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Verzögerungsrüge beim Bundesverfassungsgericht

Ein Gericht kann seine Entscheidungen rund vier Jahren und acht Monaten lang verzögern, ohne dass Konsequenzen im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Verzögerungsrüge anfallen.

Ein Gericht kann seine Entscheidungen rund vier Jahren und acht Monaten lang verzögern, ohne dass Konsequenzen im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Verzögerungsrüge anfallen. Dieser Ansicht ist zumindest das Bundesverfassungsgericht in eigenen Angelegenheiten.

Aus dem Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesverfassungsgerichts vom 08.12.2015 (Az. Vz 1/15, 1 BvR 99/11) geht hervor, dass dann die Verzögerung nicht unangemessen ist, wenn die Verfahrensdauer vorliegend zwar ungewöhnlich lang, dies aber durch Sachgründe gerechtfertigt gewesen ist. Die ungewöhnlich lange Verzögerung des Verfahrens sei wegen der hohen Belastung des Dezernats des Berichterstatters gerechtfertigt.

Die ursprüngliche Verfassungsbeschwerde datiert auf den 4.10.2010 (zunächst Eintragung in das Verfahrensregister AR 7295/10, später BVerfGE 1 BvR 99/11). Es ging dabei um die Durchsetzung von Rechtsmitteln gegen illegale Datenspeicherung durch die Staatsanwaltschaft.

Das Bundesverfassungsgericht ließ sich insgesamt fast fünf Jahre lang Zeit um dann lediglich per Beschluss vom 13. Mai 2015 festzustellen, dass die Sache nicht zur Entscheidung angenommen wird. Das Grundgesetz (Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 19 Absatz 4, 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) und Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantieren auch einen Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit.

Nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern in mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte musste festgestellt werden, dass die Rechtslage in Deutschland nicht den Anforderungen der Artikel 6 Absatz 1, 13 EMRK entsprach. Gerichtlicher Rechtsschutz ist bekanntlich nicht mehr effektiv, wenn er zu spät kommt. Dazu muss man wissen, dass das Verzögerungsrügengesetz erst 2011, und nach mehrfachen Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland (Delinquentenliste) eingeführt werden musste.

Mit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG sollte die bis dahin bestehende Rechtsschutzlücke geschlossen werden, die unbestreitbar sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes als auch der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprach. Die vorliegende bedauerliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte als rechtlicher Rückschritt zu bewerten sein. Sie unterläuft regelrecht die Intention des Verzögerungsrügengesetzes, für effektiven Rechtsschutz in Deutschland zu sorgen.

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