Sperrzeit durch Arbeitsamt bei Abfindungszahlung?

Online-Rechtsberatung
Stand: 16.02.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich möchte nach fast 30-jähriger Betriebszugehörigkeit - im Einverständnis mit meinem Arbeitgeber - einen Aufhebungsvertrag (wegen betrieblicher Neuorganisation) zum 31.12.2010 (mein 63. Lebensjahr) schließen und mich bis zum regulären Rentenbeginn arbeitslos melden.

Lt. Urteil des BSG vom 12.07.06 (B 11a AL 47/05 kann das AA bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsvereinbarung keine Sperrzeit verhängen.

Gilt dies auch, wenn keine Abfindung gezahlt wird /werden kann?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

Ob das Arbeitsamt eine Sperrzeit verhängt oder nicht, ist nicht in erster Linie von der Zahlung einer Abfindung abhängig. Entscheidend ist die Frage, ob sich der Arbeitnehmer versicherungsschädlich verhalten hat. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages ist ein eigener Sperrzeittatbestand gemäß § 144 SGB III.

Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch eine vertragliche Vereinbarung steht einer Kündigung durch den Arbeitnehmer unter versicherungsrechtlicher Beurteilung gleich. Da auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses abzustellen ist, kommt es nicht darauf an, ob die Auflösungsvereinbarung zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist.
Eine Auflösungsvereinbarung kann auch darin gesehen werden, dass der Arbeitgeber ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist kündigt, nachdem der Arbeitnehmer zuvor ausdrücklich auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verzichtet hatte. Das bloße Schweigen auf die Kündigung ist hingegen nicht als Auflösungsvereinbarung zu werten.

Allerdings kann, wie das BSG im Urteil vom 9. 11. 95 ?11 RAr 27/95 zu einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer der auf die Kündigung des Arbeitgebers mit finanziellen Vergünstigungen unter Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage ausschied, klargestellt hat, auch ohne eine ausdrückliche Erklärung im Einzelfall ein auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gerichtetes schlüssiges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen. Bei der Erforschung des Willens der Arbeitsvertragsparteien sind die kündigungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers, die Modalitäten des Ausscheidens (Zahlung einer Abfindung usw.) und die Interessenlage der Beteiligten von Bedeutung.

Das BSG hatte die Frage aufgeworfen, ob eine Sperrzeit auch dann eintritt, wenn der Arbeitnehmer eine rechtswidrige Kündigung im Hinblick auf eine finanzielle Vergünstigung hinnimmt (sog offener Lösungsbegriff: BSG 9. 11. 95 ?11 RAr 27/95, BB 96, 1510). In dem Urteil war angedeutet worden, dass diese Frage zu bejahen sei. Von dieser Ankündigung hat das BSG nun in einer neueren Entscheidung ausdrücklich Abstand genommen (BSG 25. 4. 02 ?B 11 AL 89/01 R. Danach knüpft die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe allein an ein aktives Verhalten des Arbeitnehmers, nicht jedoch an die bloße Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung an. Nicht beantwortet war mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG die Frage, ob der sog ?Abwicklungsvertrag? als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu behandeln ist.

Das BSG hat neuerdings entschieden, dass der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis durch den Abschluss eines Abwicklungsvertrages löst, wenn er durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber innerhalb der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen Zusage einer Vergünstigung auf die Ausübung seines Kündigungsrechts verzichtet (BSG 18. 12. 03 ?B 11 AL 35/00 R). Unerheblich ist hierbei, ob die Arbeitsvertragsparteien bereits vor Abschluss des ?Abwicklungsvertrages? eine Absprache über das spätere Vorgehen getroffen haben. Eine Sperrzeit tritt in diesen Fällen gleichwohl nicht ein, wenn die Vereinbarung einer objektiv rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung folgt, denn bei einer rechtmäßigen Kündigung kann sich der Arbeitnehmer für den Abschluss der Vereinbarung auf einen wichtigen Grund berufen. Das BSG hat in der genannten Entscheidung außerdem angekündigt, dass es Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess nicht in den Sperrzeittatbestand einbeziehen will, da der Arbeitnehmer aus der Sicht der Arbeitslosenversicherung nicht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verpflichtet ist.

Nach dem durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt eingefügten § 1 a KSchG erwirbt der Arbeitnehmer unter der Voraussetzung einen Anspruch auf eine Abfindung, dass der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Der Anspruch auf die Abfindung setzt nach § 1 a Satz 2 KSchG den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Der Gesetzgeber hat zwar die Folgen eines Vorgehens nach § 1 a KSchG in der Arbeitslosenversicherung nicht eindeutig geregelt, jedoch dürfte eine Sperrzeit aufgrund der gesicherten Rechtsprechung des BSG nicht eintreten, wonach die Passivität des Arbeitnehmers keiner Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gleichgestellt werden kann.

Wie sie aus der obigen Darstellung ersehen können, ist die Frage keineswegs so einfach zu entscheiden, vielmehr ergibt sich aus Ihrer Darstellung, dass Sie einvernehmlich mit dem Arbeitgeber die Beendigung in einem Aufhebungsvertrag vereinbaren. Sie schreiben, dass im Betrieb eine Neuorganisation ansteht. Wenn mit dieser Neuorganisation zwingend Entlassungen verbunden sind, die im konkreten Fall auch Sie betreffen; Sie somit unabhängig von dem Aufhebungsvertrag eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hätten, wenn Sie den Vertrag nicht unterzeichnet hätten, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass keine Sperrfrist verhängt wird.

Um dies zu erreichen, muss allerdings in den Aufhebungsvertrag dieser Umstand der Neuorganisation und die anstehende betriebsbedingte Kündigung umfassend und für die Arbeitsagentur nachvollziehbar dargestellt sein. Ist dies nicht der Fall wird die Arbeitsagentur aufgrund des Vorliegens des aufhebungsvertrages allein eine Sperrfrist verhängen. Der Arbeitgeber kann ergänzend hier noch in der Arbeitsbescheinigung dazu Stellung nehmen.

Auch das von Ihnen genannte Urteil enthält bereits diese Rechtsgrundsätze.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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