Abhilfe von der Gemeinde wegen Straßenzustand

Online-Rechtsberatung
Stand: 29.01.2014
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin Eigentümer eines Grundstücks in Brandenburg am südlichen Stadtrand von Berlin. Die Gegend ist geprägt von ca. 1000 Quadratmeter großen Grundstücken, bebaut mit Einfamilienhäusern. Die verkehrliche Anbindung erfolgte bis vor einigen Jahren über eine unbefestigte Straße. Der Straßenzustand war unbefriedigend, aber Standard. Eine kanalisierte Straßenentwässerung gibt es bis heute nicht.
Vor ca. 8 Jahren wurde die Straße erstmalig durch eine mechanische Stabilisierung „ ertüchtigt „. Dass heißt, es wurde ein Gemisch aus Schotter, Splitt, Brechsand und feineren Bestandteilen aufgetragen und verdichtet. In größeren Abständen wird diese Art Befestigung wieder aufgelockert und neu verdichtet ( profiliert ). Mein Grundstück ist von der Straße her abschüssig und liegt an der Grundstücksgrenze ca. 20 Zentimeter tiefer als die Befestigung. Die Längs- und Querneigung der Straße zu meinem Grundstück hin bringt es mit sich, dass ca. 150 Quadratmeter Straßenfläche auf mein Grundstück entwässern, und zwar an der Stelle, wo sich eine mit Kopfsteinen gepflasterte Zufahrt befindet. Bei einem pro Jahr statistisch einmaligem Berechnungsregen von 100 Litern pro Sekunde und Hektar sind das immerhin ca. 1 Kubikmeter Wasser. Dieses Wasser, angereichert mit Feinbestandteilen bis zu Brechsand der Korngröße 4mm, fließt über meine Zufahrt und sucht sich dann, am Car-Port vorbei, seinen Weg in tieferliegende Grundstücksflächen. Das Resultat ist, dass meine Zufahrt und angrenzende Gebiete einer Zufahrt zur Müllkippe nicht unähnlich sind. Versuche, den Schlammeintrag mit Schippe, Besen und Karcher zu beseitigen, scheitern an der fast zementartigen Konsistenz der Feinbestandteile.
Ich habe mich mein Leben lang als Projektleiter mit der Planung von Straßen beschäftigt. In der Einleitungsvorlesung an der Hochschule wurden einem die Todsünden des Straßenbauers vermittelt. Die erste lautete: leite nie Oberflächenwasser von öffentlichem Straßenland auf privaten Grund.
Meine Frage an Sie lautet schlicht und ergreifend: Habe ich das Recht (und wenn ja, auf welcher Grundlage) von der Gemeinde Abhilfe zu fordern und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Ich gehe davon aus, dass Ihre Auskunft gerichtsfest ist.

Nachtrag vom 18.06.2013:

...Ich habe recherchiert. Die Gemeinde Zeuthen hat offensichtlich keine eigene Straßensatzung.
Hinweise zu der Thematik habe ich gefunden im " Gemeindestraßen-Leitfaden Brandenburg, Ausgabe 2012, Pkt. 4.10 Integration der Entwässerungsanlagen ".
Eine zulässige Möglichkeit der Entwässerung in privaten Grund habe ich nicht gefunden.

Antwort des Anwalts

Habe ich das Recht (und wenn ja, auf welcher Grundlage) von der Gemeinde Abhilfe zu fordern und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.

Antwort Rechtsanwalt:

Das Wort Abhilfe ist zunächst ein technischer Begriff, vgl. § 72 VwGO *1), der vermutlich nicht das trifft, was Sie eigentlich fragen möchten. Die Ausgangsbehörde im Widerspruchsverfahren kann entweder abhelfen oder die Angelegenheit der Widerspruchsbehörde vorlegen. Ich erlaube mir darum, Ihr Frage etwas weiter zu verstehen danach, welche rechtlichen Schritte Sie mit Aussicht auf Erfolg gegenüber der Gemeinde unternehmen können.
Ansatz für rechtliche Schritte gegenüber der Gemeinde ist das Brandenburgische Wassergesetz (BbgWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 02. März 2012 (GVBl.I/12, [Nr. 20]).

Anspruchsgrundlage ist § 66 BbgWG 2) i.Vb. m.. § 56 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) 3).
Danach ist die Gemeinde zur Abwasserbeseitigung verpflichtet. Diese Pflicht zur Abwasserbeseitigung hat auch individualschützenden Charakter, jedenfalls insoweit, als die Gemeinde diese Pflicht nicht einfach durch derartige Entsorgung auf Privatgrundstücke erledigen darf.

Nach Beschluss des Bundesverfwaltungsgerichts vom 28.06.2011 (Az. BVerwG 9 B 99.10 *4) (Vorinstanzen OVG Mecklenburg-Vorpommern - 01.09.2010 - AZ: OVG 1 L 13/09 Schwerin - 11.09.2008 - AZ: VG 7 A 1732/03) ist die Gemeinde als Trägerin der Strassenbaulast auch die Verpflichtete.

Richtige Klageart:

Von den gesetzlich in §§ 40 ff. VwGO ausdrücklich vorgesehenen Klagearten greift keine direkt ein.

Da die Einleitung von des Wassers nicht willensgesteuert ist, liegt vorerst noch kein belastender Verwaltungsakt vor. Somit kommt eine Anfechtungsklage nicht in Frage. Auch eine Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO) kommt nicht in Betracht, die nur auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet wäre.

Auch eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO dürfte nicht die richtige Klageart sein, da es nicht um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses geht.
Technisch ist eine öffentlich- rechtliche Unterlassungsklage (der Einleitung von Schmutzwasser auf Ihr Privatgrundstück infolge der Nichterfüllung öffentlicher Pflichtaufgaben) wohl die richtige Klageart. Sie wird analog § 1004 BGB von der Rechtsprechung zugelassen.

Daneben zu erwähnen ist noch ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch bzw. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff. Diese Ansprüche ergeben sich dann, wenn durch hoheitliches Handeln Schäden und Beeinträchtigungen bei Privaten ohne Ausgleich oder Entschädigung entstehen. Abgeleitet werden diese Ansprüche letztendlich aus dem Privateigentum, Art. 14 GG.

Ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegenüber der Gemeinde besteht bspw. aufgrund einer Eigentumsbeeinträchtigung (§ 1004 BGB), Besitzstörung (§ 862 BGB), Namensrechtsverletzung (§ 12 BGB) aber auch aufgrund von verbraucherschützenden Rechten.
Im Öffentlichen Recht stützt man die Ansprüche zumeist auf eine analoge Anwendung der angegebenen zivilrechtlichen Normen, hier also auf § 1004 BGB. Eine solche Klage richtet sich zumeist auf die Abwehr bzw. das Unterlassen schlichten Verwaltungshandelns.
Bei Erhebung einer Unterlassungsklage muss bereits eine Rechtsverletzung eingetreten sein und eine Wiederholung drohen (Rechtsschutzinteresse). Das dürfte vorliegend der Fall sein.

Zum empfohlenen Vorgehen:

Tipp: Sie sollten zunächst einmal unter Fristsetzung die Gemeinde formal auffordern, per Einschreiben mit Rückschein, die festgestellten Baufehler beheben zu lassen und die Ableitung von Abfallwasser auf Ihr Privatgründstück künftig zu unterlassen (Abmahnung). Heben Sie dabei die Beeinträchtigungen für Sie und den technischen Baufehler hervor und belegen dies durch entsprechende Anlagen (Fotos, Dokumentation).

Dabei sollte die gemeindliche Haftpflichtversicherung über den Schaden informiert werden.

Verlangen Sie Akteneinsicht in den Bauvorgang (wenn Sie das noch nicht getan haben). Denkbar wäre auch, dass Sie der Gemeinde die Ihnen entstehenden Entsorgungskosten auflisten und rückbelasten.

Dokumentieren Sie das Fehlverhalten vorher akribisch (eventuell noch einen Bausachverständigen hinzuziehen und Ihnen den Sachverhalt in einem Kurzgutachten bestätigt.
Je nach Reaktion der Gemeinde verlangen Sie einen schriftlichen Ablehnungsbescheid mit Rechtsmittelbelehrung. Wenn die Gemeinde nichts unternimmt, können Sie nach spätestens 4 Monaten Klage einreichen.

Beim Verfassen einer Klage empfehle ich die Hilfe durch einen qualifizierten Kollegen, zu finden über unsere Anwaltssuche, Fachgebiet Öffentliches Recht.

Abschließend darf ich noch erwähnen, dass die Gemeinde vermutlich Regressansprüche hat und auch Durchgriffsansprüche (Drittschadensliquidation) denkbar sind gegen das die Straßen unsachgerecht ausführende Unternehmen.

http://www.deutsche-anwaltshotline.de/anwaltssuche/suche/index.htm

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.

*1) § 72 VwGO

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.
*2) Brandenburgisches Wassergesetz § 66 BbgWG
Pflicht zur Abwasserbeseitigung
(zu § 56 des Wasserhaushaltsgesetzes)
(1) Die Gemeinden haben das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen und die dazu notwendigen Anlagen (Abwasseranlagen) zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen, soweit nicht nach den folgenden Vorschriften andere zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind. Den Gemeinden obliegt auch die Pflicht zur Beseitigung des in abflusslosen Gruben anfallenden Abwassers sowie des nicht separierten Klärschlammes aus Kleinkläranlagen. Die Gemeinden haben die notwendigen Abwasseranlagen in angemessenen Zeiträumen zu errichten, zu erweitern oder den Anforderungen des § 60 des Wasserhaushaltsgesetzes anzupassen. Die Gemeinden legen der Wasserbehörde eine Übersicht über den Stand der öffentlichen Abwasserbeseitigung sowie über die zeitliche Abfolge und die geschätzten Kosten der nach Satz 3 noch erforderlichen Maßnahmen vor (Abwasserbeseitigungskonzept). Das Abwasserbeseitigungskonzept ist jeweils im Abstand von fünf Jahren erneut vorzulegen. Es soll Kriterien der Nachhaltigkeit und die zu erwartende demografische Entwicklung berücksichtigen. Das für die Wasserwirtschaft zuständige Mitglied der Landesregierung bestimmt durch Verwaltungsvorschrift, welche Angaben in das Abwasserbeseitigungskonzept aufzunehmen sind und in welcher Form sie dargestellt werden. Die Wasserbehörde kann zur Durchführung einzelner nach Satz 3 erforderlicher Maßnahmen angemessene Fristen setzen, wenn solche Maßnahmen im Abwasserbeseitigungskonzept nicht oder erst nach Ablauf unangemessen langer Zeiträume vorgesehen sind oder wenn die zur Abwasserbeseitigung verpflichtete Körperschaft ohne zwingenden Grund die Durchführung von im Abwasserbeseitigungskonzept vorgesehenen Maßnahmen verzögert.

(2) Anstelle der Gemeinden sind zur Beseitigung von Niederschlagswasser verpflichtet:

die Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigten oder Nutzer der Grundstücke nach § 9 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, soweit die Satzung der Gemeinde nach § 54 Absatz 4 dies vorsieht,
die Träger von öffentlichen Verkehrsanlagen, soweit das Niederschlagswasser außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile anfällt.
(3) Anstelle der Gemeinden sind die Grundstückseigentümer zur Beseitigung von unverschmutztem Abwasser, welches bei der Gewinnung von Wärme in offenen Systemen zur Nutzung von Erdwärme anfällt, verpflichtet. Die Beseitigung von separiertem Klärschlamm aus Kleinkläranlagen obliegt den Betreibern.

(4) Die Wasserbehörde kann die Gemeinde auf ihren Antrag und nach Maßgabe des Abwasserbeseitigungskonzeptes von der Pflicht zur Abwasserbeseitigung für einzelne Grundstücke freistellen und die Pflicht auf den Nutzer mit dessen Zustimmung übertragen,

wenn eine Übernahme des Abwassers mittels einer öffentlichen Kanalisation wegen eines unverhältnismäßig hohen Aufwandes oder einer ungünstigen Siedlungsstruktur nicht angezeigt ist und das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Schutz der Gewässer, nicht beeinträchtigt wird oder
wenn das Abwasser wegen seiner Art und Menge nicht zusammen mit dem in Haushalten anfallenden Abwasser zweckmäßig beseitigt werden kann oder
soweit das Abwasser im Rahmen geltender Vorschriften auf dem Grundstück genutzt werden kann.
Der Antrag kann auch vom Nutzer mit Zustimmung der Gemeinde gestellt werden.

(5) Anstelle der Gemeinden sind zur Beseitigung des durch landwirtschaftlichen Gebrauch anfallenden Abwassers, das dazu bestimmt ist, unter Einhaltung der Vorschriften des Abfall- und Düngerechts sowie der sonstigen wasserrechtlichen Vorschriften auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Böden aufgebracht zu werden, diejenigen verpflichtet, bei denen das Abwasser anfällt.

*3) § 56 WHG
Pflicht zur Abwasserbeseitigung

Abwasser ist von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu beseitigen, die nach Landesrecht hierzu verpflichtet sind (Abwasserbeseitigungspflichtige). Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Abwasserbeseitigung anderen als den in Satz 1 genannten Abwasserbeseitigungspflichtigen obliegt. Die zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten können sich zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen.
*4) BVerwG
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=210611B9B99.10.0

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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