen wird, daß eine Miete gezahlt wird. In dem sogenannten Selbstbehalt, den einem die Düsseldorfer Tabelle läßt, ist eine Warmmiete von monatlich 360,00 € eingerechnet. Da Sie nun Rentner sind, geht man davon aus, daß Sie monatlich nicht mehr als 770,00 € brauchen, um zu wohnen und sich zu unterhalten. Bei der Warmmiete sieht die Düsseldorfer Tabelle vor, daß darin 80,00 € für Nebenkosten enthalten sind, Ihnen wird also mindestens ein Wohnvorteil in Höhe von 280 € angerechnet. Würde man davon ausgehen, hätten Sie ein Einkommen von 745,00 € + 280,00 €. Da bleibt für Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle kein Platz, sprich es wäre nichts zu zahlen. Grundsätzlich wird beim Wohnwert zunächst davon ausgegangen, daß die ortsübliche Kaltmiete für ein vergleichbares Objekt anzusetzen ist. Das kann dann natürlich dazu führen, daß man plötzlich so viel "Einkommen" hat, daß die tatsächlich zur Verfügung stehenden Barmittel nicht mehr zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs ausreichen. In solchen Fällen ist dann nach - so der rechtliche Ausdruck - nach Treu und Glauben nicht der tatsächliche Wohnwert, sondern nur der angemessene Wohnwert zu berücksichtigen. Nach meiner Auffassung also nur der Wert, der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt, d. h. 280,00 €.
Das Gericht darf also grundsätzlich einen Wohnvorteil anrechnen, in Ihrem Fall darf das aber eigentlich nicht zu irgendwelchen Unterhaltszahlungen führen.
Da Sie krank sind, kann es sein, daß Sie besondere monatliche Kosten haben, z. B. für Medikamente oder ähnliches. Solche Kosten müssen zu Ihren Gunsten beim Einkommen berücksichtigt werden, d. h. Sie sollten aufschreiben, was Sie monatlich aufgrund Ihrer Erkrankungen an Kosten haben und Quittungen, Kassenbons oder ähnliches dazu legen. Das muß das Gericht dann berücksichtigen.
Bezüglich der Frage des Wohnvorteils habe ich noch etwas weiter recherchiert, ob es eine Lösung gibt, bei welcher überhaupt keine Anrechnung erfolgt.
Tatsächlich gibt es Fälle, in denen kein Wohnvorteil angerechnet wird. Das ist dann der Fall, wenn es sich um freiwillige Leistungen Dritter handelt. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung ist, wenn Verwandte eine Wohnung demjenigen, der anderen gegenüber Unterhalt zahlen muß, mietfrei überlassen.
In einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2005, Az. XII ZR 48/02 wird zu den freiwilligen Leistungen folgendes gesagt:
Das Unterhaltsrecht wird u.a. von dem allgemeinen Grundsatz geprägt, dass ohne Rechtsanspruch gewährte, freiwillige Zuwendungen Dritter nur dem Zuwendungsempfänger allein zugutekommen, sich aber auf ein Unterhaltsrechtsverhältnis nicht auswirken sollen, es sei denn, dem Willen des Zuwendenden läßt sich anderes entnehmen. Deshalb sind freiwillige Leistungen Dritter an den Unterhaltsverpflichteten bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit nur dann zu beachten, wenn sie nach dem Willen des Dritten nicht allein dem Unterhaltsverpflichteten, sondern auch dem Unterhaltsberechtigten zugutekommen sollen. Liegt keine ausdrückliche Willensbestimmung des Zuwendenden vor, läßt sie sich in der Regel aus den persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander erschließen (Senatsurteile vom 19. 5. 1999 XII ZR 210/97 - FamRZ 2000, 153, 154 und vom 22. 2. 1995 XII ZR 80/94 FamRZ 1995, 537, 538 f.).
Ich habe hier ein Zitat gewählt, damit Sie dieses eventuell in einem gerichtlichen Verfahren so wiedergeben können unter Hinweis auf das Aktenzeichen des Bundesgerichtshofes.
Ob in Ihrem Fall das mietfreie Wohnen als freiwillige Leistung Dritter zu beurteilen ist, hängt davon ab, wie die Gewährung erfolgt und auch, wie man argumentiert. Das hat folgenden Grund:
Solange Sie für das mietfreie Wohnen eine Gegenleistung erbringen, solange kann die Mietfreiheit einkommenserhöhend berücksichtigt werden. Angenommen, Sie wohnten schon mietfrei, als Sie Pflegeleistungen erbracht haben, dann war für diese Zeit durchaus ein Wohnvorteil anzurechnen. Nachdem nun aber keine Leistungen mehr erbracht werden, ist eine ersparte Miete auch nicht mehr zu berücksichtigen. Würde man hier sagen, daß das dauerhafte mietfreie Wohnen Gegenleistung für die inzwischen beendete Pflege ist, dann wäre der ehemalige Pfleger ja vollkommen überbezahlt, sollte er noch viele Jahre dort wohnen.
Ich kenne natürlich nicht sämtliche Einzelheiten Ihres Falles, aber hier könnte genügend Potential liegen, um eventuell auch so die Anrechnung eines Wohnvorteils zu verhindern.
Bei dem kostenlosen Wohnen hier, sollten bei der Argumentation immer darauf geachtet werden, daß klar wird, daß man Ihnen dadurch nicht ermöglichen wollte, mehr Unterhalt zahlen zu können.
Die einkommensmindernde Berücksichtigung von Schulden ist schwierig. Hinsichtlich von Raten für Prozesskostenhilfe ist das bei den Gerichten umstritten, d. h. manche lassen es zu andere nicht. Die Zulassung ist aus meiner Sicht die richtige Vorgehensweise. Bei anderen Schulden kommt es auf den Grund und den Zeitpunkt ihres Entstehens an. Wurden die Schulden z. B. für die Familie gemacht, im Vertrauen auf das dauerhafte Zusammenleben, dann sind solche Schulden berücksichtigungsfähig.
Nach dem mir bekannten Sachverhalt müssen Sie laut Düsseldorfer Tabelle keinen Unterhalt zahlen. Wird Ihnen ein recht hoher Wohnvorteil (mehr als 280,00 €) angerechnet, würden 117,00 € schon passen, allerdings halte ich die Anrechnung eines hohen Wohnvorteils für falsch.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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