Zwangsvollstreckung: Ablauf, Maßnahmen und Freibeträge 2024

Egal ob die nicht gezahlte GEZ oder unbeglichene Unterhaltsforderungen: Sind Sie anderen etwas schuldig, kann Ihr Gegenüber unter Umständen die Zwangsvollstreckung einleiten. Dabei handelt es sich um ein staatliches Mittel, mit dem Gläubiger bestehende Forderungen eintreiben können. Wie eine Zwangsvollstreckung abläuft, welcher Teil Ihres Lohns pfändbar ist und was der Gerichtsvollzieher alles (nicht) mitnehmen darf, erfahren Sie hier.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Was ist eine Zwangsvollstreckung?

Wenn Sie jemand anderem Geld schulden, kann Ihr Gegenüber – der sogenannte Gläubiger – sich dieses mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zurückholen. Dabei kann er beispielsweise einen Teil Ihres Gehalts oder Ihres Kontoguthabens pfänden. Auch die Pfändung von Wertgegenständen wie Schmuck und Autos ist möglich. Bei sehr hohen Schulden sind sogar Ihre Eigentumswohnung oder Ihr Haus in Gefahr.

Beispiele: Bei welchen Schulden kann eine Zwangsvollstreckung eingeleitet werden?

  • Steuerschulden
  • Nicht gezahlte Rundfunkgebühren
  • Nicht gezahlte Strafzettel und andere Bußgelder
  • Unbezahlter Unterhalt
  • Forderungen der Hauptzollämter

Wie läuft eine Zwangsvollstreckung ab?

Keine Angst: Die Zwangsvollstreckung kann nicht einfach so eingeleitet werden. Der Gläubiger muss Ihnen zunächst die Möglichkeit geben, Ihre Schulden zu begleichen. Dazu muss er Ihnen in einem ersten Schritt eine Zahlungserinnerung zukommen lassen. Anschließend muss er ein Mahnverfahren durchlaufen. Ihnen können dabei bis zu drei Mahnschreiben zugestellt werden. Bleibt die Zahlung weiterhin aus, kann der Gläubiger vor Gericht einen Vollstreckungstitel erwirken.

Beim Vollstreckungstitel handelt es sich um eine Art richterliche Urkunde, die Ihr Gegenüber dazu berechtigt, schließlich die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Der Gläubiger darf dabei selbst entscheiden, welche Maßnahmen er ergreifen will. So kann er beispielsweise Wertgegenstände oder einen Teil Ihres Lohns pfänden lassen.

Ihrem Gegenüber ist es außerdem freigestellt, den Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung auszuwählen. Haben Sie Ihre Schulden in der Zwischenzeit nicht beglichen, verjährt der Titel erst nach 30 Jahren.

Gut zu wissen: Grundsätzlich können auch mehrere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gleichzeitig gegen Sie laufen. Völlig freie Hand hat der Gläubiger aber nicht: So kann er nicht parallel Ihren Lohn und Ihr Konto pfänden lassen.

Doppelt gut zu wissen: Wird eine Zwangsvollstreckung gegen Sie eingeleitet, werden Sie nicht vorher darüber informiert. So soll verhindert werden, dass Schuldner pfändbares Vermögen vorher beiseiteschaffen.

Sonderfall: Zwangsvollstreckung durch Behörde

Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Behörden können eine Zwangsvollstreckung gegen Sie einleiten. Dies ist beispielsweise häufig der Fall, wenn Sie den Rundfunkbeitrag (früher: GEZ) nicht zahlen oder ein Bußgeld nicht begleichen.

Der Unterschied zur Zwangsvollstreckung durch einen privaten Gläubiger ist, dass eine Behörde die Maßnahmen direkt einleiten kann. Einen Vollstreckungstitel muss sie zuvor nicht erwirken.

Was kostet eine Zwangsvollstreckung?

Bei der Zwangsvollstreckung fallen in der Regel Kosten an. Der Gerichtsvollzieher berechnet diese je nach zeitlichem Aufwand, nach Anzahl der Mahnschreiben und nach Höhe der Forderung. Im Durchschnitt betragen die Kosten etwa 30 bis 40 Euro.

Die Kosten für die Zwangsvollstreckung hat der Schuldner zu tragen.

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

Wie bereits erwähnt, gibt es zahlreiche verschiedene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Grundsätzlich kann der Gläubiger entscheiden, welche Methoden angewandt werden sollen. Je nach Höhe der Forderung empfiehlt es sich, eine mehr oder weniger mühsame Maßnahme zu wählen.

Taschenpfändung

Die sogenannte Taschenpfändung eignet sich bei kleineren Schuldbeträgen. Dabei pfändet der Gerichtsvollzieher schlichtweg, was Sie gerade so bei sich tragen. In der Regel sind das der Geldbeutel und das gesamte Bargeld, das in Ihrer Handtasche sowie in Ihren Jackentaschen zu finden ist.

Die Taschenpfändung stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar: So können Männer nur Männer absuchen und Frauen nur Frauen.

Lohnpfändung

Bei der Lohnpfändung wird der Arbeitgeber zum Drittschuldner. Dies bedeutet schlichtweg, dass dieser einen Teil Ihres Gehalts automatisch an Ihren Gläubiger überweist. Da Sie aber dennoch weiterhin Ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, ist ein bestimmter Teil Ihres Lohns unantastbar. Wie hoch dieser Freibetrag ausfällt, hängt von der Höhe Ihres Gehalts und von etwaigen Unterhaltspflichten ab.

Verdienen Sie beispielsweise 2.000 Euro netto im Monat ohne dabei unterhaltspflichtig zu sein, kann Ihr Gläubiger 418,40 Euro Ihres Gehalts pfänden (Stand: Januar 2024). Die Lohnpfändungstabelle wird in regelmäßigen Abständen angepasst. Hier finden Sie die aktuelle Lohnpfändungstabelle (zuletzt aktualisiert im Juli 2023).

BGH: Kein Freibetrag bei nicht gezahltem Unterhalt

Lange Zeit konnten Schuldner den gesetzlich geschuldeten Unterhalt als Pfändungsfreibetrag geltend machen. Dem schob der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch im Januar 2023 einen Riegel vor: In einem wegweisenden Urteil beschlossen die Karlsruher Richter*innen, dass nur der tatsächlich gezahlte Unterhaltsbetrag relevant ist. In diesem Fall wollte ein Schuldner den gesetzlichen Unterhalt von 322 Euro als Freibetrag geltend machen, obwohl er eigentlich nur 250 Euro pro Monat zahlte. Der Mann scheiterte vor Gericht (Az. VII 35/20).  

Kontopfändung

Während Ihnen bei der Lohnpfändung automatisch ein unpfändbarer Freibetrag zusteht, kann die Kontopfändung grundsätzlich existenzgefährdend sein.

Dabei wird das gesamte Guthaben auf Ihrem Konto eingefroren und dem Gläubiger überwiesen. Um einen Teil Ihres Vermögens zu sichern, müssen Sie Ihre Konto binnen 4 Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses in ein sogenanntes P-Konto (Pfändungsschutzkonto) umwandeln lassen. So sichern Sie sich einen Freibetrag in Höhe von 1.402,28 Euro pro Monat (Stand: Januar 2024). Ihr Gläubiger kann auf den Betrag nicht zugreifen, da dieser das Existenzminimum schützen soll.

Gut zu wissen: Gemäß § 180k Zivilprozessordnung (ZPO) haben Sie einen rechtlichen Anspruch auf die Umwandlung Ihres Kontos in ein P-Konto. Die Bank kann Ihr Anliegen also nicht ablehnen.

Sachpfändung

Bei der Sachpfändung erfolgt zunächst eine Begehung Ihrer Räumlichkeiten. Dabei darf der Gerichtsvollzieher sowohl Ihre Privaträume als auch gewerblich genutzte Räume begutachten.

Gut zu wissen: Steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür, müssen Sie ihn grundsätzlich nicht hereinlassen. Jedoch kann er nach zwei erfolglosen Versuchen eine richterliche Durchsuchungsanordnung anfordern und sich so dennoch Zutritt zu Ihrer Wohnung verschaffen.

Der Gerichtsvollzieher entscheidet dann, welche Wertgegenstände und Objekte er pfänden will. Diesen klebt er ein Siegel auf, den sogenannten „Kuckuck“. Kleinere Gegenstände – zum Beispiel Schmuck und Spielekonsolen – wird er dabei direkt mitnehmen. Größere Gegenstände lässt er meist erst später abholen.

Gut zu wissen: Hat der Gerichtsvollzieher Ihrer teuren Stereoanlage einen Kuckuck aufgeklebt, dürfen Sie diese nicht weiter nutzen. Sie machen sich somit des sogenannten „Verstrickungsbruchs“ strafbar.

Einige Gegenstände darf der Gerichtsvollzieher jedoch nicht pfänden, da diese zu einer „bescheidenen Lebensführung“ nötig sind. Dazu zählen beispielsweise:

  • Fernseher
  • Radios
  • Waschmaschinen
  • Basismobiliar wie Betten
  • Berufliche genutzte Gegenstände wie Handys und Laptops

Die „beschlagnahmten“ Wertgegenstände werden im Anschluss an die Begehung durch den Gerichtsvollzieher versteigert. Vom Erlös der Auktion werden schließlich Ihre Schulden beglichen.

Austauschpfändung

Bei der Austauschpfändung wird ein hochwertiges Objekt gegen ein minderwertigeres ausgetauscht.

Fahren Sie zum Beispiel eine teure Mercedes S-Klasse, kann der Gerichtsvollzieher das Auto pfänden und es durch einen weniger wertigen VW Polo ersetzen. Die Differenz aus dem Erlös der S-Klasse und dem Kauf des Polo wird anschließend Ihrem Gläubiger überwiesen.

Pfändung von Immobilien und Grundbesitz

Die Pfändung eines Hauses oder einer Eigentumswohnung ist rechtlich vergleichsweise mühsam und kommt daher nur bei sehr hohen Schulden in Betracht. Sinnvoll ist sie dann, wenn die Höhe der Schulden den Wert der Immobilie übersteigt.

Bei der Immobilienpfändung stehen grundsätzlich zwei Herangehensweisen zur Wahl: die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung.

Bei der Zwangsversteigerung werden Haus, Wohnung oder Grundstück – wie der Name bereits vermuten lässt – im Rahmen einer Auktion versteigert. Mit dem Erlös werden anschließend Ihre Schulden beglichen.

Die Zwangsverwaltung kann dann zum Einsatz kommen, wenn Sie Mietwohnungen oder ein Hotel besitzen. Hier wird ein Verwalter eingetragen, der die Einkünfte aus Ihrer Immobilie an Ihren Gläubiger weitergibt.