Diskriminierung von Teilzeitmitarbeitern gegenüber Vollzeitkräften

Online-Rechtsberatung
Stand: 13.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

In unserer Firma (ca. 1000 Mitarbeiter) ist es seit neuestem so, daß freiwerdende Stellen in einen Pool "geworfen" werden. Die betreffende Führungskraft muß, will sie die Stelle neu besetzen, aus dem Pool wieder eine Stelle neu beantragen. Besetzt sie die Stelle in Teilzeit, sagen wir zu 50%. Wandern die anderen 50% wieder in den Pool- sind somit für die Führungskraft verloren. Konsequenz: drastische Verschlechterung der Chancen für Teilzeitkräfte zu einem neuen Job zu kommen. Mir ist es nun zwei mal passiert, daß mir ein 100% MA vorgezogen wurde (ich arbeite 60%) - trotz gleicher Qualifikation und von der Führungskraft offen gesagt wurde, daß sie mich gern eingestellt hätte, in Zeiten knappen Personals aber nicht auf die 40% verzichten kann. Wie ist hier die Rechtslage (Diskriminierung?)

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

Sie fragen nach der Rechtslage und insbesondere nach einer möglichen Diskriminierung.

Ich kann Ihre Frage wie folgt beantworten:

Aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung gehe ich davon aus, dass es sich bei der Neubesetzung der fraglichen Stellen auch aus Ihrer Sicht als Arbeitnehmerin, die zu 60 % in Teilzeit beschäftigt ist, um eine Neubewerbung um einen Arbeitsplatz handelt. Dabei setze ich voraus, dass die neu zu besetztende Stelle keinen Bezug zu Ihrer jetzigen Tätigkeit hat, zumindest nicht in dem Sinne, dass die fragliche Stelle bereits in der Vergangenheit von Ihnen schon einmal besetzt war.

Wenn eine neue Stelle besetzt werden muss, müsste zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber auch ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen werden. Hierbei ist zu beachten, dass im Zivilrecht, wozu auch das Arbeitsrecht bzw. das Arbeitsvertragsrecht gehört, das Prinzip der Privatautonomie gilt. Die Privatautonomie besagt unter anderem, dass jeder seinem freien Willen entsprechend handeln kann. Verfassungsrechtlich ist die Privatautonomie in Deutschland in der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2, Abs. 1 des Grundgesetzes verankert.

Die Privatautonomie äußert sich im Zivilrecht in der so genannten Vertragsfreiheit. Dies bedeutet, dass jeder Einzelne, bis auf einige Ausnahmen, frei ist, Verträge einzugehen oder nicht einzugehen. Ebenfalls umfasst die Vertragsfreiheit die Freiheit, sich den Vertragspartner auszusuchen.

Eingeschränkt wird die Vertragsfreiheit lediglich durch den so genannten Kontrahierungszwang (auch Abschlusszwang genannt). Darunter versteht man die rechtliche Verpflichtung mit einem anderen ein Rechtsverhältnis zu begründen, also einen Vertrag zu schließen. Sofern jemand also einen anderen dazu zwingen will, einen Vertrag zu schließen, muss er sich auf eine Anspruchsgrundlage berufen können, die den anderen zum Vertragsschluss verpflichtet. Aufgrund des Kontrahierungszwanges ist dies z.B. bei der Versorgung durch Apotheken, bei Verträgen mit Sparkassen oder gesetzlichen Krankenkassen oder bei Verträgen nach dem Energiewirtschaftsgesetz oder dem Pflichtversicherungsgesetz möglich. Sofern ein solcher Kontrahierungszwang nicht besteht, müsste sich der Anspruchsteller, in Ihrem Fall also Sie als Arbeitnehmerin, auf eine Vorschrift berufen können, die einen Vertragsschluss zwingend vorsieht. Möglicherweise ergibt sich dies aus einer internen Betriebsvereinbarung oder sonstigen internen arbeitsrechtlichen Vorschriften. Um herauszufinden, ob solche Vorschriften bzw. Vereinbarungen mit Ihrem Arbeitgeber existieren, müssten Sie sich an den Betriebsrat oder an die zuständige Gewerkschaft wenden.

Sofern eine solche Vereinbarung nicht existieren sollte, bleibt Ihnen lediglich noch die Möglichkeit, zu überprüfen, ob die Nichtberücksichtigung Ihrer Bewerbung in sittenwidriger Weise (z.B. aus Gründen der Diskriminierung) abgelehnt wurde. Hierbei ist insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten. Dabei handelt es sich um ein Gesetz, dass Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert und beseitigen soll. Zur Verwirklichung dieses Zielen erhalten die durch das Gesetz geschützten Personen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese Ihnen gegenüber gegen die gesetzlichen Diskriminierungsverbote verstoßen.

Das AGG finden Sie im Wortlaut hier:

http://www.gesetze-im-internet.de/agg/BJNR189710006.html

Im Arbeitsverhältnis sind Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 AGG.

Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist. Dies ergibt sich aus den §§ 5, 8-10 AGG. Grundsätzlich besteht immer die Möglichkeit, gegen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung Beschwerde beim Arbeitgeber einzulegen. Dies ergibt sich aus § 13 AGG.

Der Arbeitgeber muss dann gegen die beschäftigten, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen. Daneben hat der Mitarbeiter einen Schadensersatzanspruch, wobei es umstritten ist, ob dieser Anspruch auch den Verdienst umfasst, der dem abgelehnten Bewerber entgeht. Daneben besteht ein Entschädigungsanspruch, der bei Nichtvermögensschäden einen angemessenen Ausgleich in Geld für die erlittene Ungleichbehandlung vorsieht.

Für die Geltendmachung der beiden Ansprüche gilt eine Frist von 2 Monaten. Zuständig sind die Arbeitsgerichte.

In Ihrem Fall halte ich die Durchsetzung solcher Ansprüche jedoch für sehr schwierig. Aus Ihrem Sachverhalt lässt sich entnehmen, dass zum einen nicht willkürlich Mitarbeiter bevorzugt oder benachteiligt werden, sondern das die jeweilige Führungskraft aufgrund Ihrer individuellen Mitarbeiterplanung die Bewerber aus dem Pool berücksichtigt oder nicht. Dabei ist eines der Kriterien die Frage, ob der derjenige in Teilzeit oder in Vollzeit beschäftigt ist. Hieraus ergeben sich nach meinem Dafürhalten jedoch keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das AGG. Zum anderen kann ich auch keine Benachteiligung der Mitarbeiter erkennen, da diese ja aufgrund der im Betrieb vereinbarten Regelungen eingestellt werden.

Anders sähe dies aus, wenn Sie in Ihrem Arbeitsverhältnis von Ihrem Recht auf Teilzeitarbeit Gebrauch gemacht hätten, und nunmehr dieses bestehende Arbeitsverhältnis verändern wollten. Ihrem Sachverhalt entnehme ich jedoch, dass dies hier nicht der Fall ist.

Daher liegt nach meiner Einschätzung weder ein Fall der Diskriminierung vor noch ein Fall, in dem Sie gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Einstellung in das neue Beschäftigungsverhältnis haben.

Ich bedaure, dass ich Ihnen hierzu leider keine andere Antwort geben kann. Nach meiner Meinung ist die Regelung, die hier getroffen wurde, eher verfehlt und geht an den Anforderungen der Realität vorbei. Dies ist jedoch kein rechtliches Problem, aus dem Ihnen persönlich ein individuelles Recht erwachsen könnte. Auf der anderen Seite wären Ihre Erfahrungen, insbesondere sofern Sie von anderen Kollegen geteilt werden, Anlass dafür, dass die bestehenden Regelungen überprüft werden müssten. Hierzu empfiehlt es sich, zunächst auf den Betriebsrat hinzuzutreten, der möglicherweise mit der Arbeitgeberseite eine entsprechende Regelung vereinbaren könnte.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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