Widerspruch gegen Straßenausbaubeitragsbescheid

Online-Rechtsberatung
Stand: 20.01.2014
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Nach dem Verkauf eines Grundstückes bekam ich einen Straßenausbaubeitragsbescheid, gegen den ich sofort Widerspruch eingelegt hatte. Laut notariellem Vertrag gehen sämtlicher Besitz, Nutzen und Lasten am selben Tag auf den Erwerber über. Erschließungsbeiträge und Anliegerbeiträge hat ab Vertragsunterzeichnung der Erwerber zu tragen. Der Vertrag wurde am 08.06.2007 unterzeichnet, die Auflassungsvormerkung am 26.06.2007 ins Grundbuch eingetragen. Der Bescheid wurde am 23.08.2007 ausgefertigt. Nun, nach beinahe 6 Jahren, teilt mir die Stadtverwaltung mit, dem Widerspruch nicht abzuhelfen, da die endgültige Eigentumsüberschreibung erst am 18.09.2007 ins Grundbuch eingetragen wurde. Sollte ich innerhalb von 4 Wochen den Widerspruch nicht zurücknehmen, wird der Vorgang an die zuständige Widerspruchsbehörde übergeben.
Ist das rechtens?

Antwort des Anwalts

Ihre Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag ist rechtens, wenn sie formal der richtige Adressat des Bescheids waren, und wenn der Bescheid formal und inhaltlich rechtmäßig war bzw. ist, und das Vorgehen der Behörde insgesamt korrekt ist.

Verfahrensgang:

Zunächst einmal ist der Gang des Widerspruchsverfahrens vom Prinzip her in Ordnung. Die Ausgangsbehörde kann abhelfen. Wenn Sie das nicht tut, muss Sie den Fall der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorlegen. Es ergeht dann ein Widerspruchsbescheid, gegen dann binnen Monatsfrist Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden kann.
Die lange Zeit dazwischen ist zwar ungewöhnlich, aber begründet als solches noch keine Rechtswidrigkeit des Vorgehens.
Nach § 75 VwVGO *1) könnten Sie allerdings schon ab drei Monaten Untätigkeit der Behörde Klage gegen den Beitragsbescheid einreichen können unter Überspringung des Widerspruchsverfahrens. Das müssen Sie allerdings nicht.

Richtiger Adressat des Bescheids (Passivlegitimation)

Fraglich ist weiterhin in Ihrem Fall, ob Sie überhaupt der richtige Adressat des Bescheids waren.

Das beurteilt sich nach den Gesetzen, aufgrund derer die Heranziehung erfolgt ist.
Da hier keine weitere Angaben vorliegen, wird davon ausgegangen, daß der Bescheid inhaltlich in Ordnung ging, also die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme zu Straßenausbaubeiträgen der Sache nach dem Grunde und der Höhe nach vorlagen.
Sie möchten aber wissen, ob Sie der richtige Adressat des Bescheids angesichts der Veräußerung waren.
Die Beitragspflicht wird nach Straßenbaurecht wird normaler Weise gesetzlich angeknüpft an das Eigentum an den pflichtigen Grundstücken, vgl. § 134 BBauG 1).
Nach Ihren Angaben war zwar im Zeitpunkt des Beitragsbescheids (23.08.2007) schon eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers eingetragen (vom 26.06.2007), Sie waren aber noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Das Eigentum am Grundvermögen geht erst über mit Eintragung des neuen Eigentümers und Löschung der Auflassungsvormerkung., vgl. dazu §§ 873
2) und 925 BGB*3).

Unter diesem Gesichtspunkt war der Bescheid somit rechtmäßig, da er Ihnen gegenüber als Eigentümer erging.
Der Betrachtungsweise, dass Sie durch den zwischenzweitlichen Verkauf und Eigentumswechsel nunmehr nicht mehr der richtige Adressat sind, werden die Behörden bzw. die Gerichte voraussichtlich nicht folgen, da der Bescheid ursprünglich Sie als den richtigen Adressaten in Anspruch nahm, und sonst sämtliche Bescheide frei manipulierbar wären.

Verjährungsfragen

Zu überprüfen ist ferner, ob die Ansprüche nicht bereits verjährt oder verwirkt sein könnten.

Aufschlussreich ist hier ein Urteil des BVerwG, Urteil vom 14. 2. 2001 - 11 C 9. 00; VGH Mannheim; VG Karlsruhe (Lexetius.com/2001,275 [2001/4/142]).
Die Zahlungsverjährung des Beitragsbescheid richtet sich nach dem KAG in Verbindung mit analoger Anwendung von §§ 228 ff. AO *5). Danach unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Der Beginn der Verjährungsfrist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. § 229 Abs. 1 Satz 1 AO) liegt am Ende des Jahrs der Entstehung des Anspruchs, das wäre also bei Ihnen Ende 2007.

Durch die rechtzeitige Bekanntgabe des Bescheides wurde aber eine Hemmung der Verjährung veranlasst, vgl. dazu § 231 AO.
Auch Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Anspruchs liegen nach Ihren Angaben nicht vor. Die Gerichte verfahren damit sehr restriktiv. Das wäre wohl allenfalls dann anzunehmen, wenn die Behörde Anlass gegeben hätte zur Annahme, daß die Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden. Schon aus Gleichheitsgründen gegenüber den anderen Eignern verbietet sich so etwas aber.

Kostentragungspflicht des Käufers

Zu der von Ihnen zitierten Passage im Kaufvertrag, wonach Erschließungsbeiträge und Anliegerbeiträge ab Vertragsunterzeichnung der Erwerber zu tragen hat, ist zu vermerken, daß dies lediglich im Innenverhältnis die Pflichten zwischen Käufer und Verkäufer betrifft, aber im Rahmen Ihres Widerspruchsverfahrens nicht eingewendet werden kann.
Eine andere, sich hier stellende Frage ist allerdings, ob Sie nicht die Kosten des Bescheids infolge dieser Passage dem Käufer rückbelasten könnten und sollten. Wenn die Veranlagung als Erschließungsbeitrag zu bewerten ist, müsste eigentlich der Käufer dafür aufkommen und somit Ihnen diese Kosten erstatten.
Das wäre jedoch notfalls im Rahmen einer getrennten zivilrechtlichen Klage geltend zu machen. Beachten Sie, dass auch hier zivilrechtliche Verjährungsfristen laufen bzw. zu laufen beginnen können, vgl. dazu §§ 185 ff. BGB, zur Hemmung besonders §§ 203, 204 BGB.

Ich rege ergänzend an, die Ausführungen auf landesrechtliche Besonderheiten hin zu überprüfen, die sich aus dem Bescheid ergeben könnten. Sie können mir gegebenenfalls auch zur Nachauswertung noch den Ursprungsbescheid nachzureichen, an die Emailberatung der Deutsche Anwaltshotline und cc an mich an die Emailadresse info@anif.de

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.
*1) § 75 VwGO

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
*2) § 134 BBauG Beitragspflichtiger

(1) Beitragspflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers beitragspflichtig. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche belastet, so ist der Inhaber dieses Rechts an Stelle des Eigentümers beitragspflichtig. Mehrere Beitragspflichtige haften als Gesamtschuldner; bei Wohnungs- und Teileigentum sind die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil beitragspflichtig.
(2) Der Beitrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück, im Falle des Absatzes 1 Satz 2 auf dem Erbbaurecht, im Falle des Absatzes 1 Satz 3 auf dem dinglichen Nutzungsrecht, im Falle des Absatzes 1 Satz 4 auf dem Wohnungs- oder dem Teileigentum.
*3) § 873 BGB
Erwerb durch Einigung und Eintragung

(1) Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
*4) § 925 BGB
Auflassung

(1) Die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden. Zur Entgegennahme der Auflassung ist, unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, jeder Notar zuständig. Eine Auflassung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich oder in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt werden.

(2) Eine Auflassung, die unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgt, ist unwirksam.
*5) § 228 AO
Gegenstand der Verjährung, Verjährungsfrist

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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