Arbeitsrecht: Ausschluss der ordentlichen Kündigung für 2 Jahre?

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

In meinem Arbeitsvertrag steht eine Klausel, die besagt, dass eine Kündigung zwischen dem 01.01.2015 und dem 31.12.2106 nicht möglich sei. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um eine Bindungsfrist an den Arbeitgeber aufgrund einer betriebsseitig finanzierten Ausbildung o.ä.
Im Wortlaut steht dort Folgendes:

"§10 Kündigung
Im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2016 ist eine Kündigung nicht möglich. Danach gilt die gesetzliche Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freizustellen. [...]"
"§13 Vertragsänderungen und Nebenabreden
[...] Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird hierdurch die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt. [...]"

Ich bin mir einigermaßen sicher, dass die Bindung über einen Zeitraum von zwei Jahren in meinem Vertrag nichtig ist, da es hierfür m.E. gar keine Grundlage gibt. Leider war ich bei Vertragsunterzeichnung noch naiv genug, diese Klausel nicht zu hinterfragen und ggf. streichen zu lassen. Aus gegebenem Anlass möchte ich aber nun so schnell wie möglich meine Kündigung aufsetzen und den Betrieb verlassen.

Antwort des Anwalts

Sie haben mir eine Klausel Ihres Arbeitsvertrages zitiert, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von 2 Jahren ausgeschlossen ist. Dies gilt sowohl für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ist m.E. nicht ausgeschlossen und auch nicht ausschließbar.

Der generelle Verzicht auf eine ordentliche Kündigung ist nach allgemeiner Auffassung bei Vertragsschluss auch im Vorgriff möglich. Der Verzicht auf eine außerordentliche Kündigung ist nach allgemeiner Auffassung im Vorgriff unzulässig. Der Arbeitsvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis. Bei einem Dauerschuldverhältnis muss jeder Vertragspartner die Möglichkeit haben, es aus wichtigem Grund zu beenden. § 626 BGB ist eine zwingende Vorschrift. Ihr stehen Vereinbarungen entgegen, durch die der für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses erforderliche wichtige Grund beseitigt oder eingeschränkt wird (BAG, 15.03.1991 - 2 AZR 516/90).

Bei Ihnen geht es aber um den Verzicht auf die ordentliche Kündigung für die ersten zwei Jahre des Arbeitsverhältnisses. Der generelle Verzicht ist zwar nach allgemeiner Auffassung möglich, hinzu kommt aber, dass gegebenenfalls zu prüfen ist, ob die vereinbarte Dauer hier tatsächlich möglich ist. Sie haben in diesem Zusammenhang auch so genannte Bindungsklauseln im Zusammenhang mit Aus- und Weiterbildungen angesprochen. Hier geht es in der Regel darum, dass aufgrund einer Übernahme von Ausbildungskosten eine Bindung an das Unternehmen erreicht werden soll. Hieraus kann man sich gegebenenfalls nur durch Rückzahlung eines Teils der Kosten freikaufen.
Bei Ihnen liegt der Fall insofern anders, als es um den reinen Kündigungsausschluss ohne wenn und aber, für die ersten 2 Jahre des Arbeitsverhältnisses geht.

Allgemein gilt: Längere Kündigungsfristen als die in § 622 BGB genannten gesetzlichen Fristen können einzelvertraglich grundsätzlich vereinbart werden. Bei sehr langen Kündigungsfristen stellt sich die Frage, ob in das Recht des Arbeitnehmers auf freie Berufswahl (Art. 12 GG) eingegriffen wird. Dies wird jedoch mit Blick auf § 15 Abs. 4 TzBfG (für Dienstverhältnisse: § 624 BGB) i.d.R. zu verneinen sein.
Der vereinbarte Kündigungsausschluss für die ersten beiden Jahre dürfte daher auch mit Blick auf die Regelung der §§ 14, 15 TzBfG nicht zu beanstanden sein.
So wäre es den Vertragsparteien frei gestanden, zunächst ein auf 2 Jahre befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen. Dies wäre durchaus ohne Sachgrund problemlos möglich.
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines Sachgrundes ist weiterhin bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Aus dem Wortlaut und der Gesetzessystematik wird deutlich, dass damit für den Bereich des Abs. 2 Zweckbefristungen und auflösende Bedingungen ausscheiden (APS-Backhaus Rn 369; ErfK-Müller-Glöge Rn 86; Sievers Rn 426; Osnabrügge NZA 2003, 639 f.; AR-Schüren Rn 68; HaKo-KSchR/Mestwerdt Rn 182). Eine kalendermäßige Befristung setzt nach § 3 Abs. 1 S. 2 TzBfG voraus, dass entweder ein bestimmtes Datum als letzter Tag des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird oder eine Zeitdauer mit der Angabe des Beginns des Arbeitsverhältnisses festgelegt ist (vgl. dazu KR-Bader § 3 TzBfG Rdn 17 ff. und KR-Lipke Erl. zu § 21 TzBfG). Die konkrete Festlegung muss in der nach 14 Abs. 4 vorgeschriebenen schriftlichen Vertragsabrede enthalten sein. § 14 Abs. 2 TzBfG kann nicht für die vorübergehende Änderung einzelner Arbeitsbedingungen genutzt werden (s. Rdn 544). Dagegen sprechen Sinn und Zweck der Regelung (vgl. BAG 14.1.2004 EzA § 14 TzBfG Nr. 8; 23.1.2002 EzA § 1 BeschFG 1985 Nr. 29; APS-Backhaus Rn 412; MHH-TzBfG/Meinel Rn 191), die eine Befristung des Arbeitsvertrages und nicht einzelner Arbeitsvertragsbestandteile behandelt.

Die zulässige Befristungsspanne von zwei Jahren bemisst sich – einschließlich der gesetzlich zugelassenen Befristungsverlängerungen – nach dem vereinbarten Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses. Auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kommt es hierbei nicht an (Arnold-Gräfl Rn 263; LS-Schlachter Rn 103). Für die Berechnung gelten §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 und 3 BGB (einhellige Auffassung; statt vieler KDZ-Däubler 7. Aufl., Rn 145, 156; Preis/Gotthardt DB 2000, 2072). Unterbrechungen sind für die sachgrundlose Befristung nicht zugelassen; allein der Weg der nahtlosen »Verlängerung« eröffnet die Ausschöpfung der Zweijahresfrist, da ansonsten bei Weiterbeschäftigung als Rechtsfolge ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 5 TzBfG entsteht (HWK-Schmalenberg Rn 105 f.). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz begründet über die getroffene Vereinbarung hinaus keinen Anspruch auf Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages (BAG 13.8.2008 EzA § 14 TzBfG Nr. 52).

Der Gesetzgeber sah sich aufgrund eines Hinweises im Schrifttum (Richardi/Annuß BB 2000, 2204) veranlasst, die Erstfassung (»die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitsvertrag oder seine höchstens dreimalige Verlängerung nicht die Gesamtdauer von zwei Jahren überschreitet«) in der in Kraft getretenen Gesetzesfassung nachzubessern (BT-Drucks. 14/4625 S. 20). Die Klarstellung war erforderlich, da die Erstfassung zu gestatten schien, dass ein ohne Sachgrund auf zwei Jahre abgeschlossenes Arbeitsverhältnis bis zur Dauer von zwei weiteren Jahren sachgrundlos hätte verlängert werden können.
Ein wirksam befristetes oder auflösend bedingtes (§§ 21, 15 Abs. 3 TzBfG) Arbeitsverhältnis ist im Regelfall nicht ordentlich kündbar. Dies ergab sich bereits bisher im Wege der Ableitung aus § 620 BGB Abs. 1 und 2 (BAG 19.6.1980 EzA § 620 BGB Nr. 47; 4.7.2001 EzA § 620 BGB Kündigung Nr. 4) und ist nun ausdrücklich gesetzlich in § 15 Abs. 3 TzBfG niedergelegt (ErfK-Müller-Glöge Rn 10; LS-Schlachter Rn 15). Ausnahmen sieht die Vorschrift nicht vor. Das trifft auch auf Verträge mit Altersgrenzen zu. Hierzu bedarf es einer im Arbeitsvertrag geschlossenen Vereinbarung oder eines arbeitsvertraglichen Bezugs auf einen Tarifvertrag (BAG 21.11.2013 EzA § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 28 zu § 30 Abs. 1 KAVO EKD; 23.4.2009 EzA § 16 TzBfG Nr. 1; 7.12.1995 RzK I 9f Nr. 48; 18.9.2003 EzBAT SR 2y BAT Nr. 115) zur möglichen ordentlichen Kündigung (APS-Backhaus Rn 25; Dörner Befr. Arbeitsvertrag Rn 724; MüKo-BGB/Hesse Rn 28; Annuß/Thüsing-Maschmann Rn 10; aA Rolfs Anm. AP Nr. 20 zu § 620 BGB Altersgrenze; Persch NZA 2010, 77, 80; ErfK-Müller-Glöge Rn 11; Schaub/Koch § 38 Rn 43; Bauer NZA 2011, 241, 248; Schiefer DB 1220, 1223, die im Wege teleologischer Reduktion oder ergänzender Auslegung von § 15 Abs. 3 TzBfG der Altersgrenzenvereinbarung zur Kündbarkeit gelangen). Zur Kündigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer vgl. Rdn 42 ff. zu § 15 Abs. 4 TzBfG. Fehlt es an einer, den Erfordernissen des § 15 Abs. 3 TzBfG entsprechenden Vereinbarung und kündigt der Arbeitgeber gleichwohl während des Laufs der Befristung das Arbeitsverhältnis, so muss sich der Arbeitnehmer dagegen innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG zur Wehr setzen; ansonsten ist die Kündigung nach § 7 KSchG rechtswirksam (BAG 22.7.2010 EzA § 4 nF KSchG Nr. 89, Rn 9 ff.). In einem solchen Fall geht es nicht um die Einhaltung einer Kündigungsfrist, sondern um die Wirksamkeit der Kündigung.

Daraus folgt nun, dass dieses Ergebnis auch hätte über ein zulässiges befristetes Arbeitsverhältnis erreicht werden können. Damit scheidet aber nach überwiegender Meinung die Möglichkeit aus, dass diese Klausel über die AGB-Kontrolle stürzen könnte. Eine solche Vereinbarung ist daher nicht überraschend oder einseitig übervorteilend.

Im Ergebnis lässt sich daher sagen, dass Sie sich nicht auf die Unwirksamkeit dieser Klausel stützen können.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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