Unbemerktes Schrammen eines stehenden PKW - Fahrerflucht ?

Online-Rechtsberatung
Stand: 13.01.2013
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich stelle diese Frage für meinen Vater da dieser scheinbar ein kleineres Problem hat. 

Heute war die Kripo bei ihm auf der Dienststelle (er ist Busfahrer eines ansässigen Verkehrsunternehmens, Linienverkehr) und warf ihm Unfallflucht vor. Angeblich soll er mit dem Bus, den er an diesem Tag fuhr einen parkenden PKW berührt haben. Dies soll in einer engen Straße stattgefunden haben. Mein Vater hat jedoch nichts von der möglichen Berührung bemerkt und ist hat somit seine Linienfahrt fortgesetzt. Die Beamten der Kripo teilten ihm mit, dass es sich um einen ca. 2cm großen minimalen Kratzer an dem Aussenspiegel des betroffenen Fahrzeuges handeln soll. Nach Begutachtung des Busses, den mein Vater an diesem Tag fuhr, stellten die Kripobeamten fest, dass sich am Bus ebenfalls eine ca. 2,5cm Lackspur befindet. Angeblich durch Höhe und Farbe passend zu dem beschädigten Fahrzeug. Es ist sicherlich verständlich, dass (falls es so gewesen sein sollte) man ein so minimales Geräusch in einem voll besetzten Linienbus von 18m Länge nicht wahrnimmt. Die Frage ist nun, wie sich mein Vater verhalten soll. Er soll scheinbar am kommenden Montag in der Polizeidienststelle erscheinen um eine Aussage zu machen. 

Wie soll sich mein Vater verhalten?
Was ist anzuraten?
Kommt es bei einem so geringen Schaden zu einer Verurteilung wegen Fahrerflucht?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrter Mandant,

Vorab der Hinweis, dass es Ihrem Vater nach § 163 a StPO freisteht, zur Sache auszusagen oder nicht. Sofern er keine anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen möchte, empfiehlt sich eine Aussage. Anderenfalls sollte er dies dem Anwalt überlassen. Problematisch ist stets, dass Sie den Inhalt der Ermittlungsakte bei einer Äußerung nicht kennen (Vorteil bei Beauftragung eines Anwalts, da dieser vor einer Stellungnahme Akteneinsicht erhält). Sie wissen also nicht, ob Ihr Vater von einem Zeugen beobachtet wurde und was dieser aussagt. Immerhin muss jemand das Kennzeichen notiert und damit wohl den Vorgang beobachtet haben. Ferner befinden sich in der Akte ggf. seine gegenüber den Polizeibeamten gemachten Angaben. Hier sollten Widersprüche vermieden werden.

Ihre einzelnen Fragen sind meinen Antworten vorangestellt:

Frage 1.: Kommt es bei einem so geringen Schaden zu einer Verurteilung wegen Fahrerflucht?

Antwort: Rechtstechnisch nennt sich der Straftatbestand der Fahrerflucht „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“, ist in § 142 StGB unter Strafe gestellt und kann ggfls. zu einem Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug führen. Zunächst müsste der verursachte Schaden die Belanglosigkeitsgrenze überschreiten, damit überhaupt von einem Unfall i.S.v. §142 StGB gesprochen werden kann. Ob ein Sachschaden ganz belanglos ist, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Insbesondere ist nicht darauf abzustellen, wie sich der Schaden aus rückschauender Sicht nach seiner Behebung oder Hinnahme durch den Geschädigten ausnimmt, sondern wie er sich für einen objektiven Beobachter unter Berücksichtigung der Anschauungen und Gegebenheiten des täglichen Lebens im Augenblick des schadensstiftenden Verkehrsgeschehens darstellt. Damit sind für die Bedeutsamkeit des Schadens die Reparaturkosten maßgeblich, die sich im Unfallzeitpunkt unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und gewöhnlicher Umstände objektiv als Folge der Beschädigung abzeichneten. Ab einer so bestimmten Schadenshöhe von etwa 20,- bis 25,- EUR (der im konkreten Fall entscheidende Strafrichter kann die Grenze auch höher ansetzen) kann auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung nicht mehr von einem völlig belanglosen Schaden gesprochen werden, vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 142 StGB Rn 27 f.. Zur Schadenshöhe ist noch bei der Frage eines möglichen Fahrverbots oder Fahrerlaubnisentzugs Stellung zu nehmen (dazu s.u.).

Frage 2.: Wie soll sich mein Vater verhalten? Was ist anzuraten?

Antwort: Zum Vorwurf selbst wird es ausschließlich darauf ankommen, ob Ihr Vater einen Anstoß bemerkt hat oder nicht. Ist er z.B. aus dem Bus ausgestiegen und hat nachgesehen, wird er nicht behaupten können, nichts bemerkt zu haben (ein immer wieder festzustellender Fehler bei Aussagen, sog. Eigentor). In Ihrem Fall ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Fahrgäste ggf. etwas zu dem Hergang sagen können. Sofern diese noch namhaft gemacht werden können, wird dies Ihren Vater entlasten können. Denn haben selbst die Fahrgäste, die sich nicht wie der Fahrer auf den Verkehr konzentrieren müssen, nichts bemerkt, legt dies zumindest nahe, dass auch Ihr Vater einen Anstoß nicht wahrgenommen hat. Eine Äußerung, dass er z.B. ganz nah an dem geparkten Auto vorbeifuhr, legt zumindest nahe, dass er einen eventuellen Anstoß nicht von vornherein ausschließen konnte. Bei Zweifeln ist der Verkehrsteilnehmer verpflichtet, sich zu vergewissern. Bereits mit einer solchen Aussage sollte also behutsam umgegangen werden.

Es kommt in Ihrem Fall damit entscheidend und nur noch darauf an, ob Ihr Vater den Anstoß bemerkt hat oder nicht. Mit anderen Worten: Ob ihm ein Bemerken in der Hauptverhandlung (falls es überhaupt zu einer solchen kommt!) nachgewiesen werden kann oder nicht. Gemäß § 69 II Nr. 3 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn bei einem Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort der Täter weiß oder wissen kann, dass ein bedeutender Schaden entstanden ist. Wann von einem bedeutenden Schaden gesprochen werden kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Die Grenze liegt in der Regel aber über 1000,00 Euro, so dass mit einem Fahrerlaubnisentzug in Ihrem Fall wohl eher nicht zu rechnen ist. Zumindest ist nur schwer vorstellbar, dass beim anderen Fahrzeug ein derart hoher Schaden entstanden sein soll, obwohl beide Fahrzeuge kaum Spuren aufweisen. Am häufigsten werden Täter durch Lackspuren (Farbgleichheit und Höhenvergleich) überführt, womit jedoch noch nichts darüber gesagt ist, ob der Fahrer den Anstoß auch bemerkt hat bzw. ihm dies nachgewiesen werden kann.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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