Darf der Arbeitgeber Minusstunden vom Gehalt abziehen?

Online-Rechtsberatung
Stand: 07.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich habe meinen Arbeitsvertrag innerhalb der Probezeit fristgerecht (Frist zwei Wochen zum Wochenende) gekündigt. Aufgrund der Gegebenheiten eines Gartencenters als Arbeitgeber wird im allgemeinen bereits eine Woche mehr Urlaub auf Minusstunden eingereicht, da im Winter wenig bis kaum Arbeit im Freiland vorhanden ist. Dies ist auch so auf dem Urlaubsantrag hinterlegt. Desweiteren werden noch mehr Minusstunden besonders in einem langen Winter aus oben genanntem Grund nötig und vom Arbeitgeber "verlangt" bzw. man wird einfach früher nach Hause geschickt oder angerufen, dass man heute nicht kommen muss/soll.

Meine Minusstunden belaufen sich auf beinahe 2 Wochen Arbeitszeit (ca. 65 Std.) bei Austritt aus der Firma. Diese können innerhalb von 2 Wochen restlicher Arbeitszeit auch nicht hereingearbeitet werden.

Nun meine Frage: kann der Arbeitgeber mir diese vom letzten Gehalt abziehen? V.a. wenn im Vertrag folgendes steht: Punkt 4 Arbeitszeit: Mehrarbeit: "Soweit ein Arbeitszeitkonto geführt wird, ist dieses bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen. Kann das Arbeitszeitkonto im Ausnahmefall nicht mehr ausgeglichen werden, sind Minusstunden mit ausstehenden Vergütungen zu verrechnen bzw. arbeitnehmerseits zurückzuzahlen."
Ist der Vertrag so rechtlich in Ordnung? Ich frage, eben weil die Minusstunden immer angeordnet werden, ich mache diese nicht freiwillig!

Antwort des Anwalts

Man muss zunächst zwischen den Minusstunden, die durch den Urlaubsantrag entstanden sind (1) unterscheiden und zwischen den Minusstunden, die mangels Arbeit nicht abgeleistet worden sind (2).

(1) ? Urlaubs-Minusstunden:

Wenn Sie den Ihnen zustehenden Urlaub genommen haben, wenn nichts anderes vereinbart ist, ist das 1/12 des Jahresurlaubs für jeden Monat, den Sie im Betrieb waren, muss dieser nicht mit Minusstunden verrechnet werden.

Wenn Sie jedoch mehr als den gerade geschilderten Urlaub genommen haben, stellt sich die Frage der Verrechnung; hierzu folgendes:

Wenn der Urlaub freiwillig genommen worden ist, müssen Sie die entsprechenden Minusstunden nacharbeiten, oder, wenn das nicht geht, anderweitig ausgleichen;
der Arbeitgeber war bei einem freiwillig genommenen Urlaub, von dem ich nach Ihrer Schilderung einmal ausgehe, nicht in Annahmeverzug hinsichtlich Ihrer Arbeitsleistung; damit haben Sie auch keinen Anspruch auf die Gegenleistung.

Anders wäre das zum einen, wenn der von Ihnen erwähnte Vermerk nicht auf dem Urlaubsantrag stehen würde,
und zum anderen, wenn Sie den Urlaub nicht freiwillig genommen hätten, sondern dieser vom Arbeitgeber Ihnen aufgezwungen worden wäre (und Sie das in einem Streitfall auch belegen könnten). In diesen Fällen melden Sie sich bitte noch einmal entsprechend bei mir.

(2) Arbeits-Minusstunden:

Komplizierter wird es bei den vom Arbeitgeber mangels Arbeit nicht abgerufenen Arbeitsstunden und somit entstandenen Minusstunden; hierzu folgendes:

Rechtlich sind hier die §§ 615 und 326 Abs. II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einschlägig, das sind die Rechtsinstitute des Annahmeverzuges, des Betriebsrisikos und der Unmöglichkeit.

Letztlich liegt bei Ihnen ein Fall der Unmöglichkeit vor, wenn Sie die Minusstunden aufgrund betrieblicher Gegebenheiten bis zum Arbeitsende nicht mehr abarbeiten können.
Das deckt sich zugleich mit dem Grundgedanken des § 325 Abs. II BGB, dass der Arbeitgeber das Unternehmerrisiko trägt und der Arbeitnehmer auf sein Gehalt in der Regel zwingend angewiesen ist; vgl. Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 615 Rn 1.

Damit behalten Sie nach § 326 Abs. II BGB Ihren Vergütungsanspruch für die nicht abgeleisteten Stunden; das bedeutet, dass Sie nichts zurückbezahlen müssen und dass entsprechend auch keine Verrechnung mit ausstehenden Lohnforderungen stattfinden darf.

Falls der Betrieb das doch macht, setzen Sie rasch eine kurze Frist und kündigen die Einschaltung eines Rechtsanwaltes und notfalls des Arbeitsgerichts an; das wären dann auch die nächsten Schritte.

Bei Fragen oder wenn Sie dafür meine Hilfe benötigen, wenden Sie sich jederzeit gerne an mich.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

Rechtsberatung am Telefon

Telefonieren Sie sofort mit einem Anwalt oder einer Anwältin und stellen Sie Ihre individuelle Frage.

*1,99€/Min inkl. USt. aus dem Festnetz. Höhere Kosten aus dem Mobilfunk.

Telefonanwalt werden

Werden Sie selbstständiger Kooperationsanwalt der Deutschen Anwaltshotline AG:

  • Krisensicherer Umsatz
  • Rechtsberatung per Telefon
  • Homeoffice