Kündigung: Arbeitgeber fordert Rückzahlung von Weiterbildungskosten

Online-Rechtsberatung
Stand: 12.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Habe 6 Monate Kündigungsfrist, will aber zum 1.11.2013 einen Aufhebungsvertrag machen, öffentlicher Dienst im Krankenhaus TVÖD angeglichen( Caritassverband) tätig seit 1.10.1999.
Ich habe eine Weiterbildung 2012 beendet die Weiterbildungskosten betrugen 3500 € musste mich bis zum 31.1.15 verpflichten sonnst muss ich pro Monat 1/36 von den Kosten und der Lohnfortzahlung für 12 Monate zahlen, kann mir nicht vorstellen das das die Rechtssprechung ist.

Antwort des Anwalts

Die konsequente und zielgerichtete Weiterbildung der Arbeitnehmer ist ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung jedes Unternehmens. Auch die Mitarbeiter selbst haben meist ein großes Interesse an Fortbildungsmaßnahmen, weil sich dadurch ihre beruflichen Chancen erhöhen.

Vor der Durchführung solcher Bildungsmaßnahmen werden in der Regel Vereinbarungen geschlossen, die sicherstellen sollen, dass sich die Investition des Unternehmens durch Betriebstreue des Arbeitnehmers rechnet. Die umfangreiche Rechtsprechung zeigt, dass dabei häufig Streitigkeiten entstehen. Der Beitrag gibt Ihnen alle notwendigen Informationen und Tipps, wie Sie Probleme vermeiden können.
Rückzahlungsvereinbarungen sind grundsätzlich zulässig (BAG, 25.04.2001 - 5 AZR 509/99). Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an einer Absicherung gegen den Verlust seiner Investition in den Mitarbeiter. Die Vereinbarung muss vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen.

Dem Mitarbeiter muss durch die Bildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung zufließen, d.h. er muss dadurch bei realistischer Betrachtung Vorteile erwarten können und daher einen Ausgleich für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten. Dieser wird meist in einer Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Betriebes oder in besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt bestehen. Der Arbeitgeber ist ggf. beweispflichtig dafür, dass der Mitarbeiter durch die Bildungsmaßnahme seine zusätzlich erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zum beruflichen Aufstieg einsetzen kann (BAG, 16.03.1994 - 5 AZR 339/92). Allein die Höhe der übernommenen Kosten ist dabei nicht entscheidend.

Eine Rückzahlungsvereinbarung kann aber entsprechend des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam sein, wenn sie eine übermäßige Beeinträchtigung des Grundrechts des Arbeitnehmers herbeiführt, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen. Die Belastung des Mitarbeiters muss zumutbar sein.

Nicht zulässig sind Rückzahlungsvereinbarungen u.a. in folgenden Fällen:

Bei Bildungsmaßnahmen im Rahmen eines Ausbildungsvertrages (§ 12 Abs. 1, Abs. 2 BBiG). Hierzu gehören auch außerbetriebliche Lehrgänge als Bestandteil der Ausbildung. Eine Ausnahme bilden Rückzahlungsvereinbarungen in Bezug auf Studiengebühren bei ausbildungsintegrierten dualen Ausbildungsgängen (BA-Studiengängen; vgl. BAG, 25.04.2001 - 5 AZR 509/99).

Bei ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen ist es wichtig, in der Rückzahlungsvereinbarung auf die korrekte Zuordnung der einzelnen Kostenbereiche zum Studium bzw. zur Berufsausbildung zu achten, da ansonsten die Klausel im Rahmen der AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam sein kann (LAG Schleswig-Holstein, 23.05.2007 - 3 Sa 28/07).

Für Schulungen und Bildungsveranstaltungen im Rahmen einer Betriebsrats- bzw. Personalratstätigkeit (§§ 37 Abs. 6, 7 sowie § 40 Abs. 1 BetrVG; §§ 46 Abs. 6, 7 sowie § 44 Abs. 1 BPersVG).

Für Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung, bei denen im Vordergrund die Aktualisierung, die Auffrischung und die Vertiefung vorhandener Kenntnisse stehen (z.B. bei Schulungen nach Einführung neuer Software oder zum Umgang mit neuen Sicherheitsvorschriften).

Für die Freistellung zu Bildungsmaßnahmen mit sozialem Hintergrund oder zur Förderung einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Die Freistellung erfolgt in diesen Fällen nicht in der Absicht, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Betrieb zu nutzen, sondern aus anderen Erwägungen heraus.

Arbeitnehmer können im Rahmen der einschlägigen Regelungen der Bundesländer Anspruch auf bezahlte Freistellung (Bildungsurlaub) auch für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen geltend machen. Die in Ländergesetzen geregelten Ansprüche werden teilweise durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ergänzt. Soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen, muss der Arbeitgeber die Freistellung vor der Maßnahme erklären. Eine Ablehnung ist nur aus betrieblichen bzw. dringenden betrieblichen Gründen möglich (in einzelnen Ländern gelten außerdem Kleinbetriebsklauseln bzw. Überforderungsklauseln). Rückzahlungsvereinbarungen sind bei Bildungsurlaub in diesem Sinne nicht zulässig.

Für die Vereinbarung gibt es keine Formvorschriften. Aus Gründen der inhaltlichen Bestimmtheit und der Beweisführung ist jedoch eine schriftliche Abfassung sinnvoll. Mündliche Vereinbarungen können als einzelvertragliche Regelungen anzusehen sein; sie fallen dann nicht unter die Regelungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB (LAG Rheinland-Pfalz, 20.12.2011 - 3 Sa 207/11 ). Sie können aber auch - sofern sie in einer Vielzahl von Fällen gleichlautend verwandt werden - als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten sein (BAG, 16.05.2012 - 5 AZR 331/11).

Eine Rückzahlungsvereinbarung darf auch inhaltlich nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Die für den Arbeitnehmer zumutbare und tragbare Verpflichtung ist aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Dabei kommt es u. a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (ständige Rechtsprechung, BAG, 16.03.1994 - 5 AZR 339/92).

Eine Rückzahlungsvereinbarung kann außerdem als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliegen. Dies gilt, wenn der Arbeitgeber für die Vereinbarung vorformulierte Vertragsbedingungen verwendet (§ 305 Abs. 1 BGB). Dabei kann es sich auch um extern vorbereitete Muster handeln, die - insgesamt betrachtet - in mindestens drei Fällen verwandt werden (BAG 15.09.2009 - 3 AZR 173/08).

Bestimmungen in AGB, die den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, sind unwirksam.

Wird - ggf. durch die Arbeitsgerichtsbarkeit - die Unwirksamkeit einer Klausel in den AGB festgestellt, ist eine Umdeutung auf eine zulässige Klausel nicht möglich (BAG, 23.01.2007 - 9 AZR 482/06). Daher sollten rechtlich nicht gesicherte Formulierungen vermieden werden.

Die Beweislast, dass es sich bei der getroffenen Vereinbarung um vorformulierte Vertragsbedingungen handelte und er infolge der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte, trägt der Arbeitnehmer (LAG Rheinland-Pfalz, 20.12.2011 - 3 Sa 207/11 m. w. N.).
In den Vereinbarungen wird in der Regel festgelegt, nach welcher Dauer der Betriebstreue die Rückzahlungsverpflichtung erlischt. Die Rechtsprechung hat dafür in Abhängigkeit der Dauer der Fortbildung
folgende Kriterien entwickelt:
Dauer der bezahlten Freistellung bis zu Zulässige Bindungsdauer bis zu
einem Monat sechs Monate
zwei Monate einem Jahr
drei bis vier Monate zwei Jahre
einem Jahr drei Jahre
mehr als zwei Jahre fünf Jahre

Abweichungen davon sind im Einzelfall möglich - abhängig von den Aufwendungen des Betriebes und den Vorteilen, die der Arbeitnehmer durch die
Fortbildung
erlangt (BAG, 14.01.2009 - 3 AZR 900/07).

Die Rückzahlungsverpflichtung muss sich während der Bindungsdauer zeitanteilig - zumindest für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit - mindern. Eine monatliche Staffelung kann zwar sinnvoll sein, ist aber rechtlich nicht gefordert (BAG, 23.04.1986 - 5 AZR 159/85).
Welche Sachverhalte die Verpflichtung zur Rückzahlung auslösen, ist in der Vereinbarung konkret zu regeln. Auch dabei ist die Rechtsprechung zu beachten. Es ist nicht zulässig, die Rückzahlung an jede Form des Ausscheidens zu knüpfen. Dies gilt insbesondere, wenn eine Rückzahlung auch für den Fall vorgesehen ist, dass dem Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung kein Arbeitsvertrag angeboten wird. Der Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, durch Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen.

Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss daher der Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen sein. Dies ist in der Regel bei Kündigung des Mitarbeiters der Fall. Ausnahmsweise kann aber auch bei Eigenkündigung die Rückzahlungsverpflichtung entfallen, wenn die Kündigung durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers veranlasst wurde, die auch einen besonnenen Mitarbeiter zur Kündigung bewegt hätte (LAG Bremen, 25.02.1994 - 4 Sa 13/93). Der Kündigung durch den Mitarbeiter gleichzustellen ist ein Aufhebungsvertrag, der auf Wunsch des Arbeitnehmers zustande kommt (BAG, 05.07.2000 - 5 AZR 883/98).

Eine Kündigung des Arbeitgebers darf in der Regel keine Rückzahlungsverpflichtung nach sich ziehen. Nur für den Fall einer sachlich gerechtfertigten verhaltensbedingten Kündigung ist eine Rückforderungsklausel zulässig (BAG, 24.06.2004 - 6 AZR 320/03, 6 AZR 383/03). Der Arbeitgeber ist aber ggf. beweispflichtig, dass ein vertragswidriges Verhalten zur Kündigung geführt hat.

Teilweise wird auch vereinbart, dass der Mitarbeiter zur Rückzahlung verpflichtet ist, wenn er die Bildungsmaßnahme abbricht. In diesem Fall muss die Vereinbarung dem Mitarbeiter eine Überlegensfrist einräumen, in der er ohne Kostenrisiko entscheiden kann, ob er die Ausbildung fortsetzen oder aufgeben will (BAG, 20.02.1975 - 5 AZR 240/74).

In der Vereinbarung sollte auch im Detail festgelegt werden, welche Kosten ggf. zurückzuzahlen sind. Dies erfordert bei Formularverträgen bereits das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB; dabei muss auch die Höhe der evtl. Rückzahlungsverpflichtung für den Arbeitnehmer erkennbar sein (LAG Schleswig-Holstein, 23.09.2008 - 5 Sa 203/08). Die Festlegung, was unter die Erstattungspflicht fällt, liegt in der Disposition der Beteiligten. Im Zweifel zählen hierzu alle Aufwendungen, die der Betrieb für die Bildungsmaßnahme tatsächlich aufgewandt hat. Dazu können gehören:

Die Vergütung für die Zeit der Freistellung

Schulungskosten

Prüfungsgebühren

Kosten für Lehrmaterial

Reisekosten

Unterkunfts- und Verpflegungsaufwendungen

In die Vergütung für die Zeit der Freistellung nicht eingerechnet werden dürfen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, weil dies gegen § 32 SGB I in Verbindung mit §§ 20, 22 SGB IV verstößt (BAG, 6.11.1996 - 5 AZR 334/95).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG, 09.12.1992 - 5 AZR 158/92) ist eine Rückzahlungsvereinbarung, die nach Beginn der Bildungsmaßnahme geschlossen wird, unwirksam. In seinem Urteil vom 15.09.2009 (3 AZR 173/08) hat das BAG diese Frage offen gelassen. Es ist daher zu empfehlen, die Vereinbarung grundsätzlich vor Beginn der Maßnahme zu schließen.
Da die
Rückforderung
der Aufwendungen in der Regel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht wird der Betrieb dies häufig mit den noch zustehenden Vergütungsansprüchen aufrechnen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Aufrechnung nach § 394 BGB in Verbindung mit §§ 850 ff ZPO nur insoweit zulässig ist, als die Bezüge pfändbar sind (LAG Rheinland-Pfalz, 20.12.2011 - 3 Sa 207/11).

Das bedeutet, dass, wenn die oben genannten Kriterien zutreffend sind, Sie tatsächlich eine zulässige Bindung von 3 Jahren eingegangen sind. Sie müssten dann die entsprechenden Kosten von 1/36 je fehlendem Monat bezahlen.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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