Baustellenlärm seit 6 Monaten: Was kann ich dagegen tun?

Online-Rechtsberatung
Stand: 06.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Seit sechs Monaten ist in unmittelbar Nähe eine sehr laute Baustelle (Umbau eines großen Gebäudekomplexes, inklusive Fassadensanierung, Fenstereinbauten etc.).
Der Presslufthammer beginnt um spätestens 8.00 Uhr morgens und endet um 18.45 Uhr. Mittagspause wird so gut wie nie eingehalten. Da sich meine Wohnung an einem Hang befindet und die Baustelle ein paar Meter dadrüber, schallt das Echo in unglaublicher Lautstärke zu mir zurück. Seit langer Zeit kann ich daher nur mit Ohrenschutz (wenn überhaupt) in der Wohnung verweilen.
Nach dieser langen Zeit bin ich nicht mehr bereit, das ohne Weiteres mitzumachen.
Meine Frage:
Was muss ich ertragen? Welche Gesetzesrichtlinien gibt es dazu?
Habe mit dem Baustellenleiter geredet, er meinte es sei von 7-19 Uhr erlaubt.
Ich wohne in einem dicht besiedelten Wohngebiet in Stuttgart, direkt Nahe des Stadtkerns,

Antwort des Anwalts

Im Innenstadtbereich von Stuttgart dürfte es sich nach 3.1.1. c) um Gebiete handeln mit gewerblichen Anlagen und Wohnungen handeln, in denen weder vorwiegend gewerbliche Anlagen noch vorwiegend Wohnungen untergebracht sind. Dafür gibt es Immissionsrichtwerte, nämlich von tagsüber 60 dB (A) und nachts 45 dB (A).
Grundsätzlich gilt in der Tat nach Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm- Geräuschimmissionen - vom 19. August 1970 als Nachtzeit die Zeit von 20 Uhr bis 7 Uhr. Mittagsruhezeiten sind dabei nicht gesondert vorgesehen und der Samstag gilt als Werktag.

Nach der Rechtsprechung, die es besonders zum Thema Mietminderung (Einzelheiten vgl. § 536 BGB 1)) gibt, ist Baulärm im Zusammenhang mit einer U-Bahn in der Nähe einer Großstadt ortsüblich und rechtfertigt deshalb keine Minderung. Die Rechtsprechung steigert das in einer Serie von Entscheidungen bis hin zu einer berechtigten Mietminderung von ca. 60 Prozent (Amtsgericht (AG) Hamburg, Urteil vom 16.01.1987 Aktenzeichen 44 C 1605/86) 2).

Juristisch kommt es dabei darauf an, ob der Vermieter als Eigentümer in der Lage ist, seine Rechte gegenüber den Nachbarn aus § 906 BGB geltend zu machen. Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von u.a. Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben. Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzer dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind.
Die Gerichte würden also insgesamt auf die Zumutbarkeit der Lärmbelästigungen abstellen. Dabei würden Verstöße gegen konkrete Verwaltungsvorschriften ein Indiz dafür sein, daß die Lärmbelästigung nicht mehr hinnehmbar ist.

Frage: Welche Gesetzesrichtlinien gibt es dazu? Habe mit dem Baustellenleiter geredet, er meinte es sei von 7-19 Uhr erlaubt.

Antwort: Die Auskunft des Bauleiters dürfte korrekt sein. Massgeblich für die genauen Zeiten ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm *4). Danach werden für jede Gebietsausweisung Immissionsrichtwerte festgelegt.

Zu erwähnen sind ferner die Verordnungen zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung - 32. BImSchV)32. BImSchV vom 29.08.2002 und das Gesetz gegen Baulärm vom 15. September 1965 *5). Darin sind Verpflichtungen für Eigentümer und Betreiber von Baustellen vorgesehen, den Lärm so gering wie möglich zu halten.
Der Lärmschutz ist in einer Vielfalt von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und sonstigem Recht geregelt, die z.T. auch den Bürger unmittelbar schützende Wirkung haben und daher Privatpersonen als Anspruchsgrundlage dienen können.
Tipp: Besorgen Sie sich ein zuverlässiges, geeichtes Lärm-Messgerät. Legen Sie ein Lärmtagebuch an und dokumentieren Sie etwaige Überschreitungen. Zeugen sind gegebenenfalls auch sinnvoll. Dies kann dann zur Kenntnis der Bauaufsichtsbehörde gebracht werden. Gegebenenfalls auch bei Ihrem Vermieter einreichen mit der Bitte um weitere Veranlassung.

Tipp: Die örtlichen Baubehörden als untere Bauaufsicht überwachen dies und können bei Verstössen Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten. Ein Gespräch mit den zuständigen Sachbearbeitern könnte bereits sinnvoll sein.

Auch Leserbriefe könnten gegebenenfalls den öffentlichen Druck auf Einhaltung der Lärmschutzrichtlinien verstärken, da vermutlich Sie nicht der einzige Betroffene sind.

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.
*1) § 536 BGB Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

2) http://www.hanhoerster.de/html/mietminderung
3) § 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
*4) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm- Geräuschimmissionen - vom 19. August 1970
http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/

5) Gesetz gegen Baulärm vom 15. September 1965

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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