Verletzung der Fürsorgepflicht nur bei Kindern unter 16 möglich

Online-Rechtsberatung
Stand: 27.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin 19 Jahre alt, meine Mutter ist Alkoholikerin. Als ich drei Jahre war hat mich das Jugendamt weg geholt, weil sie nicht für mich gesorgt hat. Seitdem ich 16 Jahre war haben mich meine Mutter und mein Stiefvater gefragt, ob ich ihnen Alkohol gegen Bezahlung holen kann. Ich habe das auch ein paar Mal gemacht, aber dann nie wieder.

Meine Frage ist: Kann ich meine Mutter noch wegen Verletzung der Führsorgepflicht anzeigen?

Antwort des Anwalts

Eine Anzeige wegen Verletzung der Fürsorgepflicht, strafbar nach § 171 StGB *1), würde schon daran scheitern, daß Sie im Zeitpunkt der Tat schon über 16 Jahre alt waren.

§ 171 StGB (Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht) setzt nach dem Gesetzeswortlaut eine gröbliche Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren voraus. Weiterhin muss der Schutzbefohlene in die Gefahr gebracht werden, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen. Auch daran scheint es hier zu mangeln, denn das liegt beim reinen Bierholen auf Weisung Ihrer Eltern nicht wirklich nahe.

Denkbar wäre dann nur noch eine Anzeige einer Ordnungswidrigkeit. Der Verkauf von Alkohol an Minderjährige ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 9 Absatz 1 Jugendschutzgesetz (JuSchG) 2) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Nr. 10 JuSchG 3).

Ordnungswidrig handelt danach, wer als Veranstalter oder Gewerbetreibender vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 9 Abs. 1 ein alkoholisches Getränk an ein Kind oder eine jugendliche Person abgibt oder ihm oder ihr den Verzehr gestattet. Ordnungswidrig handelt nach § 9 Abs. 4 JuSchG auch, wer als Person über 18 Jahren ein Verhalten eines Kindes oder einer jugendlichen Person herbeiführt oder fördert, das durch ein in Absatz 1 Nr. 5 bis 8, 10, 12, 14 bis 16 oder 19 oder in § 27 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 bezeichnetes oder in § 12 Abs. 3 Nr. 1 enthaltenes Verbot oder durch eine vollziehbare Anordnung nach § 7 Satz 1 verhindert werden soll.

Diese Voraussetzungen dürften insgesamt wohl bei dem Verkäufer des Biers vorliegen und bei Ihrer Mutter und dem Stiefvater über Absatz 4 ebenfalls. Jedenfalls wenn er oder sie damals das Bier an Sie direkt als Minderjährigen verkauft hatte.

Bei einer Androhung von Bußgeld bis zu 50.000 Euro tritt Verfolgungsverjährung ein in 3 Jahren, vgl. § 31 OWiG 4). Der Beginn ist normaler Weise bei sich wiederholenden Delikten mit der Beendigung der letzten Tat anzusetzen, § 78b StGB 5).

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.
*1) § 171 StGB Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht

Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Verletzung_der_F%C3%BCrsorge-_oder_Erziehungspflicht
*2) § 9 JuSchG Alkoholische Getränke

(1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen

  1. Branntwein, branntweinhaltige Getränke oder Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an Kinder und Jugendliche,
  2. andere alkoholische Getränke an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren
    weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.
    (2) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn Jugendliche von einer personensorgeberechtigten Person begleitet werden.
    (3) In der Öffentlichkeit dürfen alkoholische Getränke nicht in Automaten angeboten werden. Dies gilt nicht, wenn ein Automat
  3. an einem für Kinder und Jugendliche unzugänglichen Ort aufgestellt ist oder
  4. in einem gewerblich genutzten Raum aufgestellt und durch technische Vorrichtungen oder durch ständige Aufsicht sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche alkoholische Getränke nicht entnehmen können.
    § 20 Nr. 1 des Gaststättengesetzes bleibt unberührt.
    (4) Alkoholhaltige Süßgetränke im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des Alkopopsteuergesetzes dürfen gewerbsmäßig nur mit dem Hinweis "Abgabe an Personen unter 18 Jahren verboten, § 9 Jugendschutzgesetz" in den Verkehr gebracht werden. Dieser Hinweis ist auf der Fertigpackung in der gleichen Schriftart und in der gleichen Größe und Farbe wie die Marken- oder Phantasienamen oder, soweit nicht vorhanden, wie die Verkehrsbezeichnung zu halten und bei Flaschen auf dem Frontetikett anzubringen.
    *3) § 28 OWiG Bußgeldvorschriften
    (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Veranstalter oder Gewerbetreibender vorsätzlich oder fahrlässig
  5. entgegen § 3 Abs. 1 die für seine Betriebseinrichtung oder Veranstaltung geltenden Vorschriften nicht, nicht richtig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise bekannt macht,
  6. entgegen § 3 Abs. 2 Satz 1 eine Kennzeichnung verwendet,
  7. entgegen § 3 Abs. 2 Satz 2 einen Hinweis nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gibt,
  8. entgegen § 3 Abs. 2 Satz 3 einen Hinweis gibt, einen Film oder ein Film- oder Spielprogramm ankündigt oder für einen Film oder ein Film- oder Spielprogramm wirbt,
  9. entgegen § 4 Abs. 1 oder 3 einem Kind oder einer jugendlichen Person den Aufenthalt in einer Gaststätte gestattet,
  10. entgegen § 5 Abs. 1 einem Kind oder einer jugendlichen Person die Anwesenheit bei einer öffentlichen Tanzveranstaltung gestattet,
  11. entgegen § 6 Abs. 1 einem Kind oder einer jugendlichen Person die Anwesenheit in einer öffentlichen Spielhalle oder einem dort genannten Raum gestattet,
  12. entgegen § 6 Abs. 2 einem Kind oder einer jugendlichen Person die Teilnahme an einem Spiel mit Gewinnmöglichkeit gestattet,
  13. einer vollziehbaren Anordnung nach § 7 Satz 1 zuwiderhandelt,
  14. entgegen § 9 Abs. 1 ein alkoholisches Getränk an ein Kind oder eine jugendliche Person abgibt oder ihm oder ihr den Verzehr gestattet,
  15. entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 ein alkoholisches Getränk in einem Automaten anbietet,
    11a. entgegen § 9 Abs. 4 alkoholhaltige Süßgetränke in den Verkehr bringt,
  16. entgegen § 10 Abs. 1 Tabakwaren abgibt oder einem Kind oder einer jugendlichen Person das Rauchen gestattet,
  17. entgegen § 10 Abs. 2 Satz 1 Tabakwaren in einem Automaten anbietet,
  18. entgegen § 11 Abs. 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 4 Satz 2, einem Kind oder einer jugendlichen Person die Anwesenheit bei einer öffentlichen Filmveranstaltung, einem Werbevorspann oder einem Beiprogramm gestattet,
    14a. entgegen § 11 Abs. 5 einen Werbefilm oder ein Werbeprogramm vorführt,
  19. entgegen § 12 Abs. 1 einem Kind oder einer jugendlichen Person einen Bildträger zugänglich macht,
  20. entgegen § 12 Abs. 3 Nr. 2 einen Bildträger anbietet oder überlässt,
  21. entgegen § 12 Abs. 4 oder § 13 Abs. 2 einen Automaten oder ein Bildschirmspielgerät aufstellt,
  22. entgegen § 12 Abs. 5 Satz 1 einen Bildträger vertreibt,
  23. entgegen § 13 Abs. 1 einem Kind oder einer jugendlichen Person das Spielen an Bildschirmspielgeräten gestattet oder
  24. entgegen § 15 Abs. 6 einen Hinweis nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gibt.
    (2) Ordnungswidrig handelt, wer als Anbieter vorsätzlich oder fahrlässig
  25. entgegen § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Abs. 5 Satz 3 oder § 13 Abs. 3, einen Hinweis nicht, nicht richtig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise gibt,
  26. einer vollziehbaren Anordnung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, auch in Verbindung mit Abs. 5 Satz 3 oder § 13 Abs. 3, oder nach § 14 Abs. 7 Satz 3 zuwiderhandelt,
  27. entgegen § 12 Abs. 5 Satz 2 einen Hinweis nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig anbringt oder
  28. entgegen § 14 Abs. 7 Satz 1 einen Film oder ein Film- oder Spielprogramm mit "Infoprogramm" oder "Lehrprogramm" kennzeichnet.
    (3) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
  29. entgegen § 12 Abs. 2 Satz 4 einen Hinweis nicht, nicht richtig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise gibt oder
  30. entgegen § 24 Abs. 5 Satz 2 eine Mitteilung verwendet.
    (4) Ordnungswidrig handelt, wer als Person über 18 Jahren ein Verhalten eines Kindes oder einer jugendlichen Person herbeiführt oder fördert, das durch ein in Absatz 1 Nr. 5 bis 8, 10, 12, 14 bis 16 oder 19 oder in § 27 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 bezeichnetes oder in § 12 Abs. 3 Nr. 1 enthaltenes Verbot oder durch eine vollziehbare Anordnung nach § 7 Satz 1 verhindert werden soll. Hinsichtlich des Verbots in § 12 Abs. 3 Nr. 1 gilt dies nicht für die personensorgeberechtigte Person und für eine Person, die im Einverständnis mit der personensorgeberechtigten Person handelt.
    (5) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
    *4) § 31 OWiG Verfolgungsverjährung

(1) Durch die Verjährung werden die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Anordnung von Nebenfolgen ausgeschlossen. § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.
(2) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verjährt, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt,

  1. in drei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind,
  2. in zwei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als zweitausendfünfhundert bis zu fünfzehntausend Euro bedroht sind,
  3. in einem Jahr bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als eintausend bis zu zweitausendfünfhundert Euro bedroht sind,
  4. in sechs Monaten bei den übrigen Ordnungswidrigkeiten.
    (3) Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.
    *5) § 78a StGB
    Beginn

Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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