Arbeitgeber schickt mich zum Betriebsarzt: Wie kann ich mich wehren?

Online-Rechtsberatung
Stand: 27.01.2014
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin Bipolar/Manisch-Depressiv und mache eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. In der Ausbildung habe ich hohe Fehlzeiten.
Mir kann es blühen, dass mich der Arbeitgeber aufgrund von Fehlzeiten zum Betriebsarzt schickt, der dann eine Schweigepflichtentbindung für meinen Hausarzt verlangt. Wie geht es dann weiter, wenn dieser meine Diagnose offenlegt?
Habe ich als Bipolare die gesundheitliche Eignung für die Arbeit als Gesundheits- und Krankenpflegerin, also für Ausbildung und Job? Oder nicht? Dann wird mir bei Offenlegung meiner Diagnose gekündigt und ich bekomme auch woanders kein Staatsexamen?

Nachtrag vom 29.05.2013:

Noch ein Fakt: Bei der Einstellung habe ich meine Erkrankung verschwiegen.

Hier noch 2 Informationen. Während meiner Ausbildung hatte ich zwei manische Phasen mit Aufenthalt in der Psychiatrie (7 bzw. 4 Wochen).
Bei der Einstellung hat mein Hausarzt die gesundheitliche Eignung bescheinigt, der von der Erkrankung wusste.

Antwort des Anwalts

Gegen Ihren Willen darf der Betriebsarzt der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen nicht gegenüber dem Arbeitgeber offen legen. Das wäre sogar strafbar.

Tipp: Geben Sie dem Betriebsarzt allenfalls eine beschränkte Befreiungserklärung dahingehend, dass sämtliche Mitteilungen des Betriebsarztes vorab durch einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zur Zustimmung vorgelegt werden müssen.
Erzählen Sie dem Arzt auch nur das Nötigste.

Das Verschweigen einer schweren Krankheit bei Einstellung kann zur Anfechtung des Arbeitsvertrages führen.

In Betracht kommen eine Anfechtung nach § 123 BGB *1) wenn der Arbeitgeber arglistig getäuscht wurde oder nach § 119 Abs. 2 BGB, wenn der Arbeitgeber sich über wesentliche Eigenschaften geirrt hat.
Der Bewerber, der eine zulässige Frage absichtlich falsch beantwortet, trägt das Risiko, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis dann beenden kann, ohne dass Kündigungsschutzregeln eingehalten werden müssen sind (Kündigungsgrund, Anhörung des Betriebsrats, besonderer Kündigungsschutz).

Die Folge einer erfolgreichen Anfechtung ist die Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses ab dem Zeitpunkt der Anfechtungserklärung von Anfang an, und nicht erst ab jetzt, vgl. § 142 BGB.

Zu den Einzelheiten vergleiche den Gesetzeswortlaut, u.a. muss der Arbeitnehmer Ihnen Arglist nachweisen sowie die Kenntnis von ihren Krankheitszustand bei Einstellung, was nur dann möglich ist, wenn Sie dies selbst einräumen.
Tipp: vermeiden Sie es, zu diesem Punkt überhaupt etwas zu sagen. Lassen Sie sich nicht ausfragen.

Es gibt der Grundsatz, dass nicht jede falsche Angabe des Arbeitnehmers bei der Einstellung bereits eine arglistige Täuschung i. S. des § 123 BGB darstellt, sondern nur eine falsche Antwort auf eine zulässig gestellte Frage (Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 21. Februar 1991 - 2 AZR 449/90 - AP Nr. 35 zu § 123 BGB).

Es wird ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers zugebilligt, seine persönlichen Lebensumstände zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts und zur Sicherung der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre geheim zu halten. Dies tritt nur dann zurück, wenn das Interesse des Arbeitgebers so gewichtig ist, dass dahinter das Interesse des Arbeitnehmers zurücktritt (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1984 - 2 AZR 270/83 - AP Nr. 26 zu § 123 BGB).

Bei sehr schweren Krankheiten, wie z.B. Schwerbehinderten, muß der Schwerbehinderte von sich aus nicht über die bestehende Behinderung aufklären. Auf eine entsprechende Frage muss er aber wahrheitsgemäß antworten. Ähnliches dürfte auch bei Ihnen gelten.
Von der Frage der Anfechtbarkeit abgesehen, kann Ihre Krankheit Anlass zu einer personenbedingten Kündigung sein, wenn dadurch Ihre Arbeitsfähigkeit für den Arbeitgeber unzumutbar beeinträchtigt wird.

Das hängt jetzt aber von der konkreten Arbeit ab und davon, ob diese Arbeit von Ihnen bewältigt wird bzw. werden kann, oder nicht.

Habe ich als Bipolare die gesundheitliche Eignung für die Arbeit als Gesundheits- und Krankenpflegerin, also für Ausbildung und Job? Oder nicht?

Antwort Rechtsanwalt:

Eine verbindliche Antwort auf diese Fragen kann nur ein medizinisches Gutachten (medizinischer Dienst) ergeben. Hier sind die Gesamtumstände des Krankheitsbilds zu berücksichtigen und die Frage, inwieweit die Krankheit Ihre Arbeit und Ausbildung beeinträchtigt bzw. inwieweit die Krankheit behandelbar ist.

Dann wird mir bei Offenlegung meiner Diagnose gekündigt und ich bekomme auch woanders kein Staatsexamen?

Antwort Rechtsanwalt:

Hier haben wir mehrere Wenn’s, die erst einmal erfüllt sein müssen.

Zunächst muss Offenlegung überhaupt erfolgen (nur mit Ihrer Zustimmung erlaubt), dann muss eine Kündigung erfolgen (denkbar wäre auch eine Anfechtung, siehe oben). Sie hätten eventuell dann noch die Möglichkeit, eine entsprechende Kündigung im Wege der Kündigungsschutzklage anzufechten. Wenn auch das scheitern sollte: Dann kann es natürlich noch sein, dass Sie woanders ein Ihrem Krankheitsbild besser entsprechende neue Anstellung/ Ausbildung finden. Natürlich wird ein Abbruch der vorherigen Arbeit/ Ausbildung diese Suche sicher nicht leichter machen.

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.
*1) § 123 BGB
Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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