Bemessung von Arbeitslosengeld nach Elternzeit

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Seit der Geburt unseres Sohnes am 11.06.2012 bin ich in Elternzeit. Vorher habe ich ca. 2 Jahre Vollzeit (unbefristet) in einer Werbeagentur gearbeitet. Die Elternzeit hatte ich für 2 Jahre beantragt. Nun habe ich gelesen, dass bei einer Kündigung durch den AG kurz nach der zweijährigen Elternzeit das Arbeitslosengeld I sich nicht auf den Verdienst vor der Elternzeit bezieht, sondern ein fiktives Arbeitslosengeld bezahlt wird. Da ich ebenfalls fest mit einer solchen Kündigung rechne, stellt sich mir die Frage, ob es Sinn macht vorzeitig nun zu kündigen. Dies würde ich nur tun, wenn sich das Arbeitslosengeld auf mein Gehalt vor der Elternzeit bezieht. Ist dies in meinem Fall so?

Eine 3 monatige Sperre würde ich zur Not in Kauf nehmen. Wann müsste ich spätestens in der Elternzeit kündigen, damit ich keine Nachteile beim Arbeitslosengeld durch die Elternzeit habe?

Wie würde sich ein Minijob oder eine Teilzeitstelle bis 30 h noch in der restlichen Elternzeit auf das Arbeitslosengeld auswirken?
Eine weitere Frage von mir ist, was passiert, wenn ich einen Minijob annehme und mein AG nach 4 Wochen dem Minijob widerspricht? Kann ich das erwirtschaftete Geld behalten? Muss ich den Minijob sofort aufgeben?
Mein AG hatte einem Antrage auf Teilzeit nicht zugestimmt.

Antwort des Anwalts

Sie haben hinsichtlich der Bemessung des Arbeitslosengeldes nach der Elternzeit zumindest in Teilen etwas Richtiges gelesen. Das Bundessozialgericht hat zum Aktenzeichen: B 11 AL 19/10 R zum früheren § 132 SGB III in etwa wie folgt ausgeführt: dass eine Arbeitslose nach der Elternzeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, sei darauf zurückzuführen, dass seit 2003 während der Kindererziehungszeit aus Bundesmitteln Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet würden. Darüber hinaus sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, "das von der Mutter vor der Kindererziehung erzielte Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage heranzuziehen". Diese Entscheidung ist dann vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10.3.2010 Az 1 BVL 11/07 im Wesentlichen bestätigt worden. Ihr Arbeitslosengeld ist daher, sollten Sie kurz nach der Elternzeit gekündigt werden, fiktiv zu bemessen.

Sollte Ihr Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter haben, dürfte eine Kündigung allerdings nur aus betriebsbedingten Gründen erfolgen. Dies ist sehr schwer und von Ihrem Arbeitgeber wohl nicht nachzuweisen.

Wie bemisst sich das fiktive Arbeitslosengeld?

Nach § 152 SGB II, der mit dem früheren § 132 SGB III, wortgleich ist (im Netz schwirrt meisten die veraltete Bezeichnung herum), würden Sie in eine der vier Qualifikationsgruppen eingeordnet. Dies muss für Sie nicht unbedingt ein Nachteil sein, denn dabei ist die erforderliche berufliche Qualifikation für die angestrebte Beschäftigung maßgeblich, in welche die oder der Arbeitslose von der Agentur für Arbeit vermittelt werden soll. Ich habe Ihnen die Vorschrift unten eingefügt.

Jeder einzelnen Qualifikationsgruppe liegt ein Teilwert der sogenannten Bezugsgröße zugrunde: Hochschul- oder Fachhochschulausbildung in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße (Qualifikationsgruppe 1), Fachschulabschluss, Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße (Qualifikationsgruppe 2), abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße (Qualifikationsgruppe 3), keine Ausbildung in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße (Qualifikationsgruppe 4). Die Bezugsgröße für das fiktive Arbeitsentgelt entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Bundesbürger aus dem vorangegangenen Jahr und wird zu Beginn eines jeden Jahres neu festgelegt.

Mit einer Eigenkündigung und darauf folgender Sperrfrist sollten Sie sehr vorsichtig sein. Denn nach § 152 Abs. 1 SGB III müssen mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsgeld innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraums festgestellt werden. Der Bemessungszeitraum bemisst sich nach § 150 SGB III, welchen ich zu Ihrem besseren Verständnis ebenfalls unten anfüge.
Sollten Sie also nicht mehr auf 150 Tage bezogenes Arbeitsentgeld in den letzten 2 Jahren kommen, so wird auch dann ihr ALG I fiktiv berechnet.

Ein Minijob ändert daran nichts, da Sie in diesem Fall von den Sozialversicherungsbeiträgen befreit sind. Ihr Arbeitgeber kann einem Minijob nur dann widersprechen, wenn Sie dadurch nicht in der Lage wären, Ihren normalen Arbeitspflichten nachzukommen.

Wie sich ein sozialversicherungspflichtiger Teilzeitjob auswirkt, kann ich auf Grund des geschilderten Sachverhalts nur ungenau beantworten. Wenn keine 150 Tage gearbeitet werden, wird er sich wohl nicht auswirken, da Sie auch dann nicht auf die notwendigen 150 Tage im Bemessungszeitraum kommen. Ansonsten gilt:
Zeiten mit verminderter Arbeitszeit bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht, wenn
• Sie nach einem zusammenhängenden Zeitraum von 6 Beschäftigungsmonaten innerhalb der letzten 3 ½ Jahre vor der Entstehung des Anspruches Ihre Arbeitszeit nicht nur vorübergehend durch Teilzeitvereinbarung um mindestens 5 Stunden vermindert haben und
• die verbliebene Arbeitszeit weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten betragen hat.
§ 152 Fiktive Bemessung

(1) Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. In den Fällen des § 142 Absatz 2 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass ein Bemessungszeitraum von mindestens 90 Tagen nicht festgestellt werden kann.

(2) Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist die oder der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für die Arbeitslose oder den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die

  1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,
  2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,
  3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße,
  4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

§ 150 Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen

(1) Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.
(2) Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bleiben außer Betracht

  1. Zeiten einer Beschäftigung, neben der Übergangsgeld wegen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, Teilübergangsgeld oder Teilarbeitslosengeld geleistet worden ist,
  2. Zeiten einer Beschäftigung als Freiwillige oder Freiwilliger im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder des Bundesfreiwilligendienstgesetzes, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 344 Absatz 2 bestimmt,
  3. Zeiten, in denen Arbeitslose Elterngeld oder Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen haben oder ein Kind unter drei Jahren betreut und erzogen haben, wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war,
  4. Zeiten, in denen Arbeitslose eine Pflegezeit nach § 3 Absatz 1 Satz 1 des Pflegezeitgesetzes in Anspruch genommen haben sowie Zeiten einer Familienpflegezeit oder Nachpflegephase nach dem Familienpflegezeitgesetz, wenn wegen der Pflege das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war; insoweit gilt § 151 Absatz 3 Nummer 2 nicht,
  5. Zeiten, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn die oder der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat.

Satz 1 Nummer 5 gilt nicht in Fällen einer Teilzeitvereinbarung nach dem Altersteilzeitgesetz, es sei denn, das Beschäftigungsverhältnis ist wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beendet worden.
(3) Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn

  1. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält,
  2. in den Fällen des § 142 Absatz 2 der Bemessungszeitraum weniger als 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder
  3. es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum.
Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

Rechtsberatung am Telefon

Telefonieren Sie sofort mit einem Anwalt oder einer Anwältin und stellen Sie Ihre individuelle Frage.

*1,99€/Min inkl. USt. aus dem Festnetz. Höhere Kosten aus dem Mobilfunk.

Telefonanwalt werden

Werden Sie selbstständiger Kooperationsanwalt der Deutschen Anwaltshotline AG:

  • Krisensicherer Umsatz
  • Rechtsberatung per Telefon
  • Homeoffice