Balkonentwässerung - DIN-Norm bindend?

Online-Rechtsberatung
Stand: 11.10.2013
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Im August 2010 haben wir eine Neubau-Eigentumswohnung, direkt vom Bauträger gekauft, bezogen. nach wenigen Wochen mussten wir feststellen, dass vom Balkon der über unserer Wohnung gelegenen Wohnung Regen-u.Schmutzwasser auf unseren Balkon abtropft, weil an allen Balkone (8 Wohnungen) keine Regenrinnen angebracht wurden. Den Bauträger bzw. Planer darauf angesprochen erklärten,, dies wäre bauartbedingt und deshalb von uns so hinzunehmen. Im Internet ist mir ein Inserat eines Herstellers von Balkonentwässerungseinrichtungen aufgefallen und dort stand zu lesen: Bei mehrgeschossigen Gebäuden dürfen Balkone laut DIN 1986-100 nicht über Tropfleisten entwässert werden, sondern nur gezielt über Balkonrinnen. Dies habe ich den o.g. Personen mitgeteilt und ich bekam die Antwort: Die DIN-Norm ist für uns nicht bindend, wir planen und bauen nach den "anerkannten Regeln der Bautechnik". Meine Frage: Ist die DIN wirklich so einfach zu umgehen?

Antwort des Anwalts

Auszugehen ist zunächst von Ihrem Bauvertrag und dessen Inhalt. Denn der geschuldete Erfolg, also der Sollzustand, ergibt sich nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB in erster Linie aus der Parteivereinbarung. In der Leistungsbeschreibung Ihres Vertrages sind Regenrinnen offensichtlich nicht als zu erbringende Leistung vereinbart worden. Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung des Sollzustands, so ist nach § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB zunächst der vertraglich vorausgesetzte Gebrauch für seine Bestimmung maßgebend. Da die Balkonkonstruktion nach der vereinbarten Leistungsbeschreibung/Leistungsverzeichnis keine Regenrinnen vorsieht, besteht keine Abweichung der Sollbeschaffenheit von der Istbeschaffenheit. Bitte schauen Sie deshalb in Ihr Leistungsverzeichnis. Denn grundsätzlich gilt, dass der Unternehmer/Bauträger nur die Leistungen schuldet, die tatsächlich vereinbart wurden. Diese wird er erbracht haben, da nach Ihren Angaben davon ausgegangen werden muss, dass eine Abnahme bereits stattgefunden und das Werk von Ihnen als vertragsgemäß anerkannt wurde.

Es stellt sich dennoch die Frage, ob bei Nichtbeachtung geltender DIN-Normen ein Sachmangel iSv § 633 BGB vorliegt, der gem. § 634 BGB zur Nachbesserung berechtigt. Auch ohne besondere Beschaffenheitsvereinbarung kann der Besteller idR davon ausgehen, dass bei der Errichtung des Werks die anerkannten Regeln der Technik beachtet werden. Nach geltendem Recht ist die Beachtung der Regeln der Technik Teil dessen, was üblich ist und der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann, vgl. § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB. DIN-Normen und ähnliche technische Regelungswerke mit Empfehlungscharakter geben einen Anhaltspunkt für die Einzelheiten des einzuhaltenden Standards, sind jedoch keine gesetzlichen Regelungen, die eingehalten werden müssen (vgl. BGHZ 139, 16: Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regeln mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben.). Allgemein gilt, dass die in Regelwerken zusammengefassten Normen wie DIN-Normen zwar allgemein anerkannte Regeln der Technik sein können, sie brauchen es aber nicht zu sein, vgl. BGH NJW 2007, 2983. Die Nichteinhaltung von DIN-Normen stellt damit nicht zwingend einen Sachmangel dar.

Es bedarf zwar im Prozess über die Nacherfüllung keiner gesonderten Darlegung durch den Besteller, sondern es reicht aus, wenn er die Mangelsymptome unter Beweisantritt durch ein Sachverständigengutachten behauptet, vgl. BGH NJW-RR 2000, 309. Ob der Einbau von Regenrinnen nicht nur von der DIN-Norm 1986-100 gefordert wird, sondern darüber hinaus auch Inhalt der anerkannten Regeln der Technik ist, obliegt jedoch der Feststellung eines Bausachverständigen. M.E. bestehen hier zumindest Bedenken. Denn es ist nicht zwingend und auch nicht Standard, dass ein freistehender Balkon bei Regenfällen im Innenbereich trocken bleiben muss. Um dies weitestmöglich zu gewährleisten, beinhalten die Empfehlungen in den DIN-Normen den Einbau von Regenrinnen. Eine zwingende Vorschrift ist dies jedoch nicht. Es wäre deshalb vor Klageerhebung zu empfehlen, zunächst ein selbständiges Beweissicherungsverfahren durchzuführen.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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