Gültigkeit von Übergabeprotokoll: Unwissend unterschrieben

Online-Rechtsberatung
Stand: 13.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Am 23.02. fand ein Ortstermin zur Übergabe unserer Mietwohnung an unsere damalige Vermieterin statt (Kündigung zum 31.03.). Die Vermieterin stellte "Mängel" fest, die sie uns geldlich in Rechnung stellen wollte und dies vermerkte sie in einem "Übergabeprotokoll", welches wir - wie sich im Nachhinein herausstellte - überflüssigerweise unterzeichneten (wir: mein Lebensgefährte und ich).

Im Übergabeprotokoll steht drin, dass sie uns die Montage ihres alten Waschbeckens in Rechnung stellen will (dieses stand im Keller, da wir unsere eigenen Badmöbel verwendet haben); beim Ortstermin sagte sie dann, wir sollen das alte Waschbecken nicht montieren, sondern sie wolle ein neues kaufen und die Kosten dieser Montage an uns belasten;

Zweitens will sie uns die Kosten der von uns im Bad verursachten Bohrlöcher (Fachfirma hat unsere Badmöbel angedübelt und musste leider einige Fliesen bohren) belasten (10 Löcher mit Dübel, teilweise in Fliesen); und drittens hat sie den Parkettboden in der Wohnung für den Neumieter abziehen lassen und will uns nun die neuen Fußleisten in Rechnung stellen; als wir vor 8 Jahren einzogen, haben wir die 30 Jahre alten Fußleisten entfernt und entsorgt und neue angebracht; angeblich sei das nicht fachgerecht gemacht und deshalb sollen wir die Kosten hierfür übernehmen. Alles dies ist im Übergabeprotokoll kurz erwähnt.

Der von uns befragte Mieterbund teilte im ersten Schritt der Vermieterin mit, dass wir die Zahlung nicht übernehmen müssen, da es sich um eine normale Abnutzung der Mietsache handele, und setzte der Vermieterin eine Frist zur Rückgabe der Kaution; es kam eine Rückantwort des von ihr mittlerweile beauftragten Rechtsanwalts, dass wir aufgrund des unterzeichneten Protokolls unser Einverständnis zur Zahlung erklärt haben und nun die Kosten zu bezahlen hätten. Nachdem der Mieterbund dies registriert hatte (er hatte zuerst das Übergabeprotokoll wohl nicht gelesen), riet man uns dort zur Zahlung. Das haben wir vor 1 Woche getan (860€) und seither nichts mehr von der Vermieterin gehört. Wir haben nun folgende Fragen:

  1. Frage: gilt das Übergabeprotokoll, das wir beim Ortstermin unwissend unterschrieben haben als beiderseitige Willenserklärung quasi wie ein Vertrag und wir müssen kraft dieser irrtümlichen Einverständniserklärung diese Kosten tatsächlich übernehmen oder hat sie uns arglistig getäuscht und wir können anfechten? Der Anwalt der Vermieterin behauptet, es handelt sich um eine zwischen uns getroffene Vereinbarung ,die "wirksam" sei.

  2. Frage: Obwohl wir nun den geforderten Betrag überwiesen haben, ist die Kaution ja nach wie vor nicht an uns erstattet. Wie sollen wir uns verhalten, um sie zurückzuerhalten, da die Vermieterin sich nicht meldet.

  3. Frage: Sind dadurch, dass die Vermieterin selbst einen Anwalt bemüht hat, jetzt diese Kosten auch von uns zu bezahlen? Wir vermuten, dass sie uns diese nun auch in Rechnung stellen wird. Welche Restforderungen können im schlimmsten Fall noch auf uns zukommen?

Antwort des Anwalts

In der Praxis wird bei der Übergabe der Mietsache zwischen Vermieter und Mieter ein gemeinsamer Termin zur Übergabe der Mietsache vereinbart. Es wird dann i. d. R. ein Abnahme- oder Übergabeprotokoll verfasst.

Die Rechtsnatur dieses Protokolls muss im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden. Macht sich der Vermieter bei einer gemeinsamen Wohnungsbegehung nur Notizen, ohne dass es zu Erklärungen zum Zustand des Mietobjektes kommt und nimmt er dieses Papier nur zu seinen Unterlagen, handelt es sich nur um ein internes Papier, das keine Rechtsfolgen auslöst. Führen die Parteien eine gemeinsame Schlussbegehung durch und bleiben die Beanstandungen des Vermieters streitig, so dass der Mieter das Protokoll nicht unterzeichnet oder schweigt der Mieter zu den Feststellungen des Vermieters oder verweigert er anschließend die Unterschrift, richten sich die Folgen danach, ob der Vermieter dem Mieter eine Abschrift des Protokolls aushändigt. Soweit das Protokoll dem Mieter übermittelt wird, entfaltet es Außenwirkung.
Der Umfang der Außenwirkung ist streitig. Nach einer Ansicht hat das Protokoll nur die Bedeutung eines Beweisanzeichens und dient damit nur der Beweiserleichterung (Emmerich, NZM 2000, 162). Dies bedeutet, dass der Vermieter nicht gehindert wird, weitere Beanstandungen hinzu zu fügen, etwa solche, die er zunächst übersehen oder im Ausmaß falsch eingeschätzt hat (Emmerich, a. a. O.). Nach a. A. ist dieses Protokoll als Schuldanerkenntnisses des Vermieters i. S. v. § 397 Abs. 2 BGB anzusehen, was bedeutet, dass ein Nachschieben von Mängeln ausgeschlossen ist (Pfeilschifter, WuM 2003, 543, 550; LG Hamburg, ZMR 1999, 405).
Dagegen ist einzuwenden, das § 397 Abs. 2 BGB nach seinem Wortlaut ein vertragliches Anerkenntnis des Gläubigers erfordert, dass die Schuld nicht besteht. Dass es an einem Angebot und einer Annahme fehlt, wird insbesondere dann deutlich, wenn das Protokoll dem Mieter erst nachträglich durch die Post oder Boten zugeht. Nach h. M. ist der Sinn und Zweck des Abnahmeprotokolls darin zu sehen, dass eine Bestandsaufnahme gemacht wird, die den späteren Streit über das Vorhandensein und die Art von Schäden am Mietobjekt vermeiden soll (BGH, NJW 1963, 446, 448) [BGH 05.11.1962 - NotZ 11/62]. Insoweit darf der Mieter davon ausgehen, dass ihm nur die im Protokoll bemerkten Mängel angelastet werden (BGH, a. a. O.; AG Lörrach, WuM 1997, 218 [AG Lörrach 26.11.1996 - 4 C 2159/96]).
Ergeben sich bei der Besichtigung keine Beanstandungen und vermerkt der Vermieter den ordnungsgemäßen Zustand des Mietobjektes, hat er den Zustand als vertragsgemäß akzeptiert. Die vorbehaltlose Rücknahme führt dann zum Ausschluss von Ansprüchen aus später erkannten Mängeln (KG Berlin, GE 2003, 524; LG München I, NZM 2003, 714 [LG München I 25.09.2002 - 15 S 22038/01]).
Unterschreibt der Mieter das Protokoll, tritt über die Festlegung des Vermieters hinaus nunmehr auch eine Bindung des Mieters ein, dass in jeder Hinsicht die Schäden tatsächlich vorlagen. Aus der Unterzeichnung können aber allein noch nicht rechtliche Folgen gegen den Mieter abgeleitet werden (LG Rostock, WuM 2004, 214; Emmerich, NZM 2000, 162), zumal Schäden durch vertragsgemäßem Gebrauch entstanden sein können oder bei Einzug schon vorhanden waren.
Dies betrifft nun Ihren Fall. Sie haben – wie Sie schreiben vorschnell – unterschrieben. Damit ist aber noch nicht gesagt,
Etwas anderes gilt, wenn sich aus dem zusätzlichen Text des Protokolls eindeutig ergibt, dass der Mieter für die Mängel einstehen will, d. h., es liegt ein Anerkenntnis vor, dass zu seinen Lasten geht (LG Berlin, ZMR 2000, 535). In der Praxis verpflichtet sich der Mieter meistens, hierdurch die ausstehenden Reparaturen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erledigen oder ermächtigt den Vermieter, diese gegen Kostenerstattung durchzuführen (LG Berlin, a. a. O.).
Zu beachten ist allerdings, dass das Abnahmeprotokoll als Haustürgeschäft entsprechend § 312 BGB angesehen werden kann (vgl. dazu Löfflad, MietRB 2004, 87 ff.). Der Mieter ist sicherlich Verbraucher, wenn er als natürliche Person eine Wohnung für private Zwecke angemietet hat. Der Vermieter ist auch Unternehmer i. S. d. § 14 BGB, wenn ihm mehrere Wohnungen gehören. Dies hat die Rechtsprechung dann angenommen, wenn mehr als zwei Wohnungen gegeben sind (LG Köln, WuM 2000, 194 [LG Köln 26.01.1999 - 12 S 256/98]). Aber auch dann, wenn der Vermieter nur zwei Wohnungen hat, sich aber bei der Vermietung von einer professionellen Hausverwaltung vertreten läßt, liegt ein Handeln i. S. d. § 14 BGB vor (LG Wiesbaden, WuM 1996, 699 [LG Wiesbaden 01.07.1996 - 1 S 434/95]; AG Waiblingen, WuM 1996, 197). Weitere Voraussetzungen für die Annahme eines Haustürgeschäftes ist es, dass ein entgeltlicher Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn im Übergabeprotokoll vom Mieter bestätigt wird, dass er für bestimmte Mängel verantwortlich ist und sich verpflichtet, Leistungen auszuführen oder Zahlungen zu erbringen bzw. auf Forderungen, z. B. Auszahlung der Kaution, zu verzichten (vgl. dazu Löfflad, a. a. O., 83, 84). Letztlich müssen die Verhandlungen in einer Privatwohnung stattfinden. Es ist nicht erforderlich, dass dies in der zurück zu gebenden Wohnung geschieht. Zum Bereich der Privatwohnung gehört auch der Hausflur sowie dazugehörende Anlagen wie Garagen oder private Parkplätze (Schmidt-Futter/Blank, vor § 535 Rn. 57). Auch das Auto eines Dritten kann dazu gehören (LG Köln, WuM 2000, 194 [LG Köln 26.01.1999 - 12 S 256/98]). Liegen alle Voraussetzungen vor, kann der Mieter die Vereinbarung des Protokolls innerhalb von zwei Wochen in Textform widerrufen (Löfflad, a. a. O.). Die Frist beginnt erst mit der ordentlichen Belehrung des Mieters über sein Widerrufsrecht. Wird der Mieter nicht belehrt, wofür der Vermieter beweispflichtig ist, kann der Mieter zeitlich unbefristet einen Widerruf aussprechen (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB). Auf die vollständige Erbringung der Leistung, die teilweise mit der Beendigung des Mietvertrages angenommen wurde (LG Köln, a. a. O.) kann sich der Vermieter nach dem Wegfall des § 2 HTWG nicht mehr berufen (Löfflad, a. a. O., 89). Der Widerruf ist ausgeschlossen, wenn der Mieter zu einem Übergabetermin einlädt und den Gegenstand der Verhandlung genau bezeichnet. Allein daraus, dass der Vermieter zur Übergabe der Wohnung eingeladen wird, kann nicht geschlossen werden, dass eine Einladung zu einem konkreten Verhandlungsinhalt vorliegt, da der Mieter ja davon ausgeht, dass die Wohnung in vertragsgemäßem Zustand zurückgegeben wird (Löfflad, a. a. O.). Weiterhin muss der Vermieter beweisen, dass der Mieter ihm zum Abschluss der konkret getroffenen Vereinbarung bestellt hat (Löfflad, a. a. O.).
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Es kommt weiterhin in Betracht das deklaratorische oder das konstitutive Schuldanerkenntnis. Das Protokoll kann eine Beweiserleichterung sein, das u. U. zur Beweislastumkehrung führen kann. Bestätigt daher der Mieter z. B., dass Schäden in der Wohnung vorhanden sind oder dass Schönheitsreparaturen nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sind, muss er später nachweisen, dass dem Vermieter keine oder geringere Ansprüche zustehen (BGH, WuM 1974, 411).

Werden im Übernahmeprotokoll Renovierungsmängel festgestellt, liegt darin aber noch nicht das konstitutive Anerkenntnis des Mieters, die Mängel zu beseitigen (Sternel, Mietrecht, II Rn. 434). Enthält allerdings das Abnahmeprotokoll die Verpflichtung des Mieters, bestimmte Renovierungsarbeiten durchzuführen, ist darin ein konstitutives Schuldanerkenntnis zu sehen (AG Münster, WuM 1987, 53). Dieser kann dann nicht einwenden, er wäre nach dem Vertrag gar nicht zur Durchführung von Rreparaturen verpflichtet (Bub/Treier-Scheuer, V A Rn. 192).

Dies trifft nun Ihren Fall. Sie haben hier – wie oben ausgeführt – einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Ob Sie nun tatsächlich zurücktreten können, muss sich an den genannten Kriterien zeigen.
Die Anfechtung ist zwar möglich, hier haben Sie aber das Problem mit der Beweislast. Es wird sich nur schwerlich beweisen lassen, dass Sie arglistig getäuscht wurden. Denn zur Arglist gehört einiges mehr als das, was Sie in dem Sachverhalt geschildert haben.
Die Täuschung verlangt wie nach § 263 StGB, dass der Täuschende beim Getäuschten einen Irrtum hervorruft, aufrechterhält oder bestärkt, indem er falsche Tatsachen vorspiegelt bzw wahre Tatsachen entstellt oder unterdrückt (BGH NJW 57, 988; AnwK/Feuerborn § 123 Rz 23). Im Gegensatz zum strafrechtlichen Betrug ist weder eine Bereicherungsabsicht des Täuschenden noch eine Schädigung des Getäuschten erforderlich (Köln VersR 04, 907). Die Täuschung kann durch positives Tun oder Unterlassung erfolgen und muss pflichtwidrig sowie arglistig geschehen.
Arglist Im Sinne der Vorschrift bedeutet Vorsatz. Der Vorsatz muss sich auf die Täuschung, Irrtumserregung und Kausalität beziehen (BGH NJW 99, 2806). Bedingter Vorsatz ist ausreichend (BGHZ 168, 69). Der Täuschende muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten (BGH NJW 01, 2327). Es genügt das Bewusstsein, dass der Erklärende seine Erklärung ohne die Täuschung möglicherweise nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgegeben hätte (BGH NJW 98, 1316; 00, 2499). Der Täuschende handelt dagegen nicht arglistig, wenn die Fehlerhaftigkeit seines Handelns nahe liegt, er aber darauf vertraut, der Umstand werde nicht vorliegen (Erman/Palm § 123 Rz 28). Arglistig handelt auch, wer zu Fragen von erkennbar maßgeblicher Bedeutung für den Kontrahenten ohne hinreichende Grundlage - sich als unzutreffend erweisende - Erklärungen ins Blaue hinein abgibt (BGHZ 74, 392; NJW 06, 2839 Tz 13; 08, 644 Tz 49). Ein Schädigungsvorsatz oder eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich (BGH NJW 74, 1506; 00, 2499). Auch die Täuschung in wohlmeinender Absicht ist arglistig, denn auf die Intention kann es beim Schutz der freien Willensentschließung nicht ankommen (MüKo/Kramer § 123 Rz 9; BaRoth/Wendtland § 123 Rz 19; Medicus AT Rz 789; aA BGH BB 54, 785; Palandt/Ellenberger § 123 Rz 11).
Konkret ist die Montage des Waschbeckens eine berechtigte Schadenposition, ebenso das fachgerechte Versorgen der Bohrlöcher. Hinsichtlich des Parkettbodens und der Fußleisten hätte man sich zwar streiten können, aber Arglist hat, wie die oben zitierte Rechtsprechung und Literatur zeigt, doch noch eine andere Qualität.

Zu Frage 2:
Die Kaution ist nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Abrechnung fällig. Nachdem keine weiteren Schäden mehr zu begleichen sind und der Mietzins auch bezahlt ist, könnte noch die Abrechnung der Nebenkosten eine Rolle spielen.
Mit der Beendigung des Mietverhältnisses entsteht - sofern die Mietsicherheit wie in Ihrem Falle nach Zahlung der Schadensumme nicht benötigt wird - der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution. Dem Vermieter ist aber eine angemessene Frist zur Feststellung evtl. bestehender Ansprüche zu gewähren. Der BGH hat die Festsetzung einer festen Abrechnungsfrist abgelehnt, aber bei noch ausstehenden Forderungen, z.B. aus einer Betriebskostenabrechnung, einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten als für den Vermieter erforderlich und für den Mieter akzeptabel angesehen (BGH 18.01.2006 - VIII ZR 71/05).
Sie müssen daher vermutlich damit rechnen, dass die Vermieterin unter Hinweis auf diese Rechtsprechung die Sechsmonatsfrist ausnutzen wird. Einen Vorteil hat sie davon ja keinen, weil auch die Zinserträge aus der Mietsicherheit Ihnen zustehen und in der Abrechnung berücksichtigt werden müssen.
Zu Frage 3:
Abschließend wollen Sie noch wissen, ob Ihnen auch die Anwaltsgebühren der Vermieterin in Rechnung gestellt werden können.
Hierzu ist zu sagen, dass die Anwaltsgebühren dann von der Gegenseite verlangt werden können, wenn Sie sich Ihrerseits mit der Ihnen obliegenden Leistung in Verzug befunden haben. Zum Verzug gehört neben der Fälligkeit, dass Sie trotz Mahnung nicht geleistet haben.
Voraussetzung für den Schuldnerverzug ist die Fälligkeit der Leistung. Die Pflicht ist fällig, wenn der Schuldner sie erfüllen muss, nicht, wenn er sie schon erfüllen darf (s. § 271). Die Fälligkeit kann durch eine Frist oder ein Datum bestimmt sein. Möglich ist auch, dass der Gläubiger die Fälligkeit als Bestimmung des Leistungsinhalts selbst festlegen kann. Ist über die Fälligkeit keine Vereinbarung getroffen worden, ist nach § 271 I die Leistung sofort fällig, wobei freilich dem Schuldner bisweilen eine Prüffrist zugebilligt wird (Saarbr MDR 07, 1190; s. § 16 Nr 3 I VOB/B; ausf Leuschner, AcP 207 [2007] 64 ff). Soweit Fälligkeitsfristen gelten, kommen §§ 186-193 zur Anwendung (BGH NJW 07, 1581). Bei Bestimmung nach billigem Ermessen gem § 315 tritt die Fälligkeit mit der Erklärung nach § 315 II (BGH NJW 06, 2472) oder mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils nach § 315 III 2 (BGH NJW 05, 2919; BGH NJW 06, 2472) ein. Unterlässt der Gläubiger die gebotene Mitwirkung, ist der Verzug ausgeschlossen (BGH NJW 96, 1745, 1746; Gursky AcP 173 [1973] 450 ff); dies ist richtlinienkonform (Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 18); richtigerweise wird durch Gläubigerverzug sogar die Fälligkeit beseitigt (AnwK/Schmidt-Kessel § 293 Rz 23).

Der Anspruch muss voll wirksam und durchsetzbar sein. Hat der Schuldner eine dauernde (zerstörende) oder aufschiebende (hemmende) Einrede (etwa §§ 214, 379, 438 IV 2, 771, 821, 853, 2014 f), dann tritt Verzug grds nicht ein (BGHZ 104, 6, 11; Jauernig/Stadler § 286 Rz 13).
Voraussetzung ist zunächst, dass der Schuldner eine Leistung, zu der er gesetzlich oder aufgrund Vertrages verpflichtet ist, nicht erbracht hat, sei es, dass er die nach dem Inhalt der Pflicht erforderliche Leistungshandlung nicht vorgenommen hat, sei es, dass trotz Leistungshandlung ein geschuldeter Leistungserfolg (noch) ausgeblieben ist. Ob Nichthandeln oder Ausbleiben eines Leistungserfolges als Leistungsverzögerung zu sehen ist, hängt vom Inhalt der jeweiligen Leistungspflicht ab (s. §). Für Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Geldschuld kommt es anders als nach früherer Rechtslage (s. 3. Aufl sowie § 270 Rn 7) auf die Ankunft des Geldes beim Gläubiger an (s. EuGH 3.4.08, C-306/06, dazu Anm Gsell GPR 08, 165; vgl Köln ZIP 06, 1986 [unrichtig NJW 07, 1024: „Hamm“]). § 270 lässt eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zu (vgl Staud/Bittner [2004] § 270 Rz 36; Gsell GPR 08, 165).

Regelmäßig genügt nach § 286 I Fälligkeit der Forderung allein nicht, um aus der Säumnis rechtlich Verzug werden zu lassen. Der Gläubiger muss vielmehr dem Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit durch eine Mahnung deutlich machen, dass die Säumnis für ihn nachteilige Folgen haben kann (zu gemeinschaftsrechtlichen Bedenken Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 19). Die Mahnung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Aufforderung, die geschuldete Leistung zu erbringen (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 662). Der Streit, ob die Mahnung eine Willenserklärung oder eine geschäftsähnliche Handlung (hA: BGH NJW 87, 1546, 1547) ist, darf als theoretisch offen bleiben, weil auch bei Annahme einer geschäftsähnlichen Handlung die Vorschriften über Willenserklärungen analog anzuwenden sind (BGHZ 47, 352, 357). Die Mahnung muss daher zugehen, kann ggf angefochten werden (s. Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 662). Bei Stellvertretung gelten die Regeln des § 180 (BGH NJW 06, 687, 688 [Verneinung von Vertretungsmacht und Genehmigung in diesem Fall jedoch sehr zweifelhaft]). Eine vor Fälligkeit erfolgte Mahnung ist wirkungslos (BGHZ 103, 62, 66). Die Mahnung kann jedoch mit der die Fälligkeit begründenden Erklärung verbunden werden (RGZ 50, 255, 261; BGH NJW 10, 2940 Rz 14) und wird regelmäßig in den Fristsetzungen nach § 281 I 1 oder § 323 I (s. § 281 Rn 5, § 323 Rn 15 ff) zu sehen sein. Mit Zugang der Mahnung beginnt der Verzug (Schneider NJW 80, 1375).
Die Mahnung muss hinreichend bestimmt (anders bei unbestimmten Forderungen: BGH NJW-RR 90, 323, 325 [Schmerzensgeld]) und eindeutig sein sowie erkennen lassen, dass das Ausbleiben der Leistung Folgen haben kann (BGH NJW 98, 2132, 2133). Als verzugsbegründende Mahnung genügt jede eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit welcher der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt (Jauernig/Stadler § 286 Rz 18); die erstmalige Rechnungszusendung ist jedoch - ohne Hinweis auf Verzugseintritt oder -wirkungen - keine Mahnung (BGH NJW 10, 2940 Rz 18). Die Ankündigung bestimmter Rechtsnachteile oder gar eine Rechtsfolgenbelehrung ist nicht erforderlich (BGH NJW 98, 2132, 2133); eine Ausnahme davon bildet § 38 I VVG. Die Anmahnung eines nur hilfsweise geltend gemachten Anspruchs ist möglich (BGH NJW 81, 1732). Die Mahnung kann formlos (LG Frankfurt NJW 82, 650 [Versform]), uU auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (BGHZ 80, 269, 277 und 96, 182, 194 [jeweils Vorlage des Wechsels zur Zahlung]; BGH NJW 85, 2526 [berechtigtes Nachlieferungsverlangen wegen Mangel der Kaufsache]). Bei § 536a I Var 3 soll die Mängelanzeige nach §§ 536c I 1, II 2 Nr 2 nicht genügen (s. § 536a Rn 6 sowie Palandt/Weidenkaff § 536a Rz 12).
Die Mahnung muss sich grds auf den richtigen Umfang der Forderung beziehen; Mahnungen, mit denen zuviel gefordert wird, sind grds unwirksam (BGH NJW 06, 769). Geringfügige Überschreitungen des geschuldeten Betrags sind mit Blick auf § 242 unschädlich (s. BGH NJW 91, 1823; abw BGH VersR 85, 533 [für die qualifizierte Mahnung nach § 39 I VVG aF = § 38 I VVG nF]). IÜ wirkt eine „Zuvielmahnung“ verzugsbegründend, wenn der Schuldner sie als Aufforderung zur Bewirkung des tatsächlich geschuldeten Betrags versteht oder verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme des geringeren Betrags bereit ist (BGHZ 146, 24, 35; BGH NJW 06, 3271, 3272). Entspr gilt, wenn eine Leistung zu abweichenden Bedingungen angemahnt wird (BGH WM 89, 1897, 1898 [Leistung an Rechtsanwalt statt auf Notaranderkonto]). Ist der angemahnte Betrag zu gering, kann nur über diesen geringeren Betrag Verzug eintreten (BGH NJW 82, 1983, 1985).
Eine Mahnung kann unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich sein, insb, wenn für die Leistung ein kalendermäßig festgesetztes Datum bestimmt ist (§ 286 II Nr 1; „dies interpellat pro homine“). Dazu muss ein Kalendertag wenigstens mittelbar bezeichnet sein (BGH NJW 92, 1628, 1629), was auch nachträglich durch einvernehmliche Festlegung (BGHZ 149, 283, 288) oder durch Ausübung eines einseitigen Bestimmungsrechts (BGHZ 110, 74, 76) geschehen kann; eine unbillige Bestimmung der Leistungszeit ist nach § 315 III 2 unwirksam und kann den Verzug daher nicht herbeiführen (BGH BB 06, 1819), jedoch kann in der unbilligen Bestimmung eine wirksame Mahnung zu sehen sein (BGH BB 06, 1819, Rz 10). Die einseitige Festlegung einer Leistungszeit durch den Gläubiger reicht, sofern dieser nicht nach § 315 zur Bestimmung der Leistung berechtigt ist, für § 286 II Nr 1 nicht aus (BGH NJW 06, 3271; 08, 50). Bloße Berechenbarkeit des Leistungstermins genügt nicht (Jauernig/Stadler § 286 Rz 27). Fordert der Gläubiger mehr als im zusteht, kann dies den Verzugseintritt infrage stellen; es gelangen dann die bei der Zuvielmahnung entwickelten Regeln (s. Rn 13) zur Anwendung (BGH NJW 06, 3271).
Entbehrlich ist die Mahnung ferner dann, wenn eine kalendermäßige Berechnung des Termins deshalb möglich ist, weil der Leistung ein Ereignis wie Kündigung, Leistungsabruf, Rechnung (BGH NJW 07, 1581, 1582), Beginn von Bauarbeiten, Aufhebung eines Vertrages, notarielle Beurkundung (vgl BGH LM § 284 Nr 46), notarielle Fälligkeitsmitteilung beim Grundstückskauf oder Kauf vom Bauträger (Saarbr OLGR Saarbrücken 06, 705; Bambring DnotZ 01, 590, 611; Hertel DNotZ 01, 910, 914) usw vorauszugehen hat und eine Frist ab diesem Ereignis zu laufen beginnt (§ 286 II Nr 2). Bsp sind „20 Tage nach Lieferung“ oder „10 Tage ab Abnahme“. Die vereinbarte Frist muss nach dem Wortlaut der Vorschrift freilich angemessen sein, sonst läuft eine angemessene Frist, was freilich eine sichere Bestimmung des Verzugseintritts nicht ermöglicht. Für den Lauf der Frist gelten §§ 186-193 (BGH NJW 07, 1581, 1582). Für Verbraucherverträge tritt § 286 II Nr 2 in ein Spannungsverhältnis zu § 309 Nr 4 (s. § 309 Rn 23). Die Vereinbarung von Fristen, welche für ihren Beginn an ein aus dem Vertrag nicht ersichtlichen Verhältnis anknüpfen, stellt dem Unternehmer nämlich von der Obliegenheit frei, den Verbraucher zu mahnen (U/B/H/Hensen § 309 Nr 4 Rz 5). Im Blick auf § 310 III verbleibt § 286 II Nr 2 bei Verbraucherverträgen damit praktisch kein Anwendungsbereich. Das ist richtlinienkonform. Ausgeschlossen ist damit auch der Verzugseintritt mit Ablauf einer angemessenen Frist nach notarieller Fälligkeitsvereinbarung beim Grundstückskauf oder Kauf vom Bauträger durch Verbraucher (Grziwotz DB 05, 2064, 2065 f).
Als Mahnungssurrogat gilt auch der in § 286 II Nr 3 geregelte Fall einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung, welcher einen großen Teil der Rspr (etwa BGH NJW 86, 842; 88, 485) zur Entbehrlichkeit der Mahnung in § 284 aF „einfangen“ soll (Palandt/Grüneberg § 286 Rz 24). Die Endgültigkeit muss sich nur auf eine hinreichende Sicherheit beziehen, dass der Schuldner nicht rechtzeitig leisten wird. Die Vorschrift ist damit weiter auszulegen als §§ 281 II Alt 1, 323 II Nr 1 und erfasst auch den Fall der angekündigten Leistungsverspätung. So genügt etwa die grundlose Einstellung jeder Unterhaltsleistung (Schlesw FamRZ 85, 735). Auch eine Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit kann die Folgen von Nr 3 auslösen; Verzug tritt in diesem Fall zugleich mit Fälligkeit ein (BAG NJOZ 06, 2610 Rz 38).
In Ihrem Falle ist also zu differenzieren: Ist tatsächlich schon Verzug eingetreten, bevor der Anwalt der Gegenseite sich gemeldet hatte, dann sind seine Kosten als Verzugsschaden von Ihnen zu erstatten. Ist erst durch Ihn der Verzug herbeigeführt worden, dann bleiben die Kosten bei der Gegenseite.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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