Ausscheiden im zweiten Halbjahr: Anspruch auf vollen Jahresurlaub?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Laut Arbeitsvertrag besteht ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Da ich ab September wieder eine Schule zur beruflichen Weiterbildung besuchen werde, kündige ich meinen schon seit seit über einem Jahr bestehenden Arbeitsvertrag zum 31. August diesen Jahres.
Nach Recherche habe ich bei der Seite der IHK Darmstadt ein Dokument gefunden, nach dem mir bei Kündigung zu einem Termin in der zweiten Jahreshälfte der volle vertragliche Urlaub, d.h. 30 Tage zustehen. In dem Artikel Dokument 20862 Punkt 2a heißt es, dass mir also der volle Anspruch von 30 Tagen zusteht. In meinem Arbeitsvertrag ist keine Formulierung enthalten, die dies ausschließen würde. Es steht nur im Arbeitsvertrag, dass ich 30 Tage Urlaub im Jahr habe. Einen Betriebsrat haben wir nicht.

Auf Nachfragen bei der Personalleitung wurde mir gesagt, dass würde nicht stimmen. Ich hätte lediglich Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindesturlaub und nicht mehr. Wortlaut: das gibt es bei uns nicht.
Laut IHK und auch anderen Quellen, denke ich jedoch, dass mir der Anspruch von 30 Tagen zusteht. Daher wende ich mich an Sie um heraus zu finden, wer nun Recht hat. Dies benötige ich jedoch dann schriftlich und detailliert auf meinen Fall bezogen. Was steht mir zu ?

Antwort des Anwalts

Sie haben bei der IHK Darmstadt richtig gelesen. Ein Arbeitnehmer, der länger als das erste Kalenderhalbjahr bei einem Arbeitgeber angestellt war, hat Anspruch zunächst auf den vollen gesetzlichen Jahresurlaub.

Formulierungen im Arbeitsvertrag, dass der Urlaub im Jahr des Eintritts und Ausscheidens nur anteilig gewährt wird, sind bezogen auf den gesetzlichen Urlaub ungültig. Der gesetzliche Mindesturlaub bei einer Fünf-Tage-Woche betrage 20 Tage. Hat Ihr Arbeitgeber darüber hinaus Urlaub im Arbeitsvertrag vereinbart, könne dieser anteilig gewährt werden.

Hat also ein Arbeitnehmer in seinem Vertrag 30 Tage Urlaub vereinbart und scheidet am 30. Juni aus der Firma aus, hat er Anspruch auf 15 Urlaubstage. Verlässt er die Firma jedoch am 1. Juli oder einige Tage später, stehen ihm 20 Tage zu - der volle gesetzliche Mindesturlaub.

Die gesetzliche Grundlage hierzu ist § 5 5 Bundesurlaubsgesetz. Dort steht:
§ 5 Teilurlaub

(1) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer

a) für Zeiten eines Kalenderjahrs, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt;
b) wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet;
c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

(2) Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.
(3) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden.

Dabei Ihnen die Wartezeit nach $ 4 BUrlG erfüllt ist und Sie im zweiten Halbjahr die Firma verlassen steht Ihnen zumindest der volle gesetzliche Urlaub zu.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein solcher Mehrurlaub nicht den Schutzvorschriften des Bundesurlaubsgesetzes untersteht (BAG Urteil vom 21.06.1968, 5 AZR 408/67). In welchem Umfang der arbeitsvertraglich vereinbarte Zusatzurlaub in Anspruch genommen werden kann, hängt daher davon ab, ob im Arbeitsvertrag eine "pro rata temporis"-Regelung getroffen wurde (dt. etwa zeitanteilig). Dies ist eine Klausel, nach welcher der Urlaub im Jahr des Eintritts in ein Unternehmen oder im Jahr des Ausscheidens der Urlaub nur anteilig gewährt werden soll. Sie müssen also zunächst Ihren Arbeitsvertrag heranziehen und nachschauen, in wie weit dieser Fall geregelt ist. Vertragliche Regelungen gehen hier den gesetzlichen Regelungen bei Überschreitung des gesetzlichen Urlaubsanspruches vor.
Die Abweichungen vom Gesetz müssen jedoch ausdrücklich festgehalten werden. Fehlt es an abweichenden Regelungen wird der Mehrurlaub ebenso behandelt wir der gesetzliche Mindesturlaub. Ihnen stünde in diesem Fall der volle vertraglich vereinbarte Urlaub zu.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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